Der Angeklagte hat einem Bergisch Gladbacher Bestatter zwei Autos gestohlen und zwei Familienväter brutal krankenhausreif geschlagen. Vor der Urteilsfindung erfährt das Gericht einiges über die Kindheit des 20-Jährigen.
Nach Gewalt-Exzess18 Monate Haft für Gladbacher Billard-Schläger
Der brutale Schläger vom Bergisch Gladbacher Billard-Saloon, der außerdem einem Bestatter zwei Firmenfahrzeuge gestohlen hat, ist zu 18 Monaten Jugendhaft verurteilt worden. Damit bleibt der 20-jährige Gladbacher im Gefängnis; seine Untersuchungshaft wird auf die Strafe angerechnet.
Szenen einer kaputten Familie im Gerichtssaal
Beim Urteil berücksichtigte das Jugendschöffengericht die extrem schwierigen familiären Verhältnisse. Von denen gab es im Saal eine kurze Kostprobe.
Peter K. (Name geändert) hatte am 11. Dezember 2021, vermutlich mit Komplizen aus seiner Clique, zwei 38 und 40 Jahre alte Familienväter krankenhausreif geschlagen. Ein halbes Jahr später brach er mit Komplizen beim Bestatter Pütz-Roth ein, ließ erst mehrere Autoschlüssel mitgehen und stahl dann dort in zwei Nächten hintereinander erst einen BMW und dann einen VW-Bus. Einen weiteren Vorwurf, die Bedrohung eines Fußgängers am Neujahrsmorgen mit einer Schreckschusspistole, stellte das Gericht ein.
Die Taten hat Peter K. bereits am ersten Verhandlungstag eingeräumt (wir berichteten), allerdings angegeben, alleine zugeschlagen zu haben. Am zweiten Tag ließ das Gericht all die Zeugen von der Polizei vorführen, die beim ersten Mal nicht erschienen waren. Im Saal verweigerten die jungen Männer überwiegend die Aussage, weil sie wegen des Überfalls ebenfalls unter Verdacht stehen.
Altenpfleger-Azubi behauptet Gedächtnislücken
In Sachen Schusswaffendrohung an der Odenthaler Straße behauptete ein Altenpfleger-Azubi, sich an kaum etwas erinnern zu können – nicht einmal daran, dass eine Streifenwagenbesatzung ihn sowie den Angeklagten und einen weiteren mutmaßlichen Mittäter mit vorgehaltenen Dienstpistolen aufgefordert hatte, sich auf dem Buchmühlenparkplatz auf den Boden zu legen.
„Ich glaube Ihnen das nicht“, hielt Schöffenrichterin Milena Zippelius-Rönz dem schlaksigen 18-Jährigen mit der angeblichen Leere im Hirn entgegen. Für den Prozess sei es aber nicht entscheidend. Sehr wohl entscheidend war dagegen der Bericht der Jugendgerichtshilfe über Peter K. Denn er gab Hinweise, wie sich K. statt zu einem Menschen, der alten Damen über die Straße hilft, zu einem Gewalttäter entwickeln kann, der die Söhne der alten Damen verletzt, misshandelt und demütigt.
Angeklagter lebte auf den Straßen von Gladbach wie Tarzan im Dschungel
Gezeugt von einem leiblichen Vater, mit dem er nie zu tun hatte, kam er in die Obhut des Partners der Mutter, bei dem er auch blieb, als sich die Mutter abwendete. Doch fühlte er sich danach nicht angenommen von der neuen Stiefmutter. Unzureichend betreut sah er sich später auch von den Sozialbehörden.
Halt und Familienersatz fand er in einer Clique junger Männer. Peter K. kassierte Verwarnungen mit Sozialstunden, von denen er fast keine ableistete, so für eine Gewaltattacke beim Karneval in Odenthal-Voiswinkel 2019. Später kappte ihm das Jobcenter das Geld, weil er unangemeldet in Urlaub fuhr. Er verlor die Wohnung, lebte auf den Straßen von Gladbach wie Tarzan im Dschungel und fand es cool.
Seit der Sache mit den Bestatter-Autos im Mai, bei der ihm die Polizei über seine Fingerabdrücke auf die Spur kam, sitzt er in Untersuchungshaft. Die neue „Wohnung“ in Wuppertal tut ihm augenscheinlich gut: Tagesstruktur, Betreuungsangebote, die Perspektive einer Ausbildung zum Maler und Lackierer.
Als Richterin Zippelius-Rönz das Urteil verkündet, in dem das Gericht dem Antrag der Staatsanwältin folgt, bekennt sie: „Wir waren alle drei sehr berührt vom Bericht der Jugendgerichtshilfe.“ Es gebe zu denken, wenn sich ein „junger Mensch in der JVA besser fühlt als draußen“. Doch habe das Gericht auch die Brutalität berücksichtigen müssen.
Wenn Peter K. die Haft verbüßt habe, sei es wichtig, dass er nicht wieder zu den alten Freunden zurückkehre: „Sie tun sich nicht gut!“ Noch eine Ermahnung hatte sie für den bald 21-Jährigen und damit strafrechtlich Erwachsenen: „Wenn Sie weitermachen wie bisher, wird Ihr Leben zum großen Teil in der JVA stattfinden.“
In der Beratungspause des Gerichts hatte Peter K. mit seinen getrennt in den Gerichtssaal gekommenen Eltern sprechen dürfen. So schnell gifteten die beiden einander an, dass Strafverteidiger Christoph Schuy dazwischen ging: „Leute, das ist das, was er jetzt am wenigsten gebrauchen kann.“ Immerhin in diesem Moment, unmittelbar vor der Verurteilung des Sohnes, steckten die beiden Streitenden weitere Giftpfeile in die Köcher zurück.