Projekt „Neues Stadthaus“Die lange Liste der Missstände
- Als das Stadthaus 2016 startete, sollte es 33 Millionen Euro kosten. Im Oktober 2017 waren es 52,5 Millionen Euro und im November 2019 waren es 62,6 Millionen Euro.
- Inzwischen wird es inoffiziell auch in der Verwaltung für wahrscheinlich gehalten, dass die 100-Millionen-Euro-Grenze erreicht werden könnte.
- Und die Liste der Missstände ist noch länger. Ein Überblick.
Bergisch Gladbach – Wer beim Projekt „Neues Stadthaus“ am S-Bahnhof ein ungutes Gefühl hatte, der muss sich nicht mehr auf sein Bauchgefühl verlassen. Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) der Stadtverwaltung hat das Projekt untersucht und sehr eindeutig Stellung bezogen. So heißt es im Prüfbericht, der dieser Zeitung vorliegt: „Nach Auffassung des RPA wurde die Beschlussfassung des Rates, sowohl eine Kostenobergrenze als auch Sicherungsmechanismen zu deren Einhaltung vorzusehen, mit dem Wettbewerb in seiner tatsächlichen Durchführung nicht erfüllt.“
Zur Erinnerung: Als das Stadthaus 2016 startete, sollte es 33 Millionen Euro kosten. Im Oktober 2017 waren es 52,5 Millionen Euro und im November 2019 waren es 62,6 Millionen Euro. Inzwischen wird es inoffiziell auch in der Verwaltung für wahrscheinlich gehalten, dass die 100-Millionen-Euro-Grenze erreicht werden könnte. Angesichts dieser Entwicklung hat das Dreierbündnis von SPD, Grüne und FDP ein Moratorium gefordert, um das Projekt neu zu bewerten. Im Hauptausschuss am 23. Juni wird über das Moratorium entschieden. Einen Tag vorher tagt der Rechnungsprüfungsausschuss und wird dort den Prüfbericht vorstellen.
Weisungsfreie Prüfung
Ein Rechnungsprüfungsamt arbeitet innerhalb der Verwaltung weisungsfrei. Grundsätzlich ist seine Aufgabe, die Arbeit der Verwaltung zu überprüfen. Es geht insbesondere um unwirtschaftliches Verwaltungshandeln, Korruption oder nicht „haushaltsordnungskonformes“ Handeln. Die Berichte und Feststellungen der Rechnungsprüfungsämter sind Grundlage für die Entscheidung der Räte über die Entlastung der Hauptverwaltungsbeamten. Ein Rechnungsprüfungsamt ist immer losgelöst vom restlichen Verwaltungsaufbau. (nie)
Auf 18 Seiten werden in dem Bericht die Fragen beantwortet, die die FDP-Fraktion an das RPA gestellt hatte. Im Kern geht es um die beschlossene Obergrenze von 46 Millionen Euro und die Frage der Projektsteuerung.
Keine Kostenabfrage
Bei der Frage der Obergrenze ist die Antwort des RPA klar: Es hat überhaupt keine Kostenabfrage bei dem entscheidenden Architektenwettbewerb gegeben. Und das, obwohl es einen glasklaren politischen Beschluss dazu vom 24. April 2018 gibt. Dort heißt es: „Die Brutto-Investitionskosten werden somit auf 46 Millionen Euro gedeckelt.“
Das RPA hat die Verwaltung für seinen Bericht zu dem Sachverhalt befragt und folgende Antwort erhalten: „Kostenschätzungen als Wettbewerbsleistungen sind weder üblich noch sinnvoll.“ Dazu heißt es in dem Bericht: „Das RPA kann sich der vorgebrachten Argumentation nicht anschließen und sieht im Fehlen einer Kostenabfrage eine erhebliche Schwäche für die Beurteilungsfähigkeit der Wettbewerbsbeiträge.“ Diese Ohrfeige des RPA geht in Richtung der eigenen Verwaltung. Aber es wird noch eine weitere verteilt. Die Wettbewerbsjury – in der auch eine Reihe Gladbacher Lokalpolitiker saßen – hat laut RPA sehr wohl gewusst, dass der Siegerentwurf weit teurer wird, als besagte Obergrenze von 46 Millionen Euro. „Das Preisgericht wurde in Kenntnis gesetzt, dass der vorgesehene Kostenrahmen für das Projekt nicht ausreicht.“ Das hat die Jury aber nicht davon abgehalten, den teuersten Entwurf einstimmig zu wählen. Allerdings weist das RPA daraufhin, dass der Hinweis an die Jury wohl nur mündlich gegeben worden sei.
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Das RPA listet fast über eine ganze Seite stichwortartig „Negatives“ zum Projekt Stadthaus auf. Es ist der Abschnitt, der die Verwaltung am härtesten anpackt. Danach gibt es kein Risikomanagement, keine Vergabestrategie, keine Projektkultur – und etliche weitere Missstände. Schließlich listet das RPA mögliche Einsparungen in Höhe von 16,1 Millionen Euro auf. Gekürzt werden soll überall dort, wo der Siegerentwurf über die ursprüngliche Bedarfsermittlung hinausgeschossen ist.
Ausdrücklich warnt das RPA vor möglichen Schadensersatzforderungen des Wettbewerbssiegers, sollte die Stadt sich vom Entwurf trennen. Eine Summe wird allerdings nicht genannt. Sollte weiter am Projekt festgehalten werden, komme der Projektleitung eine „besondere Rolle“ zu. Der Bericht schließt mit dem Satz des RPA-Leiters Alain Francois: „Die Zeit ist knapp und sollte genutzt werden.“