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Verfahren eingestelltMann wegen Missbrauch an geistig behinderten Frauen angeklagt

Lesezeit 3 Minuten

Prozessauftakt in Bonn. (Symbolbild).

Bergisch Gladbach – Das Strafverfahren gegen den Fahrer eines Behinderten-Schulbusses wegen sexueller Übergriffe auf zwei Schülerinnen wird gegen Zahlung von 10.000 Euro Buße an die beiden Frauen eingestellt. Der 69-jährige Fahrer hatte gestanden, in insgesamt sechs Fällen eine oder beide der volljährigen jungen Frauen auf dem Weg zu und von ihrer Förderschule im Intimbereich befummelt und auch intime Fotos von ihnen angefertigt zu haben.

Auf das „weiche“ Ende des Verfahrens ohne umfangreiche Beweisaufnahme und Strafurteil einigten sich in öffentlicher Verhandlung das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Birgit Brandes sowie Oberstaatsanwältin Almut Breitenbach, die neu ins Verfahren gekommene Nebenklage-Vertreterin Monika Müller-Laschet und Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode.

Angeklagter bringt 10.000 Euro in Bar mit

Zuvor war ein erster Prozess im August vergangenen Jahres geplatzt. In öffentlicher Sitzung trat Richterin Brandes am Dienstag dem möglichen Eindruck entgegen, der Angeklagte habe sich mit den 10.000 Euro, die er in bar mit ins Gericht gebracht hatte, „freikaufen“ können.

Tatsächlich waren es eher juristische Fallstricke, die zu diesem Ausgang geführt haben. Der Fall war knifflig, das Ermittlungsverfahren nicht frei von Pannen gewesen. So waren die ersten Befragerinnen der beiden Mädchen nicht etwa geschulte Polizistinnen, sondern Lehrerinnen gewesen, wie sich im ersten Prozess herausstellte. Richterin Brandes ordnete damals Nachermittlungen an: Die Lehrerinnen sollten ebenso gehört werden wie eine Kinderschützerin, und die jungen Frauen sollten in Abwesenheit der Eltern gehört werden.

Gericht wollte Zeuginnen die Aussage ersparen

Grundsätzlich gilt, dass natürlich auch behinderte Menschen ein Recht auf Sexualität haben; Beziehungen zu ihnen sind darum nicht per se strafbar. Jedoch blieb nach Überzeugung der beteiligten Juristinnen und Juristen auch nach einem ergänzten Gutachten offen, ob der Angeklagte in den sechs vorgeworfenen Fällen jeweils eine rote Linie überschritten habe, weil die jungen Frauen infolge ihrer Einschränkung möglicherweise nicht in der Lage dazu waren, „Nein“ sagen zu können.

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Hätte das Gericht diese Frage so sicher aufklären wollen, dass eine Verurteilung angezeigt gewesen wäre, hätte es die beiden Schwestern, um deren Schutz es ja auch ging, laden müssen. Diese hätten vor Gericht aussagen müssen – vor fremden Menschen, auch Männern, in einer fremden Atmosphäre.

Angeklagter gibt moralisch falsches Verhalten zu

Nebenklagevertreterin Müller-Laschet, die für die Dauer der Verlesung des Ergänzungs-Gutachtens erfolgreich den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragte, brachte noch einen weiteren Aspekt mit ins Spiel: „Kann es sein, dass der Angeklagte durch das Leben mehr gestraft ist, als ein Gericht ihn strafen könnte?“ Sie verwies unter anderem darauf, dass die Ehe des 69-Jährigen nach den Vorfällen in die Brüche gegangen und das Haus verkauft worden sei.

Verteidiger Bode bejahte die rhetorische Frage seiner Juristinnen-Kollegin – und wies ergänzend darauf hin, dass sein Mandant schon bei der ersten Verhandlung im August vergangenen Jahres eingeräumt hatte, dass sein Verhalten moralisch unentschuldbar und keinesfalls eine „Beziehung auf Augenhöhe“ gewesen sei.