AboAbonnieren

Kriegsende in Rhein-BergEin Mann rettet die Kreisstadt

Lesezeit 3 Minuten

Charly Vollmann, hier neben seinem Lastkraftwagen, nahm die Übergabe der Kreisstadt in die eigene Hand, nachdem er ein Gespräch amerikanischer Offiziere mitbekommen hatte

Bergisch Gladbach – Dass Bergisch Gladbach ohne größere Gefechte am 13. April 1945 von den amerikanischen GIs eingenommen wurde, hat die Kreisstadt vor allem dem Werkzeugschlosser und Spediteur Karl August Vollmann aus Hebborn zu verdanken. Vollmann, den seine Freunde „Charly“ nannten, war 1896 in New Jersey geboren worden, hatte bis 1908 in den USA gelebt und sprach fließend Englisch. Und er hatte Mut. Das machte ihn zum Helden des Tages, als er auf eigene Faust die Übergabe der Stadt an die Amerikaner in die Hand nahm.

Die Spitzen der US-Armee rückten von mehreren Seiten auf die Stadt heran: von Dünnwald in Richtung Paffrath, über Dellbrück nach Schlodderdich und über Brück nach Refrath. Am Nachmittag des 13. April stieß Vollmann unweit der Kreuzung „Flora“ (heute B506/Paffrather Straße) auf die aus Paffrath vorfühlende Panzerspitze, die dort unter Artilleriefeuer von den Höhen zwischen Romaney und Voiswinkel geraten war. Er ging mit zwei amerikanischen Offizieren in Deckung und hörte, dass sie Luftunterstützung anforderten und Gladbach bombardieren lassen wollten. Darauf mischte sich Vollmann in das Gespräch ein. Er bat die Offiziere, von dem Luftschlag abzusehen, die Bevölkerung erwarte sehnlich den Einmarsch der Amerikaner. Vollmanns Auftreten und seine englischen Sprachkenntnisse erweckten offensichtlich Vertrauen: Er bekam eine Chance. Er solle den Polizeiführer der Stadt für eine Übergabe herbeischaffen.

Ein Platz erinnert

2015 wurde der Platz neben dem Rathaus Stadtmitte nach Charly Vollmann benannt, nachdem zum 70. Jahrestag des Kriegsendes auch in dieser Zeitung noch einmal über den 1955 verstorbenen Vollmann berichtet worden war.

Vollmann raste in die Innenstadt ins Rathaus, wo eine Reihe von Polizisten samt dem Revierhauptmann trotz Absetzbefehls Richtung Wermelskirchen ausharrte. Der Hauptmann wollte aber nicht mitkommen, sondern verwies auf den Bürgermeister. Vollmann suchte Bürgermeister Dr. Walter Kappes zu Hause auf, der aber traute sich nicht aus dem Haus. Er erteilte jedoch dem Polizeikommandanten Vollmacht zum selbstständigen Handeln.

Vollmanns Einsatz als Dolmetscher und Unterhändler

Wieder im Rathaus hatte Vollmann es erneut mit zaudernden Beamten zu tun: Der Hauptmann wusste nicht, was die Wehrmacht plante, glaubte aber, dass die Innenstadt frei sei von deutschen Soldaten und sicherte zu, dass die Polizei keinen Widerstand leisten werde. Mit diesem dürren Angebot jagte Vollmann wieder nach Paffrath.

Gegen 17.15 Uhr fuhr der erste Sherman-Panzer auf den Marktplatz. Die Besatzung war nervös. Als der Richtschütze eine Bewegung hinter der Kirchhofmauer von St. Laurentius wahrnahm, setzte er eine Panzergranate in den Kirchturm, ein beliebtes Widerstandsnest für Scharfschützen. In dieser hochbrisanten Situation tauchte Vollmann erneut auf und machte sich als Dolmetscher und Unterhändler nützlich. Am ramponierten Kirchturm wurde ein Betttuch als weiße Fahne entfaltet. Ein Trupp GIs übernahm mit schussbereiten Karabinern das Rathaus, in dessen Hinterhof die Polizisten unbewaffnet Aufstellung nahmen. Nachdem der Kommandant beteuert hatte, nicht weiterkämpfen zu wollen, und betonte, dass die städtische Polizeitruppe nicht zur Wehrmacht gehöre, wurde sie der Befehlsgewalt der Besatzungstruppen unterstellt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Gegen 18 Uhr rollten weitere Panzer- und Infanterieverbände von Bensberg kommend auf die Gladbacher Mitte zu. Trotz gelegentlicher Maschinengewehrstöße und krepierender einzelner Panzergranaten kam es nicht mehr zu größeren Kampfhandlungen. Peter Vierkotten, der die Ereignisse als Augenzeuge erlebte, hat später formuliert: „Dem Bürger Vollmann ist zu verdanken, dass Gladbach nicht in Schutt und Asche sank.“