Geliebte HühnerhaltungWie und warum das Federvieh immer mehr Fans findet
Kürten – Das Wort „Rassegeflügelzuchtverein“ gehört nicht gerade zum modernen Alltagswortschatz. Und Hühnerzüchter? Sind das nicht die, die mit schmutzigen grünen Latzhosen und Clogs rumlaufen und Hühnerkacke einsammeln? So in etwa das Klischee. Die Wirklichkeit sieht, wie so häufig, anders aus.
„Männer brauchen Höhlen, um den Kopf freizubekommen“, sagt Andreas Stephan. „Der eine geht auf den Golfplatz – und ich habe halt meine Hühner.“ Der Augenarzt hält und züchtet Hühner, seit er zehn Jahre alt ist. Jetzt ist er 50. Sein Zwillingsbruder René hat keine Hühner. Er hat Tauben.
Nach der Arbeit warten 120 Schönheiten
Zudem hat er die Ausstellung organisiert und ist Vorsitzender des Vereins – seit 27 Jahren; länger als sein halbes Leben. Fast sein ganzes Leben züchtet er Damascener-Tauben – nur ein Hauch der rund 2000 Jahre alten Geschichte der wohl ältesten Taubenrasse der Welt. Wenn der Bauingenieur nach seinem Zehnstundentag nach Hause kommt, stupsen ihn seine 120 Schönheiten mit sonorem Brummen in die Entspannung.
Wie kommt man mit zehn Jahren auf Taube und Huhn? „Eigentlich wollte ich einen Hund“, sagt Andreas Stephan, „aber ich glaube, unsere Schwester war noch zu klein.“ Früher sei er wegen seines Hobbys überwiegend belächelt worden. Heute höre er häufiger: „Och, das will ich auch!“
Vernarrt in die Hühner der Nachbarin
Hühnerhaltung ist en vogue. Die Ausstellung in der Grundschule Bechen wird daher nicht nur der Tradition gerecht, sondern auch einem aktuellen Trend. Die Züchter wollen der Öffentlichkeit zeigen, wie gepflegte und gesunde Tiere aussehen und sich verhalten. So und nicht anders sollen sie sein – egal welche Rasse.
Inmitten der Sinfonie von Gackern, Krähen, Schnattern und Gurren, streifen Katja und Oliver Orth aus Bergisch Gladbach durch die Gänge. Die Hühnerfachfrau jedoch ist Elisa, ihre Tochter. Sie war so vernarrt in die Hühner der Nachbarin, dass sie zu ihrem vierten Geburtstag zwei von ihnen geschenkt bekommt, die fortan Bianca und Lady Knacks heißen.
Das Ei als kostbare Schatz getragen
„Sie kuschelt auch mit ihnen“, sagt Oliver Orth achselzuckend. „Meerschweinchen sind immer weggelaufen.“ Da nur zwei Hühner für die Haltung nicht optimal sind, soll nun mindestens ein drittes dazu. Elisa ist kaum zu bremsen und möchte sofort eins der ausgestellten Hühner kaufen. Obwohl: eigentlich eher alle.
Doch die Ausstellungshühner kommen wieder in ihre eigenen Ställe. Streicheln darf Elisa aber die, die es wollen, und als Andreas Stephan ihr ein frisch gelegtes 35-Gramm-Mini-Ei von einer Zwerg-Phönix-Henne schenkt, trägt sie es wie einen kostbaren Schatz in der hohlen Hand.
Geheimnisse der Vererbungslehre bleibe verborgen
Andrea Preuß ist Elisas Nachbarin. Sie sucht eine Rasse, mit der sie ihren „krähgestörten Hahn“ ersetzen kann, der einem Fuchs zum Opfer fiel. Lärmgestörte Nachbarn spielen dabei auch eine Rolle. Bei der Rasse Zwerg-Cochin von Andreas Stephan wird sie fündig. „Sie haben eine melodische Stimme“, sagt sie. „Und sie krähen nur morgens.“ Dass die Zwerg-Cochins ursprünglich aus dem Kaiserpalast in Peking stammen, ist eine schöne Geschichte on top.
Die Feinheiten der Mendelschen Vererbungslehre, ohne die etwa die kaiserlichen Cochins oder die Tauben aus Damaskus heute nicht in Bechen zu sehen wären, bleiben den meisten Besuchern verborgen. Für die Züchter ist sie die Grundlage für das, was Andreas Stephan den „Kick“ nennt: Züchten im fairen Wettstreit mit anderen um das schönste Huhn. „Aber die Natur ist immer wieder überraschend“, sagt er. „Der schönste Hahn und die schönste Henne bekommen nicht automatisch das schönste Küken.“
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Die Zwillingsbrüder haben deutsche und Europameister-Titel mit ihren Tieren errungen. Finanziell lohnt das – im Gegensatz zum abgehobenen Markt der Brieftauben – nicht. Es ist ein Hobby. Im Verein steigt der Anteil der Mitglieder, die „nur“ Hühner halten möchten. Sie profitieren von jahrzehntelanger Erfahrung und hohem Sachverstand. „Das ist völlig in Ordnung so“, sagt Andreas Stephan, „aber für das Erhalten brauchen wir auch Züchter.“