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Serie

Lebendiges Rhein-Berg
Nahe der Wuppertalsperre wächst die Biegsame Glanzleuchteralge

Lesezeit 4 Minuten
Das Foto zeigt Armleuchteralge

Die Armleuchteralge gedeiht auch in heimischen Gartenteichen

Auch einige Algenarten fühlen sich in bergischen Gewässern wohl – und in Gartenteichen.

Florian SchöllnhammerRhein-Berg Was haben die Begriffe „YOLO“, „oberaffengeil“ und „Armleuchter“ gemeinsam? Zum einen passen sie scheinbar nicht in eine Artikelserie über die Lebewesen des Bergischen Landes, zum anderen galten sie mal als beliebtes Jugendwort.

Während oberaffengeil höchstens noch in Manta-Filmen oder TKKG-Hörspielen der frühen 90er Jahre auftaucht und YOLO (you only live once) auch in der Generation Z bereits nicht mehr zum angemessenen Wortschatz gehört, wird „Armleuchter“ auch heute noch als abgeschwächte Beschimpfung z.B. beim Autofahren benutzt.

Soldaten sollen es im frühen 20. Jahrhundert eingeführt haben, um dem militärischen Verbot, zu fluchen, ein Schnippchen zu schlagen. Das aus Arm und Leuchter zusammengesetzte Wort bezeichnet im eigentlichen Sinn natürlich eine spezielle Form von Kerzenhaltern.

Photosynthese im Wasser

Die spiegelsymmetrische Form aus Mittelachse mit seitlich austretenden, bogig-linear nach oben strebenden Anhängseln findet man jedoch auch in der Natur, zum Beispiel bei Algen. Als Algen werden verschiedene Lebewesen bezeichnet, die vor allem im Wasser vorkommen und Photosynthese betreiben. Armleuchteralgen (Characeen) sind derartige Organismen.

Leicht könnte man sie für Pflanzen halten, jedoch sollen sie nach neueren Erkenntnissen im System der heutigen Lebewesen eine isolierte Gruppe urtümlicher Lebewesen bilden. Wie andere Algen leben sie komplett untergetaucht im Wasser und beziehen ihre Energie hauptsächlich von der Sonne.

Algen nehmen Veränderungen wahr

Nach Aussage der Wissenschaftler Uwe Raabe und Klaus van de Weyer werden den meisten Armleuchteralgen wichtige Indikatorfunktionen zugeschrieben. Das bedeutet, dass diese Organismen empfindlich auf Veränderungen der Gewässer reagieren. „So lässt die Entwicklung der Bestände der Armleuchteralgen gute Rückschlüsse auf die Situation der Gewässer, insbesondere der Stillgewässer zu.

Es handelt sich um eine sehr wichtige Artengruppe bei der Beurteilung der Qualität von Gewässern, die keinesfalls, schon wegen der guten Ansprechbarkeit, vernachlässigt werden sollte.“ Über die aktuelle Verbreitung von Armleuchteralgen im Bergischen Land sind allerdings nicht viele Informationen vorhanden. Im Einzugsgebiet der Agger wurden bisher keine entsprechenden Daten erhoben.

Biologen des Aggerverbandes räumen aber ein, dass Arten aus dieser Familie in Stillgewässern wie der Aggertalsperre durchaus vorkommen könnten. Nach Auskunft eines Limnologen des Wupperverbandes sind auch im Einzugsgebiet der Wupper keine Vorkommen der Gattung Chara, der eigentlichen Armleuchteralgen, bekannt.

Gerne als Pionierart unterwegs

Es besteht aber auch hier die Möglichkeit, dass Exemplare der relativ nährstofftoleranten Zerbrechlichen Armleuchteralge (C. globularis) vorkommen, auch die Gemeine Armleuchteralge (C. vulgaris) könnte als Pionierart in Kleingewässern wie Teichen, Regenrückhaltebecken etc., die noch nicht kartiert wurden, auftreten. Fundorte beider Arten sind jedoch nicht dokumentiert.

Allerdings findet man in ein paar Talsperren, die der Wupperverband betreibt, immerhin gelegentlich die Biegsame Glanzleuchteralge (Nitella flexilis), die ebenfalls zur Familie der Armleuchteralgen gehört. Diese mittelgroße Art wird im Wasser 20 bis 50 cm hoch. Sie bevorzugt sandige bis lehmige Substrate in kalten, stillen oder langsam fließenden Gewässern.

Dort bevorzugt sie Tiefen von 15 bis 20 Metern unter dem Wasserspiegel. Man wird sie vom Ufer der Talsperre demzufolge kaum zu Gesicht bekommen. Da die Biegsame Glanzleuchteralge zu den wenigen strömungstoleranten Characeen-Arten zählt, kann sie aber theoretisch auch in Bächen, Kanälen und Wassergräben zu finden sein.

Auf der Roten Liste in NRW

Die Rote Liste von Nordrhein-Westfalen führt sie als „gefährdet“ für das Süderbergland, dem das Bergische Land zugeordnet wird. Besitzen Sie einen Gartenteich, können Sie auf eigene Faust für die Verbreitung von Armleuchteralgen sorgen. Die relativ nährstofftolerante Gemeine Armleuchteralge ist in Gartenteichen universell in der Flachwasser- und in der Tiefenzone einsetzbar.

Zur Ansiedelung werfen Sie die im Handel erhältliche „Pflanze“ einfach an dem vorgesehenen Platz ins Wasser. Die im tiefen Wasser bis zu 60 cm lange, kandelaberartig verzweigte Triebe bildende Art sinkt dann zu Boden und sucht mit ihren Haftfasern einen Platz zum Ankern. Akkurater lässt sich dieser anspruchslose Organismus, an einen Stein gebunden, versenken.

Versteck für Jungfische

Dort kann sie Jungfischen und anderen Teichbewohnern als Versteck und Sauerstofflieferant dienen und leistet einen wertvollen Beitrag zur Enthärtung des Teichwassers. Durch die Fähigkeit, dem Wasser Calciumcarbonat zu entziehen, verkalkt die Art während des Alterns oft stark und bildet einen grauen Belag.

Charakteristisch ist zudem der für die meisten Menschen unangenehme Geruch, der Senföl ähneln soll. Es ist anzunehmen, dass Trivialnamen wie „Stinkender Katzenzagel“ oder „Stinkender Pferdeschweif“ von dieser Eigenschaft herrühren. Übrigens brauchen Gemeine Armleuchteralgen praktisch keine weitere Pflege und breiten sich im Gartenteich angeblich nicht stark aus.

Die Gemeine Armleuchteralge ist also nicht nur ein Indikator für die Qualität des Wassers, sondern auch ein vielseitiger und nützlicher Bewohner eines Gartenteiches. Sie schlicht als „Armleuchter“ zu verunglimpfen, täte ihr definitiv unrecht.