Dorothea Wissenberg und Norbert Knappe erforschten die Geschichte des Ausflugslokals. Günter Blömer schuf eine Nachbildung des Hauses.
Neues BuchIm Felsenkeller in Altenberg speisten Politiker und logierten Sommerfrischler
Gäste konnten unbesorgt einkehren: „Der Zugang zu dem Gastzimmer ist bequem und gefahrlos“, auch seien „die Aborte (…) in vorschriftsmäßigem Zustande“ und nicht zuletzt wurden „der gewerblichen Unzucht dienende Personen, sowie schlechtes Gesindel (…) nicht aufgenommen“. Schließlich hatte die Restauration Felsenkeller in Altenberg, die 1911 so detailliert beschrieben wurde, einen Ruf zu verlieren.
Denn über weite Jahrzehnte des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts war der Hotel- und Restaurantbetrieb ein Ausflugsziel, das weit über die Region hinaus bekannt war. Dorothea Wissenberg und Norbert Knappe haben der bewegten Geschichte des Hauses und seiner Bewohner nachgespürt, bisher unbekannte Dokumente entdeckt und ihre Ergebnisse nun in einer reich bebilderten Publikation herausgegeben.
Eng verbunden mit dem geschichtsträchtigen Gebäude ist auch der Künstler Günter Blömer, an das er viele Erinnerungen hat. Während die beiden Autoren in Akten und Familienarchiven recherchierten, erschuf er zeitgleich nach Originalplänen ein detailgetreues Modell des Fachwerkhauses.
Kriege, Naturkatastrophen und gesellschaftliche Umbrüche
Seine Arbeit, die im Buch ebenfalls dokumentiert wird, ermöglicht den dreidimensionalen Blick zurück in die Vergangenheit und gleichzeitig einen Ausblick auf einen Felsenkeller, wie er nach geglückter Restaurierung vielleicht in einem Jahrzehnt wieder aussehen könnte. Wie berichtet, unterstützt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Bemühungen des Eigentümers Thomas Kloth, das seit längerer Zeit leerstehende und zudem von der Flut 2021 in Mitleidenschaft gezogenen Hauses zu restaurieren.
„Das Haus hat Kriege, Naturkatastrophen und gesellschaftliche Veränderungen überstanden, war Zeuge historischer Ereignisse und hat viele Menschen kommen und gehen sehen“, erklären die Autoren, warum das Gebäude, das heute etwas versteckt in Altenberg liegt, sie in ihren Bann gezogen hat. Bis zum Bau der Umgehungsstraße quälte sich der gesamte Verkehr am Felsenkeller vorbei durch den schmalen Torbogen in Richtung Klosterkirche.
Das Geschäft profitierte von Handwerkern der Dombauhütte
Was der spirituellen Einkehr weniger dienlich war, ließ das Geschäft des unmittelbar oberhalb gelegenen Gastronomiebetriebes florieren. Es nahm seinen Anfang Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Wirt Heinrich Keller in einem bergischen Häuschen in Altenberg einen Ausschank eröffnet. Damals hielten sich in Altenberg, wegen des Wiederaufbaus des Domes „Heerscharen von Handwerkern auf, die untergebracht und beköstigt werden mussten“, erklärt Knappe.
Diese Chance habe Keller erkannt und genutzt. Das Haus stand nach den Recherchen von Knappe und Wissenberg dort, wo sich heute der Mittelbau des Hauses befindet, denn ab 1897 ließ die Familie Keller das bescheidene bergische Fachwerkhaus durch aufwändige Fachwerkanbauten erweitern und schließlich auch den historischen Kern abreißen und ersetzen.
Die Prinzengrotte bot einen spektakulären Blick auf Altenberg
Haus Felsenkeller erhielt seine heutige Gestalt und lockte mit Außengastronomie und einer Aussichtsplattform der Prinzengrotte mit spektakulärem Blick über Altenberg. In der Folge profitierte der Betrieb vom aufkommenden Ausflugstourismus, von Sommerfrischlern, die der Enge und dem Schmutz der Großstädte zu entkommen suchten.
„Die Kehrseite der Medaille“ dieses frühen Massentourismus sei eine zunehmende Verschmutzung des ehemaligen Klostergeländes gewesen, so Knappe, auf die die Gemeinde 1909 mit einer Verordnung reagiert habe, deren Einhaltung ein „Polizeidiener“ streng überwachte.
Der Erbe des Felsenkellers fiel im Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg hatte auch für die Familie Keller tragische Folgen: Wie mehr als 100 junge Männer aus Odenthal verblutete 1915 auch Robert Keller junior, der Erbe des Felsenkellers, auf den Schlachtfeldern Europas. Mit seiner Schwester Anna und ihrem Mann ging der Betrieb in die Familie Kloth über.
Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich die Tragödie für die Familie: Heinz Kloth fiel 1942, sein Bruder Günter geriet in russische Gefangenschaft und war jahrelang verschollen. „Ein Pachtvertrag mit dem Bäcker und Konditor Wilhelm Schnaß aus Köln-Dünnwald rettete den Felsenkeller in dieser Situation“, berichten die Autoren Dorothea Wissenberg und Norbert Knappe. Der ausgebombte Konditor machte im Haus das „Dom-Café-Restaurant“ auf.
Der in Russland verschollene Sohn kehrte doch noch zurück
„Und dann geschah Anfang der 50er Jahre das kaum für möglich Gehaltene“, schildert Norbert Knappe: Günter Kloth, Vater des heutigen Eigentümers, hatte die Gefangenschaft überlebt und kehrte nach Altenberg zurück. Mit seiner Frau Maria, die eine Hotelausbildung besaß, startete der Felsenkeller neu.
Eine weitere Zäsur waren der Bau der Umgehungsstraße und die Anlage des Parkplatzes für den Märchenwald, die nach 1965 die Lage für das Haus veränderten, das nun an den Rand rückte. Doch erst Anfang der 2000er Jahre schlossen sich die Türen der Gastronomie dauerhaft.
Dorothea Wissenberg/Norbert Knappe: „Der Felsenkeller und Günter Blömer. Historie eines prachtvollen Fachwerkhauses in Altenberg und seine Verbindung zu einem leidenschaftlichen Künstler“, 97 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 14 Euro. Das Buch ist ab Samstag, 9. November 2024, im Altenberger Dom-Laden, Eugen-Heinen-Platz 2, in Altenberg erhältlich. Signierstunde im Dom-Laden am Sonntag, 24. November, 12 bis 14 Uhr.