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Endlich wieder entscheidenPolitik im Rathaus von Bergisch Gladbach wird hochgefahren

Lesezeit 4 Minuten

So sah es im September 2019 im Bergischen Löwen vor der Ratssitzung aus: Seitdem hat der Rat nicht mehr getagt.

Rhein-Berg – Die Pandemie hat das politische Leben im Gladbacher Rathaus – soweit es Ausschüsse und Ratssitzung betrifft – praktisch lahmgelegt. Egal ob Zanders-Insolvenz, Stadthaus-Entwicklung oder zweites Gleis für die Linie 11: Diskutiert wurde über diese Themen nicht, alle Veranstaltungen fielen aus. Und unklar ist, wie es weiter geht.

Ganz anders die Situation beim Kreis: Hier gab es keine ungeplante Corona-Pause, und auch ab der kommenden Woche leisten sich die Mitglieder des Kreistages wieder das volle Sitzungsprogramm. Am Montag tagt der Zukunftsausschuss, Mittwoch der für Umwelt und Planung, und dabei geht es um so schwergewichtige Themen wie die Klimakrise und die Möglichkeit, Rhein-Berg mit vorbildlicher Nutzung von Sonnenenergie sehr schnell zum „Solarkreis“ zu entwickeln.

Beraten, tagen, entscheiden

In der Woche darauf geht’s dann am Pfingst-Dienstag in einer Sondersitzung des Kreisausschusses um die Kreishaus-Querelen in Sachen Corona und Co, es folgen die weiteren Ausschüsse. Trotz Pandemie machen die Kreispolitiker also intensiv, wofür sie gewählt sind: beraten, tagen, entscheiden.

Allerdings tun sie das „hybrid“: Am Montag werden im Zukunftsausschuss nur noch Ausschussvorsitzender Uwe Pakendorf (CDU) und die Schriftführerin auf der Bühne des Theatersaals im Bergischen Löwen sitzen und vielleicht auch noch Kreisdirektor Dr. Erik Werdel oder Umweltdezernentin Elke Reichert. Alle übrigen Ausschussmitglieder und die benötigten Amtsleitungen werden per Videokonferenz auf einen großen Bildschirm zugeschaltet und können fleißig miteinander debattieren. Gleichwohl ist die Sitzung wie immer öffentlich. Sie wird zwar nicht im Internet übertragen, aber Publikum ist erwünscht, und zwar im Zuschauerraum.

Fraktionen tagen

Fast jede Kommune reagiert anders auf die pandemische Lage. In Rösrath und Odenthal etwa fanden Ausschüsse statt, in Kürten wurden sie verschoben. Unabhängig von den offizielle Sitzungen arbeiten und tagen die Fraktionen weiter. Allerdings finden diese Sitzungen schon lange fast ausschließlich im Internet statt. (nie)

Ausgedacht habe sich das clevere System Georg Lind vom Kreistagsbüro, berichtet CDU-Fraktionschef Johannes Dünner. Wie auch sein Gegenpart von der SPD, Gerhard Zorn, lobt der Christdemokrat den neuen Weg, sowohl den Infektionsschutz zu wahren als auch die wichtigen Prinzipien der demokratischen Kontrolle der Verwaltung und der Öffentlichkeit. Dass die Sachen mit den „Zoom“-Zuschaltungen im Prinzip funktioniert, haben Kreistag und Kreisverwaltung schon in der letzten Sitzungsperiode gezeigt: Damals saßen Politiker und Landrat im Saal und der überwiegende Rest der Spitzenkräfte der Verwaltung an Computer-Arbeitsplätzen im Büro oder im Home Office.

Bedenken trotz Hygienekonzept

Auch bei der Stadt beginnt in der kommenden Woche der normale Sitzungsturnus – mit dem Integrationsrat. Im Juni geht es Schlag auf Schlag. 13 verschiedene Ausschusssitzungen sind angesetzt. Darunter auch der Hauptausschuss. Gladbachs Bürgermeister Frank Stein hat in der vergangenen Woche bei den Fraktionen nachgefragt, ob erneut der Hauptausschuss die Funktion des Rates übernehmen soll. Rechtlich möglich ist das. Bis zum 18. Juli hat die Landesregierung die entsprechende Regelung verlängert. Und danach sieht es in Gladbach aus. Michael Metten, CDU-Fraktionschef: „Wir denken, dass wir erst in der übernächsten Sitzungsrunde den kompletten Rat zusammenrufen sollten.“ In seiner Fraktion gebe es erhebliche Bedenken gegen Ratssitzungen, trotz Hygienekonzepts. „Es erscheint uns nicht notwendig, alle 56 Ratsmitglieder einem Risiko auszusetzen.“ Besonders vehement widerspricht hier die AfD, die Räte und Ausschüsse unbedingt stattfinden lassen will. Allerdings gibt es auch da eine Einschränkung. Die Maskenpflicht wird teilweise abgelehnt. Tatsächlich ist es so, dass die Verwaltung niemanden zwingen kann, während einer Sitzung eine Maske zu tragen. So jedenfalls die offizielle Auskunft. Das gilt auch für potenzielle Besucher einer Sitzung. Und die Stadt könne auch keine Selbsttests verlangen.

Erste Open-Air-Sitzung der Bezirksvertretung Innenstadt im neuen Innenhof des Rathauses.

Unter diesen Bedingungen haben Kommunalpolitiker, die eigentlich für Präsenzveranstaltungen sind, abgewinkt: Zu groß das Risiko einer Infektion. Was die Fachausschüsse des Stadtrates angeht, entscheiden die Ausschussvorsitzenden über die Einladung. Auch sie stehen vor dem Dilemma, dass eventuell Kommunalpolitiker sich nicht an das Hygienekonzept (Maske, Selbsttest) halten zu wollen. Und noch ein Szenario ist denkbar: Sitzungen werden terminiert, aber dann kommen zu wenige Ausschussmitglieder und es gibt keine Beschlussfähigkeit.

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Dabei wird die Liste der Vorlagen für die Gladbacher Lokalpolitik immer länger. Abgearbeitet werden nur Dringlichkeitsentscheidungen. Klaus Waldschmidt, SPD-Fraktionsvorsitzender: „Es werden sehr lange Sitzungen im Juli sein, es hat sich viel aufgestaut.“ Für Kommunalpolitiker auch eine Art Stresstest. Stundenlange Abendsitzung mit Maske sind kein Vergnügen. Michael Metten hofft auf mehr Kreativität. „In Köln wird im Freien getagt, dass sollte bei uns doch auch möglich sein.“ Oder auch vielleicht „hybrid“, wie der Kreis.