Rhein-Berg – Michael Heckmann ist Vorsitzender des Kreiskatholikenrats im Rheinisch-Bergischen Kreis. Über das Missbrauchs-Gutachten im Erzbistum Köln, nächste Schritte und die Situation an der Basis hat Guido Wagner mit dem Rechtsanwalt gesprochen.
Als der Erzbischof im November das erste Gutachten zur Aufarbeitung des Umgangs mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln wegen „methodischer Fehler“ nicht veröffentlichen wollte, sagten Sie, das nähre den „Verdacht der Vertuschung“. Wie ist Ihre Einschätzung jetzt nach der Veröffentlichung des zweiten Gutachtens?
Michael Heckmann: Kardinal Woelki hat sich ja zwischenzeitlich positioniert und gesagt: Ich möchte aufklären, Namen werden genannt und Konsequenzen werden gezogen. Dann hat er jetzt dieses Gutachten vorgestellt und angekündigt, er werde Anfang der Woche im Detail sagen, wie es jetzt weitergeht. Das ist der erste Schritt der Aufklärung. Er hat sein letztes Wort in der Sache gehalten – und wir werden ihn bei seinem Wort nehmen auch für die Zukunft.
Was müssen die nächsten Schritte sein?
Es muss eine intensive Aufklärung geben und es müssen grundsätzliche systemische Dinge abgestellt werden.
Welche „systemischen Dinge“ sind das?
Die Verfahren müssen verändert werden, es muss mehr Transparenz geben, es müssen die Zuständigkeiten verändert und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Inwiefern müssen die Zuständigkeiten geändert werden?
Woelki hat ja eine neue Interventionsstelle eingesetzt. Das ist auch gut. Mir scheint aber, es ist noch zu wenig externe Transparenz dadrin. Da sollte man durchaus früher externe Stellen einschalten.
Heißt das zum Beispiel staatliche Strafverfolgungsbehörden?
Ja auch, wobei ich denke, schon heute werden die Staatsanwaltschaften frühzeitiger informiert. Aber auch bei den internen Ermittlungen sollte die Transparenz durch frühzeitige Beiziehung Externer erhöht werden. Es muss einfach Schluss damit sein, dass Kleriker nicht belangt und stattdessen geschützt werden, während andere, etwa ehrenamtlich in der Kirche Tätige mit einem anderen Maß gemessen werden.
Der für Rhein-Berg zuständige Weihbischof Ansgar Puff ist ja jetzt auch beurlaubt worden.
Dazu kann ich im Detail noch nichts sagen, aber wenn er im Gutachten steht, muss das natürlich auch aufgeklärt werden.
Wie kann Kirche angesichts dieser Lage Vertrauen zurückgewinnen?
Das Vertrauen kann ansatzweise nur zurückgewonnen werden, wenn der angekündigte Weg jetzt konsequent beschritten wird. Ein wichtiges Anliegen ist uns als Ehrenamtliche, dass wir mehr Ernsthaftigkeit bei der Beteiligung des Ehrenamts fordern.
Häufig ist ja jetzt bei der Beurteilung der Zustände, wie sie das Gutachten vor Augen führt, von Beobachtern wieder von „Klerikerstand“ die Rede, den man doch in der katholischen Kirche überwunden meinte . . .
Ich habe die Begrifflichkeiten nicht so gerne, aber es ist natürlich offensichtlich, dass bestimmte Kommunikationsweisen, bestimmte autoritative Haltungen da sind, die heute einfach nicht mehr angebracht und nicht mehr zeitgemäß sind. Es kann auch nicht sein, dass der Kardinal meint, er könne beispielsweise bestimmten Pfarrern oder Studentengemeinden einfach den Mund verbieten. Natürlich hat er Pfarrern gegenüber dazu rechtliche Möglichkeiten, aber es ist nicht richtig. Da muss sich einfach was ändern.
Zur Person
Michael Heckmann wurde 1953 in Duisburg geboren. Er studierte Jura, arbeitete unter anderem in der rheinisch-bergischen Kreisverwaltung, bevor er 1999 zum Bürgermeister von Wermelskirchen gewählt wurde. Seit 2004 ist er wieder als Anwalt tätig. Seit acht Jahren engagiert er sich im Diözesanrat der Katholiken sowie im Kreiskatholikenrat, dessen Vorsitzender er seit 2018 ist. (wg)
Was vor allem?
Wir sind alle eine Kirche, wir im Ehrenamt nehmen das auch ganz ernst, aber wir haben nach wie vor den Eindruck, es wird seitens der – ich sage jetzt mal – verfassten Kirche bisher nicht ganz so ernst genommen. Und das wäre natürlich der nächste Schritt, der auch gegangen werden muss.
Wie erleben Sie die Stimmung an der Basis der katholischen Kirche?
Es hat alle irritiert. Klar, wir sind ja als Katholiken keine Himmelsstürmer. Aber es gab eine ganze Reihe ehrenamtlich Engagierter, auch in den Pfarrgemeinderäten, die so irritiert waren, dass sie überlegten, ob sie das künftig noch weiter machen wollen. Und ich kann es ihnen nicht verdenken.
Jetzt sind die Kirchenaustrittszahlen hier in Rhein-Berg bislang noch nicht in der Weise gestiegen wie etwa in Köln. Sind die, die deshalb der Kirche den Rücken kehren, schon vorher ausgetreten?
Nein, ich denke schon, dass eine Großstadt anders strukturiert ist. Abe das ist nicht der Punkt, ob in der einen Region mehr austreten als in einer anderen. Es geht grundsätzlich darum: Ich möchte einer Kirche angehören, in der ich das Gefühl habe, dass der Bischof, der Erzbischof und wer sonst Verantwortung trägt, dass der meine Sprache spricht, dass die Menschen Vertrauen zu ihm haben können. Durch den Missbrauchsskandal ist das Gegenteil jetzt auf die Spitze getrieben worden. Dabei muss ich sagen: Köln ist kein Einzelfall. Die anderen sind nicht weiter als wir.
Aber es ist ein Fall, der besonders präsent geworden ist.
Klar, er ist natürlich auch durch die Verhaltensweise auf die Spitze getrieben worden, wie man damit umgegangen ist.
Wie kommt man aus dieser Eskalation wieder heraus?
Aus meiner Sicht nur, indem man auch dem einfachen Laien deutlich macht: Ich selbst nehme meine Gebote ernst. Gerade in der letzten Zeit schien das Gegenteil an der Tagesordnung zu sein: Die, die für die Kirche sprachen, schienen nicht das zu tun, was sie selbst predigten.
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Auch wenn das Gutachten Rainer Maria Kardinal Woelki explizit nicht belastet. Kann er nach diesem Verfahren noch Erzbischof von Köln bleiben oder sollte auch er seinen Rücktritt anbieten?
Ich halte viel davon, dass man die Dinge sauber trennt. Sicher hat Woelki in dem Verfahren enorme Kommunikations- und Führungsfehler gemacht, hat damit Vertrauen zerstört und hat nicht für die ganze Kirche und alle Laien gehandelt. Das ist ihm vorzuwerfen. In den Missbrauchsfällen, die über seinen Tisch gelaufen sind, ist ihm laut Gutachten juristisch nichts vorzuwerfen, aber auch da finde ich, deckt sich sein Verhalten nicht mit den Geboten, die eigentlich unsere Kirche vertritt. Jetzt ist der letzte Schritt: Welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus?
Was ist Ihre Schlussfolgerung?
Es drängt sich nicht auf, dass er jetzt sofort zurücktritt. Das macht die Gesamtsituation nicht besser. Wir brauchen einen, der steuert. Und da hat er glaubwürdig im Moment jedenfalls die Position vertreten: Ich kläre auf. Und damit wäre der Schaden – ich sage das mal so nüchtern – im Moment größer, wenn er zurückträte.
Vielmehr sollte es seine Verantwortung sein, dass es weniger autoritäre Kommunikation gibt und stattdessen die ernsthafte Beteiligung der Ehrenamtlichen bei Entscheidungen und deren Vorbereitung auf Augenhöhe verstärkt wird.