FachkräftemangelErzieher in Rhein-Berg stehen unter Stress und Arbeitsdruck
Rhein-Berg – In den Kindertagesstätten fehlt Personal. Das ist nicht neu, schon seit Jahren ist es knapp. Aber jetzt ist der Fachkräftemangel so dramatisch, dass Verbände Alarm schlagen. Schon jetzt werden Betreuungszeiten gekürzt, teilweise müssen Gruppen schließen, weil Erzieherinnen krank sind oder Stellen unbesetzt sind. „Eine gut ausgebildete Fachkraft zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt Dunja Brala, Leiterin der Awo-Kita „Kunterbunt“ in Bergisch Gladbach und spricht dabei sicherlich für alle Einrichtungen im Kreisgebiet.
„Manche Eltern sehen die Schuld bei uns, wenn wir sie kurzfristig damit konfrontieren müssen, dass wir Gruppen schließen oder die Öffnungszeiten reduzieren müssen“, berichtet Brala, „aber wir können das Problem nicht lösen.“
Verbände in Rhein-Berg schlagen Alarm
Der Awo-Bezirksverband Mittelrhein nimmt jetzt die neue Familienministerin Josefine Paul (Grüne) in die Pflicht: „Der Fachkräftemangel bremst den dringend benötigten Ausbau der Kindertagesbetreuung wie auch die Qualität des Bildungsangebots aus.“ Die Awo Mittelrhein fordert die NRW-Landesregierung in ihrem Hilferuf zum „gemeinsamen Handeln“ auf: „Die Beschäftigten sind am Anschlag“, heißt es.
Auch die Kooperation der Kita-Fachkräfteverbände in Deutschland hat einen Brandbrief abgeschickt: Er richtet sich an Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Die Verbände fordern, „dass es endlich um Qualität statt um Quantität gehen muss“. Sie erwarten, dass der Fachkraft-Kind-Schlüssel angehoben wird.
Betreuungszeiten müssen reduziert werden
Aktuell sind in den 19 Kitas der Awo im Kreisgebiet zwölf Fachkraftstellen in sieben Einrichtungen unbesetzt. „In drei Einrichtungen mussten die Betreuungszeiten an die Personalstunden angeschlossen werden“, berichtet Pressesprecherin Eva Kring. Die Konsequenz: „In diesen Einrichtungen können wir vorerst weniger Betreuungsplätze anbieten.“
Die Verzweiflung der Eltern kann Dunja Brala gut nachvollziehen. In ihrer Kita ist zurzeit eine Stelle unbesetzt. Es sei aber noch nicht so lange her, dass über einen langen Zeitraum zwei Stellen offen gewesen seien. „Wir mussten zeitweise zwei Gruppen schließen oder die Betreuungszeiten kürzen.“ Das heißt: Wer sein Kind sonst um 16.30 Uhr abgeholt hat, musste dann schon um 16 Uhr kommen.
Zwangsläufig leide bei Personalengpässen die Qualität der Betreuung, sagt Brala. Hinten runter fallen zuerst Projekte wie Ausflüge. Vor ein paar Jahren musste aber auch das Basteln von Schultüten abgesagt werden.
Sofortlösungen sind nicht in Sicht
Den Hauptgrund für die angespannte Personalsituation sieht Brala in der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz: „Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich halte den Rechtsanspruch für absolut richtig“, betont die 53-Jährige, „aber keiner hat sich Gedanken darüber gemacht, was bedeutet das, wer arbeitet da?“ Und jetzt sei es soweit gekommen, dass Betreiber keine Trägerschaft mehr übernehmen wollen, weil sie kein Personal mehr finden.
Sofortlösungen scheinen nicht in Sicht. Die Zusammenstellung von multiprofessionelle Teams könnten – so der unbürokratische Vorschlag von Dunja Brala – ein Ausweg sein. Ergänzungskräfte, ohne spezielle pädagogische Ausbildung, aber mit anderen Qualifizierungen, könnten mit ihren gezielten Angeboten in die Arbeit eingebunden werden: Musik- oder Theaterpädagogen, freischaffende Künstler oder Gymnastiklehrer beispielsweise.
Kita-Leiterin: „Erzieher sind am Anschlag“
Dass der Markt für Betreuungspersonal leer gefegt ist, bestätigt Kerstin Dette, Sprecherin der Agentur für Arbeit Bergisches Land. Aktuell seien zwar nur sechs freie Stellen für Erzieher/innen gemeldet. Aber die Dunkelziffer liege viel höher. Der Grund: „Arbeitgeber melden Erzieherstellen eher selten, da davon ausgegangen wird, dass diese ohnehin nicht adäquat besetzt werden können.“ Zudem fehlten Bewerber, weil der Verdienst angesichts der gesellschaftlichen und individuellen Verantwortung zu gering sei. Laut Angaben von Gewerkschaften liegt das Einstiegsgehalt von von Erziehern bei rund 3000 Euro brutto im Monat.
Dunja Brala achtet in ihrer Einrichtung darauf, dass nicht zu viele Überstunden gemacht werden: „Sonst sind die Kolleginnen irgendwann verbrannt.“ Auch Eva Kring bestätigt für den Bereich des Awo-Kreisverbands Rhein-Oberberg: „Unsere Fachkräfte melden vermehrt zurück, dass sie sich belastet fühlen, weil sie trotz fehlendem Personal versuchen, eine gleichbleibende Arbeitsqualität zu liefern.“
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Kita-Leiterin Brala wünscht sich mehr gesellschaftliche Wertschätzung für den Beruf. Stattdessen halte sich das Vorurteil, Erzieherinnen seien Basteltanten, hartnäckig in den Köpfen. Dabei sei es der absolut falsche Weg, bei der Bildung zu sparen. „Das fällt uns sonst in 20 Jahren auf die Füße“, davon ist Brala überzeugt. Im Gedächtnis sei ihr ein Satz aus einer Studie hängengeblieben: „Jeder Euro, der in Kitas gesteckt wird, kommt vierfach zurück.“