Neuanfang in Rhein-BergVor 75 Jahren ging der Krieg zu Ende
Lesezeit 4 Minuten
Am 12. April 1945 erreichten amerikanische Truppen den Süden des Rheinisch-Bergischen Kreises.
Damit ging in der Region der Zweite Weltkrieg zu Ende.
Ein Rückblick.
Rhein-Berg – Für die einen war es der „Tag, an dem der Ami kam“, für andere einfach „die Befreiung“, einige beschlich allerdings auch Sorge, was nun kommen würde: Am 12. April 1945 – an diesem Sonntag vor 75 Jahren – erreichten amerikanische Truppen den Süden des Rheinisch-Bergischen Kreises. Damit ging in der Region der Zweite Weltkrieg zu Ende – fünf Wochen vor der offiziellen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai.
„Genau um vier Uhr am Nachmittag war für uns die Stunde Null gekommen“, erinnerte sich Theo Felten später, wie er am 13. April 1945 eine Bohnenstange in die Erde neben seiner Behelfsbaracke in Vilshoven bei Overath-Marialinden rammte und daran die weiße Fahne hisste. „Oben an der Chaussee klatschten sie Beifall.“ Kurz zuvor hätte man fürs Hissen dieser Kapitulationsbekundung noch erschossen werden können. Jetzt rollten Jeeps mit grüßenden amerikanischen Soldaten daran vorbei. Sie kamen aus dem Naafbachtal, das sie bereits am Vortag eingenommen hatten. Im Laufe des 13. Aprils sollten Sie auch noch Bergisch Gladbach erreichen.
Stunde Null
Niederlage oder Befreiung? Während die „Stunde Null“ manchen Deutschen vor diese Frage stellte, gab es für 1500 Menschen, die die amerikanischen Truppen am 12. April 1945 am Rand der damaligen Gemeinde Rösrath erreichten, allein das Gefühl der Erleichterung. Sofern sie dazu noch in der Lage waren. Unterernährt, verlaust und größtenteils komplett entkräftet fanden die US-Truppen die Kriegsgefangenen im „Lager Hoffnungsthal“ vor, das sich auf dem Gelände des heutigen Kinder- und Jugenddorfes Stephansheide befand.
12. April 1945 Amerikanische Truppen erreichen von der Sieg kommend Rösrath und Overather Gebiet.
13. April 1945 Ohne großen Widerstand der zurückweichenden deutschen Truppen erreichen die Alliierten auch Bensberg und Gladbach.
14. April 1945 In Schildgen und Spitze kommt es zu Schießereien mit deutschen Einheiten. Am Abend ist die NS-Zeit im gesamten Rheinisch-Bergischen Kreis Vergangenheit.
8. Mai 1945 Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endet der Weltkrieg. (wg)
Im Kriegsjahr 1940 war das Lager eingerichtet worden. In den Gebäuden hatte sich zuvor ein Straflager der Wehrmacht als Arbeitskommando für den Truppenübungsplatz in der benachbarten Wahner Heide befunden. Kurz nach Beginn von Adolf Hitlers Westfeldzug wurden in den eigentlich für 600 Personen ausgelegten Baracken 800 französische Kriegsgefangene interniert, ein Jahr später wurden sie von 1200 polnischen Kriegsgefangenen „abgelöst“, die bis Mitte 1944 blieben.
Einige von ihnen sind später noch einmal zurückgekehrt und haben eindringlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager beschrieben: Nach bis zu 16-stündigem Arbeitseinsatz beim Grabenziehen auf dem Truppenübungsplatz habe es oft nur zwei Scheiben Kommissbrot und eine dünne Wassersuppe gegeben, erinnerte sich etwa Stanislaw Krzyzaniak: „Das war zu wenig, um zu leben, aber auch zu viel, um zu sterben.“
Russische Kriegsgefangene
Die Verhältnisse dürften sich noch verschlechtert haben, als ab Herbst 1944 vorwiegend russische Kriegsgefangene ins Lager gebracht wurden. Dutzende starben an Entkräftung oder Krankheiten, die sich epidemieartig unter den Inhaftierten ausbreiteten. Die amerikanischen Truppen fanden im April 1945 zahlreiche Massengräber. Die sterblichen Überreste der darin Verscharrten wurden in einer Ehrenanlage direkt neben dem Lagergelände bestattet, manche später auf andere Friedhöfe umgebettet. „Unbekannter russischer Soldat“ steht auf den meisten der 112 heute noch erhaltenen Grabsteine.
Unter den 1500 Kriegsgefangenen, denen die amerikanischen GIs am 12. April 1945 die Lagertore öffneten, waren auch 187 Amerikaner, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Nachdem amerikanische Truppen bereits am 7. März in Remagen über den Rhein vorgedrungen waren, hatte ein erbitterter Kampf um große Teile des Rechtsrheinischen begonnen.
Ruhrkessel
Das Bergische Land lag bald darauf im sogenannten „Ruhrkessel“, einem Gebiet vom Ruhrgebiet bis zur Sieg, das die Alliierten ab dem 1. April komplett eingekesselt hatten. Neben Einheimischen und Flüchtlingen befanden sich im „Kessel“ auch 300 000 deutsche Soldaten, die teils noch erbittert weiterkämpften. In Marialinden baute selbst am 12. April, als schon amerikanische Artilleriegeschosse im Ort einschlugen, noch eine „Hitlerjugend-Division“ Maschinengewehrstellungen um das örtliche Krankenhaus auf, wie sich der Arzt Dr. Erwin Bücken später erinnerte.
Zusammen mit seiner Assistentin und Pastor Josef Herchenbach zog der Mediziner trotzdem am Folgetag den Amerikanern mit weißer Fahne entgegen. Die HJ-Kämpfer schossen auf die Delegation, bevor sie selbst das Weite suchten. Der Widerstand war gebrochen. „Die Amis sind da“ – die Nachricht habe sich wie ein Lauffeuer verbreitet, erinnert sich der Marialindener Werner Pütz, der auch den Erinnerungsbericht von Theo Felten in einem Buch über Krieg und Nationalsozialismus im Bergischen Land veröffentlicht hat.
Dass auch Bergisch Gladbach ohne größere Gefechte noch am selben Tag von den amerikanischen GIs eingenommen wurde, hat die Kreisstadt vor allem dem Spediteur Karl Vollmann aus Hebborn zu verdanken, den seine Freunde Charly nannten. Er hatte einige Jahren in den USA gelebt und konnte Englisch. Und er hatte Mut. Das machte ihn zum Helden des Tages, als er auf eigene Faust die Übergabe der Stadt an die Amerikaner in die Hand nahm – aber das ist eine eigene Geschichte.