AboAbonnieren

ProzessOverather wehrt sich in RB 25 mit Pfefferspray - Angreifer vor Gericht

Lesezeit 4 Minuten
Eine Hand hält eine Kartusche mit Pfefferspray.

Eine Hand hält eine Kartusche mit Pfefferspray (Symbolfoto).

Zwei Overather Jugendliche wehren sich in der RB 25 mit Pfefferspray gegen drei Erwachsene aus Oberberg. Die stehen jetzt vor Gericht.

Nach einem vorweihnachtlichen Zug über die Kölner Weihnachtsmärkte haben mehrere Männer aus Oberberg zwei Overather Jugendliche in der Regionalbahnlinie 25 belästigt und sie als „Scheiß-Kanaken“ beleidigt. Am Haltepunkt Hoffnungsthal eskalierte die Situation; einer der beiden jungen Overather setzte Pfefferspray ein. Fast zwei Jahre nach dem Zwischenfall vom 3. Dezember 2022 standen die drei Erwachsenen jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung in Bergisch Gladbach vor Gericht.

Es wurde eng in Saal 100 des Bensberger Amtsgerichts, als die Angeklagten aus dem Osten des Oberbergischen Kreises zusammen mit ihren drei Verteidigern den Saal betraten. Tisch und Stühle wurden kurzerhand von der aus Publikumssicht linken Saalseite, wo die Staatsanwältin sitzt, auf die rechte Seite geschoben, doch war die Raumseite nach dem Bekunden der drei jetzt 26, 27 und 34 Jahre alten Angeklagten auch alles, was sie mit „rechts“ verband.

Glühweinstand statt Eishockey-Spiel

„Ich habe ganz viele ausländische Freunde“, versicherte etwa der 27-jährige Rettungssanitäter Pierre M. (alle Namen geändert). Gemeinsam mit seinem ein Jahr jüngeren Freund Konrad P. war er mit Vereinskameraden zu einer vorweihnachtlichen Feier nach Köln aufgebrochen. Während die Kollegen zu den Kölner Haien gingen, sahen sich die beiden Eishockeymuffel lieber auf einem Weihnachtmarkt um und becherten.

Der Rückweg wurde schwierig: Gleich mehrere Bahnen in Folge fielen aus. Als dann endlich wieder eine startete, trafen die beiden betrunkenen Männer darin auf die Overather Jugendlichen Ömer, heute 16, und Kerem, heute 17. Die beiden Erwachsenen versuchten den Jungs auch nach der Aussage zweier unbeteiligter 18-Jähriger aus Köln ein Gespräch aufzudrängen, was sie denn so spät noch in der Bahn täten. Ömer und Kerem wollten aber kein Gespräch, sondern in Ruhe gelassen werden.

Ich habe mit meiner Mutter telefoniert. Sie hat mich gefragt, wo ich bleibe
Angegriffener Overather Jugendlicher vor Gericht

Dann eskalierte die Lage: Ömer telefonierte, Pierre und Konrad dachten, der Overather mit dem dunklen Teint werde Verstärkung herbeirufen und mit seinen Kumpels zur Attacke übergehen. Wie absurd diese Vermutung war, machte Berufsschüler Ömer im Prozess deutlich: „Ich habe mit meiner Mutter telefoniert. Sie hat mich gefragt, wo ich bleibe“ – mehrere Bahnen waren ja ausgefallen. Die Mutter saß während der Zeugenaussage im Zuschauerraum.

Doch da die Lage aus Sicht der beiden Oberberger so zu eskalieren drohte, sorgten sie „auch“ für Aufrüstung: Pierre rief seinen sieben Jahre älteren Bruder Peter an. Der war ebenfalls auf einer Weihnachtsfeier gewesen und saß zufällig in derselben Bahn im hinteren Wagen.

Pfefferspray trifft Asthmatiker

Am Haltepunkt Hoffnungsthal wechselte der Familienvater nach vorne, zu dritt gingen die Oberberger auf die damals 14 und 15 Jahre alten Overather los, es wurde geschlagen und Ömer zog blitzschnell ein Pfefferspray aus der Tasche, das er nach eigenen Angaben tags zuvor für seine Schwester gekauft hatte, und versprühte in Notwehr die volle Ladung auf die Angreifer - von denen zwei als Asthmatiker noch wochenlang an den Folgen zu tragen hatten.

Jetzt, fast zwei Jahre nach der Eskalation in der Vorweihnachtszeit, stellte sich im Gerichtssaal die Frage, wie man mit den Angeklagten verfahren sollte. Zwei weitere unbeteiligte Zeugen, aktuell in Urlaub, hätten noch gehört werden können, dann hätte der Prozess noch einmal vertagt werden müssen. An Freispruch sei nicht zu denken und auch nicht an eine Einstellung ohne Auflage, machte die Staatsanwältin klar. Wohl aber eine Einstellung mit Zahlungsauflage an einen guten Zweck: Je 800 Euro für die beiden Brüder und 1000 Euro für den besonders unangenehm auffallenden Konrad P.

Gelder gehen an Tafel, Tierheim und Pro Asyl

Dessen Verteidiger fand noch einmal besonders deutliche Worte für die Absurdität der gesamten Situation und die schädlichen Wirkungen des Alkohols, die die Angeklagten dazu gebracht hätten, Kinder in der Bahn anzusprechen. Im Gespräch der Juristen wurden die Geldauflagen dann noch etwas auf 500 beziehungsweise 750 Euro reduziert. Und es wurden die Zwecke bestimmt: Der eigene Sportverein scheide als Empfänger aus, lernten die drei bislang nicht vorbestraften Angeklagten, es gebe aber genügend andere gute Zwecke.

Und so zahlt der ältere Bruder 500 Euro an die Tafel, der jüngere Bruder 500 Euro an das Tierheim Wipperfürth und Konrad P. 750 Euro an Pro Asyl. Richterin Miriam Kuschel hielt den drei Oberbergern zugute, dass sie nicht vorbestraft und augenscheinlich „keine Schlägertypen“ seien.