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1966 geflüchtetKürtener Jugendliche sprechen mit DDR-Zeitzeuge Michael Schwerk

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt Zeitzeugen Michael Schwerk bei seinem Besuch in der Gesamtschule Kürten

Zeitzeuge Michael Schwerk war zu Gast in der Gesamtschule Kürten

Michael Schwerk flüchtete 1966 aus der DDR. Zum Jahrestag der Maueröffnung am 9. November 1989 sprach er mit Oberstufenschülern in Kürten.

Der 9. November ist der Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938. Der 9. November ist aber auch der Jahrestag der Maueröffnung von 1989. An einem historischen Donnerstagabend öffnete sich die Grenze zwischen der Bundesrepublik und dem Unrechts- und Stasistaat DDR. Die Menschen feierten an diesem Tag das Wiedersehen nach fast drei Jahrzehnten Mauer.

Michael Schwerk, heute 80 Jahre alt, gelang im November 1966 die Flucht aus der DDR, auf dramatische Weise. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 schien es nahezu unmöglich zu sein, das Land zu verlassen. Grenzkontrollen, Stacheldraht, Schießbefehl. Mindestens 140 Menschen wurden bei Fluchtversuchen getötet. Schwerk, aufgewachsen in Pirna in Sachsen, zog an einer grenznahen Stelle in der Berliner S-Bahn die Notbremse.

Über zwei Stacheldrahtzäune

Die Bahn musste anhalten, Schwerk flüchtete über die Gleisanlagen in den Westen. Über sein Leben in der DDR, seine Flucht und das Leben danach sprach Schwerk mit den Schülern aus der Oberstufe der Gesamtschule Kürten, eindringlich, nachdrücklich, intensiv. Bei seiner Flucht überwand er einen stillgelegten Bahnschacht in fast fünf Metern Tiefe und zwei Stacheldrahtzäune. Gestürmt sei er über den Zaun und dann in den Schacht, der ihn in die Tiefe gezogen habe.

Jeden Augenblick habe er die Maschinengewehrsalven erwartet, die ihn töteten. In Todesangst sei er weitergerannt, die Grenzsoldaten im Nacken. Nur weil er als Hobbyturner die erforderliche Fitness mitbrachte, konnte er die Grenzanlagen überwinden. Auf Mauervorsprüngen gelang es ihm, aus dem Schacht wieder nach oben zu kommen. Fast ein Wunder: Schwerk erreichte unverletzt den Westteil der Stadt.

Auf DDR-Seite wurde noch stundenlang nach dem Geflüchteten gesucht. In der Schulaula hörten die Jugendlichen zu, gebannt, zwei Stunden lang. Der Zeitzeuge, heute in Köln wohnend, hatte als Jugendlicher nach dem Abitur in seinem Heimatort auf ein Studium in der DDR gehofft. Aber studieren durfte er nicht, die politischen Behörden verwehrten ihm den Zugang zur Universität. Eine Lehre zum Betonbauer musste er stattdessen absolvieren.

Die Flucht bei der Polizei geplant

Langsam, so schilderte er es im Gespräch mit den jungen Leuten, sei die Idee gereift, die DDR zu verlassen. Nach dem Mauerbau habe für ihn festgestanden, dass er aus der DDR fliehen müsse. Bei der Bereitschaftspolizei in Wandlitz bei Berlin versah er damals seinen Wehrdienst, während dieser Zeit plante er die Flucht.

„Ich musste mit den Wölfen heulen“, meinte er zum Unrechtssystem. Der Druck des Regimes auf ihn und auf seine Familie sei immer stärker geworden, Menschen seien plötzlich verschwunden, auch einige seiner Schulkameraden.

Eingeweiht hatte Schwerk niemanden in seine Pläne. Er habe sich verabschiedet daheim, dann habe er sich ach Berlin aufgemacht. Seine Entscheidung zur Flucht habe er zu keiner Zeit bereut, denn die Möglichkeit, die Demokratie mitzugestalten, habe er nur im Westen gehabt.

Ohne Habseligkeiten sei er im Westen angekommen. Viele Menschen hätten ihm anschließend geholfen, berichtete er. Sport und Geografie in Köln studierte Schwerk später. Die Gesamtschule Kürten ist Mitglied im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“.

Die Veranstaltung stehe sehr bewusst im Kontext dieser Aufgabenstellung, sagt Schulleiter Dr. Markus Hintze-Neumann.