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„Ganz fürchterlich“Odenthaler Gemeinde reagiert auf Missbrauchsvorwürfe gegen Pfarrer

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Ein Platz in Odenthal wurde nach dem Pfarrer benannt, der eine Minderjährige über Jahre hinweg schwer missbraucht haben soll.

Odenthal – Die bleierne Schwere eines Begräbnisgottesdienstes hing über der Sonntagsmesse in der katholischen Kirche St. Pankratius. Draußen vor der Tür viel Licht – im Inneren des altehrwürdigen Gotteshauses viel Schatten. Längst hatte die Nachricht vom schweren Missbrauchsvorwurf gegen den langjährigen und inzwischen gestorbenen Gemeindepfarrer Klaus Anders die Runde gemacht, viele Menschen, die ihn kannten, entsetzt und schockiert, und nun erwartete die Gemeinde mit einiger Bedrückung das angekündigte offizielle Proklamandum des Erzbistums.

Das aber kam erst nach dem Schlusssegen von Pfarrvikar Serge Ivannikov. „Das in der Kirche zu hören, ist schon unerträglich“, hatte er eingeleitet, bevor Pastoralreferent Christoph Schmitz-Hübsch den Aufruf verlas. Danach liegt gegen Klaus Anders eine Anzeige wegen „sexuellen Missbrauchs“ vor. Ein „klärungsbedürftiger Verdachtsfall“ , dem man nachgehe, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, mögliche Zeugen und potenziell weitere Betroffene zu ermitteln. „Gegen den Pfarrer besteht der bislang nicht nachgewiesene Verdacht des sexuellen Missbrauchs an einer zum Tatzeitpunkt Minderjährigen, den der Geistliche Anfang der 90er Jahre begangen haben soll“, konkretisierte der Pressedienst des Erzbistums.

Bistum bittet um weitere Zeugen und Betroffene

Vergewaltigung und sexueller Missbrauch seien Verbrechen, die die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang begleiteten. Ihnen sei man es schuldig, allen Fällen nachzugehen, so das Proklamandum. Auch wenn die Möglichkeiten zur Prüfung und Aufklärung bei einem zum Zeitpunkt der Anzeige bereits verstorbenen Beschuldigten begrenzt seien. Pfarrer Anders war 2009 bei einer Bergwanderung in den Tod gestürzt.

Um den Fall aufzuklären, bittet das Bistum die Gemeinde um Unterstützung. Eventuell weitere Betroffene und/oder Zeugen werden aufgerufen, sich an die Ansprechpersonen zu wenden. Dass dies unter Umständen kein leichter Gang sein könnte, sei dem Bistum bewusst: „Wir wissen um die Schwere des Themas.“

Weitere Anzeigen gegen den beschuldigten Pfarrer lägen bislang nicht vor. Wie ernst das Bistum den vorliegenden Fall allerdings einstuft, hatte die Pressestelle schon im Vorfeld auf Nachfrage dieser Zeitung deutlich gemacht: „Es gibt keinen Grund, an den Aussagen der betroffenen Person zu zweifeln, diese gelten für uns zum aktuellen Zeitpunkt als glaubhaft und plausibel“, so Sprecher Thomas Klimmek.

Gemeindepfarrer Klaus Anders habe zwei Seiten gehabt

„Für viele von Ihnen ist diese Mitteilung irritierend und erschreckend, da sie nun eine andere Seite der Persönlichkeit von Pfarrer A. aufzeigen könnte“, kommentierte Thomas Taxacher, seit 2020 leitender Pfarrer im katholischen Seelsorgebereich Odenthal/Altenberg in den Sonntagsnachrichten. Die Erinnerungen an einen „herzlichen, zugewandten und interessierten Seelsorger“ würden bleiben, doch dazu komme nun auch ein anderes Bild des Priesters. „Es ist jetzt aber vor allem wichtig, das Leid der Betroffenen anzuschauen, denn sie haben ein Recht darauf, dass ihr Leid angesprochen, gehört und anerkannt werden darf“, so Taxacher.

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Draußen vor der Kirche, aus deren Sakristei das Anders-Bild bereits verschwunden ist, unweit des Pfarrer-Klaus-Anders-Platzes, standen die Gemeindemitglieder noch beieinander. „Ganz fürchterlich“, schüttelte einer den Kopf und sprach aus, was viele dachten. „Ich bin schockiert“, erklärte Marion Blettner. Pfarrer Anders habe sie getauft. Sie sei zwiegespalten in ihren Empfindungen: „Ich kenne die Betroffene und glaube, dass es stimmt“, sagte sie. Gleichzeitig wolle man es nicht wahrhaben. „Er hatte eben zwei Seiten.“