Neue EntwicklungenBezirksregierung gibt Rhein-Berg-Landrat Santelmann recht
Bergisch Gladbach/Köln – Die Mitteilung aus Köln in Sachen Kreishaus-Konflikt ist knapp, aber eindeutig. „Die beschriebene Zuständigkeitsveränderung käme einer Wiedereinführung der kommunalen Doppelspitze nahe, die der Landtag als Gesetzgeber in den 90er-Jahren abgeschafft hat und die seitdem kraft Gesetzes kein Modell mehr in nordrhein-westfälischen Kreisen und Gemeinden ist“, schreibt Dennis Heidel, Pressereferent von Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD).
Mit der Auskunft, die im Wesentlichen wortgleich ist mit der offiziellen Antwort der Bezirksregierung an den Landrat, ist die von ihren Befürwortern als „Neuanfang“ verstandene Entmachtung von Landrat Stephan Santelmann (CDU) zugunsten seines Stellvertreters Dr. Erik Werdel (ebenfalls CDU) vom Tisch.
Santelmann hat Mitarbeiter im Kreishaus informiert
Die Mitteilung hat einen weiteren Satz: „Eine Vereinbarung oder Beschlussfassung, durch die dem Landrat nach Paragraf 42 Kreisordnung NRW oder anderen Vorschriften eingeräumte gesetzliche Zuständigkeiten verändert würden, wäre eindeutig rechtswidrig.“ Die NRW-Gesetze gelten auch in Rhein-Berg.
Mit dieser Stellungnahme der staatlichen Obrigkeit wird dem Landrat enorm der Rücken gestärkt. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagt Santelmann: „Ich freue mich, dass die Bezirksregierung meine Position bekräftigt und die starke Position des Landrates unterstrichen hat.“ Er habe seine Kollegen im Kreishaus informiert, und nun werde gemeinsam an der Weiterentwicklung gearbeitet.
Gewählter Bürgervertreter
Zuvor war rund um das Kreishaus am Rübezahlwald (außer bei den Grünen) die Kritik an Santelmann immer lauter geworden: im Kreistag, in der Öffentlichkeit, im Personalrat und in der Führungsetage.
Dagegen unterstreicht Köln, was Santelmann zuvor selbst nach Köln geschrieben hat. Chef im Kreishaus: Es kann nur einen geben – was auch die Essenz des zitierten Paragrafen 42 der Kreisordnung ist. Und als Chef ist 2017 mit 60 Prozent Santelmann gewählt worden.
Chronologie der Ereignisse
Die Santelmann-Kontroverse
15. April 2021: Nach Irritationen um das Ziehen oder Lösen der „Corona-Notbremse“ wird bekannt, dass Kreisdirektor Dr. Erik Werdel um seine Entbindung von der Krisenstabsleitung gebeten und die Spitzen der Kreistagsfraktionen darüber informiert hat. Gegen Werdels Rat plant Santelmann, das Krisenstabsmanagement in die regulären Verwaltungsstrukturen zu integrieren - und das bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von rund 150. Die CDU stellt sich zunächst hinter Santelmann.
24. April: Es gibt wachsende Probleme bei der Datenerfassung und -übermittlung. Gleichwohl tritt auch in Rhein-Berg die „Bundesnotbremse“ mit nächtlicher Ausgangssperre in Kraft.
27. April: Es wird bekannt, dass Landrat Santelmann selbst an Corona erkrankt ist. Seinem Vertreter Werdel untersagt er zunächst, die Pandemiebekämpfung wieder zu übernehmen.
13. Mai: Die Krankheit des Landrates dauert länger als erwartet. Werdel bekommt nun doch volle Vertretungsvollmacht und fährt den Krisenstab wieder hoch, die CDU stellt sich hinter ihn.
19. Mai: Der Personalrat bekundet „große Sorge“ ob Santelmanns Führungsstil.
19. Juni: Santelmann kündigt seine Rückkehr an, zunächst im Homeoffice.
7. Juli: Santelmann stoppt die dem Ältestenrat vorgestellte neue Aufgabenverteilung. (sb)
Abzuwarten bleibt nun, ob nach all dem zerschlagenen Porzellan noch eine Verständigung gelingen wird. Der Konflikt mit und um Santelmann, dem - aus disziplinarrechtlichen Gründen natürlich nur hinter vorgehaltener Hand - ein autoritärer, selbstverliebter Führungsstil nachgesagt wird, gärt seit längerem, drang aber erst im Streit um die Auflösung des Corona-Krisenstabs nach außen, als Kreisdirektor Werdel um Entpflichtung als Leiter bat. Anschließend erkrankte Santelmann an Corona und fiel für acht Wochen aus. Als er endlich wieder ins Kreishaus zurückkam, sei er, so schrieb er vergangene Woche an die Bezirksregierung, „überrumpelt“ worden mit der vorgeschlagenen Neuordnung der Zuständigkeiten von Landrat und Kreisdirektor: Santelmann nur noch als Repräsentant, Werdel als Macher.
Gegner kritisieren Einschalten der Bezirksregierung
Santelmann sollte sogar sein bisheriges Büro verlassen und in andere Räume ziehen. Indes vertrat Santelmann laut Teilnehmern diese Neuordnung sogar zunächst selbst in der Runde des Kreistags-Ältestenrats, stoppte sie dann aber am 8. Juli.
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Dass sich die Kölner Bezirksregierung einschaltete, hat bei Santelmann-Kritikern Missfallen verursacht. Sie vermuteten, dass der Santelmann-Förderer und –Parteifreund Lutz Urbach seine Finger im Spiel habe. Der vormalige Gladbacher Bürgermeister ist in Köln als Abteilungsleiter auch für die Kommunalaufsicht zuständig.
Anderseits ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass sich die Kommunalaufsicht einschaltet, wenn sie aus den Medien Kenntnis von Vorgängen erhält, die sie für rechtlich zweifelhaft hält. Tatsächlich hat die Antwort übrigens nicht Urbach verfasst, sondern der für die Kommunalaufsicht zuständige Mitarbeiter. Und auch die Antwortkopie ging nicht an den Abteilungsleiter, sondern an die Regierungspräsidentin persönlich.