Odenthal – An diesem Wochenende wird eine Nachricht den katholischen Seelsorgebereich Odenthal-Altenberg erreichen, die viele langjährige Gemeindemitglieder entsetzen dürfte. Im Gottesdienst wird in allen zugehörigen Kirchen öffentlich verkündet werden, dass Pfarrer Klaus Anders, von 1976 bis zu seinem Tod 2009 Pastor in St. Pankratius Odenthal, schwerer sexueller Missbrauch einer Minderjährigen vorgeworfen wird. Eine entsprechende Anzeige liege beim Erzbistum Köln vor, bestätigte der kommissarische Pressesprecher des Bistums, Dr. Oliver Schillings.
Der sogenannte „Aufruf“, der auch öffentlich ausgehängt wird, ist ein Schritt im Verlauf eines mehrstufigen Verfahrens zur Aufklärung eines möglichen Missbrauchsfalls und kommt zur Anwendung, wenn die erhobenen Vorwürfe nach bistumsinterner Prüfung hinreichend glaubhaft erscheinen. Es macht den Fall publik und ruft zur weiteren Klärung des Falles Zeugen und eventuell weitere Betroffene dazu auf, sich beim Erzbistum zu melden. Gleichzeitig wird der Gemeinde ein Angebot der Begleitung beim Aufarbeitungsprozess gemacht. Damit reiht sich der Odenthaler Fall in eine ganze Reihe von Missbrauchsvorwürfen ein, die die katholische Kirche, insbesondere das Erzbistum Köln, erschüttern und zu einer nie dagewesenen Vertrauenskrise geführt haben.
„Wir haben Geburtstage gemeinsam gefeiert“
Dem ehemaligen Pfarrer und Kreisdechanten Klaus Anders wird vorgeworfen, über Jahre hinweg ein junges Mädchen, das als Messdienerin in der Gemeinde tätig war, vergewaltigt zu haben. Jahrelang habe die damals Minderjährige es nicht gewagt, sich jemandem anzuvertrauen, berichtet die Mutter dieser Zeitung. Zu groß sei das Ansehen des Priesters gewesen. Klaus Anders war in der Gemeinde sehr beliebt, galt als offen, herzlich und feierfreudig. Die Feste mit Pfarrjugend und Messdienern sollen legendär gewesen sein.
Auch zu den Eltern des betroffenen Mädchens, die über viele Jahre intensiv ehrenamtlich in der Gemeinde mitarbeiteten, pflegte Anders freundschaftlichen Kontakt: „Wir haben Geburtstage gemeinsam gefeiert, Gemeindefahrten zusammen unternommen“, schildert die Mutter. Als ihre Tochter Jahre später heiratete, habe Pfarrer Anders sogar die kirchliche Trauung vorgenommen.
Bis heute leide ihre Tochter, die heute nicht mehr am Ort wohnt, psychisch unter den Folgen des Missbrauchs und sei deshalb immer wieder in ärztlicher Behandlung gewesen. Erst vor kurzem habe sie sich zur Anzeige entschlossen. Seitdem erfährt die Mutter nach eigenen Angaben nicht nur Unterstützung in der Gemeinde, sondern auch Anfeindungen.
Platz noch 2018 nach Pfarrer benannt
Der beschuldigte Pfarrer kann sich zu den Vorwürfen nicht mehr äußern, ein Strafverfahren vor einem weltlichen Gericht scheidet aus. Anders stürzte 2009 bei einer Wanderung in den Allgäuer Alpen in den Tod, der Unfallhergang hatte schon damals Fragen aufgeworfen. Die Beerdigung in Odenthal fand unter großer Anteilnahme der Gemeinde statt, zur Aussegnung kam Kardinal Meisner in den Altenberger Dom.
Auch heute noch erinnert vieles in der Pfarrgemeinde an den Priester. Ein kleiner Platz an der Kirche wurde erst 2018 nach ihm benannt. „Damals bin ich noch herumgelaufen und habe Unterschriften dafür gesammelt“, erinnert sich die Mutter mit einiger Fassungslosigkeit. An einer Wand der Sakristei hängt ein Spruch, der ihr heute wie Hohn erscheinen muss: „Die Gemeinde ist wie eine Familie.“ Auch ein Foto von Klaus Anders befindet sich dort. „Das würde ich am liebsten mit dem Hammer einschlagen“, sagt die Mutter in hilfloser Wut.
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Pfarrer Thomas Taxacher, erst seit 2020 leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs, hat inzwischen etliche Gespräche mit der Mutter geführt und steht auch in Kontakt mit der Interventionsstelle des Erzbistums. Im Ort kursierende Gerüchte, es habe in der Pfarrgemeinde zur fraglichen Zeit noch weitere mögliche Missbrauchsfälle gegeben, bestätigte Taxacher nicht: „Ich weiß nur von diesem einen Fall.“