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InterviewOdenthals Bürgermeister Robert Lennerts: „Wann und wo wollt Ihr denn sparen?“

Lesezeit 6 Minuten
Bürgermeister Robert Lennerts sitzt in seinem Amtszimmer am Tisch und spricht gestikulierend.

Kommune in Schieflage: Odenthals Bürgermeister Robert Lennerts (parteilos) kritisiert falsche Entscheidungen der Odenthaler Politik, aber auch mangelnde Unterstützung von Land und Bund.

Der scheidende Bürgermeister Roberts Lennerts (parteilos) spricht über die Schwierigkeiten, in denen Odenthal steckt und über notwendige Änderungen.

Sie treten im Herbst nicht mehr zur Wahl an, nehmen also Abschied vom Chefsessel im Rathaus. War das die richtige Entscheidung?

Robert Lennerts: Es gibt Momente, da ist schon etwas Wehmut dabei, wenn Dinge gut funktionieren, Projekte laufen. Auch das Miteinander in der Verwaltung, das Team werde ich vermissen. Aber grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung ist.

Warum?

Ich habe schon das Gefühl, man dreht sich mitunter im Kreis, die Spirale spitzt sich zu. Die Herausforderungen werden immer größer. Man sieht es z. B. an der Diskussion um den neuen Standort einer Flüchtlingsunterkunft, wie schwierig es ist, für dringend nötige Maßnahmen Mehrheiten zu finden. Und wie stark der Gegenwind aus der Bevölkerung ist. Ich sehe die Gefahr, dass es als Wahlkampfthema missbraucht wird.

Vor einem Jahr haben wir uns darüber unterhalten, dass die Odenthaler Kasse leer ist. Jetzt ist sie noch leerer, wenn es diese Steigerung denn gäbe. Die Steuerbelastung für die Bürgerschaft wird steigen. Was ist schiefgelaufen?

Pauschal kann man das nicht beantworten. Ich denke, wir haben in den letzten Jahren klar herausgestellt, woran es liegt: an den stetig steigenden Kosten und den nunmehr prognostizierten Mindereinnahmen. Zudem bin ich der Auffassung, dass an manchen Stellen nicht die richtigen Entscheidungen getroffen wurden.

Zum Beispiel?

Auf der Einnahmenseite, aber auch bei den Ausgaben. Wir müssen nach meiner Überzeugung mehr für unser Gewerbe tun, das war und bleibt richtig und habe ich mehrfach versucht, auf den Weg zu bringen. Auch moderater Zuzug wäre sehr wichtig, Stichwort Einkommenssteuer. Andere Dinge, etwa Einsparungen, die wir als Verwaltung vorgeschlagen haben, sind sukzessive durch politische Anträge herausgenommen worden.

Welche freiwilligen Ausgaben kann sich Odenthal denn überhaupt noch leisten?

Diese Frage muss man sich ernsthaft stellen. Beispielsweise hätte man die Vereinsunterstützung kürzen können. Wir sind vereinsorientiert und stellen u. a. Örtlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Wir müssen darüber hinaus in der derzeitigen Lage nicht zusätzlich jedem Verein Geld geben, es zumindest kürzen. Auch beim Schülerticket hätte man im vergangenen Jahr fast 100.000 Euro einsparen können.

Zudem wäre die Abschaffung des Amtsblatts ein großer Faktor, das kostet Geld und bindet viel Personal. Politisch beschließt man aber weiterhin die große Variante. Sparen tut weh; liebgewordene Dinge werden bei den Haushaltsberatungen wieder aus der Sparliste herausgenommen. Wenn es darauf ankommt, ist man letztlich doch nicht bereit zu sparen und es traut sich am Ende keiner, dafür verantwortlich zu sein. Da frage ich mich schon: Wann und wo wollt Ihr denn sparen oder aber die Einnahmenseite verbessern? Ansonsten geht es nur über Steuererhöhungen.

Ein neuer Gebäudeteil am Gymnasium Odenthal

Am Schulzentrum ist immer etwas zu bauen. Auch derzeit wird es wieder erweitert. Die Kosten belasten die Kommune.

Entscheidend für die Misere ist jedoch die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen. Wir haben große Blöcke an Pflichtaufgaben, Flüchtlingsunterbringung etwa, Schulbauten… Hier verschärft sich die Lage mit jeder Maßnahme. Die Aufgaben sind verpflichtend, werden dann aber nur zu einem lächerlichen Teil vom Land mitfinanziert. Wir reden beim OGS-Bau Voiswinkel und Blecher über mehrere Millionen Euro und sind bei einer Gesamtfördersumme von nicht einmal 650.000 Euro. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Kommunen im Stich gelassen werden.

An der geplanten Flüchtlingsunterkunft Höffe sieht man, dass sich auch in Odenthal das soziale Klima verschlechtert hat. Die Verwaltungskonzepte werden gerade zerpflückt. Wie geht es weiter?

Mich besorgt das. Ich habe an so vielen öffentlich wirksamen Medienauftritten teilgenommen. Wir Bürgermeister haben auch noch einmal einen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben und unsere Forderungen wiederholt. Das hat für Aufsehen gesorgt, aber es liegt bis heute noch keine Antwort vor.

Es muss ein wirkliches Interesse bestehen, sich die Situationen vor Ort anzuschauen, um ein ehrliches Bild zu bekommen und daraus muss sich eine andere Politik entwickeln, was die Finanzierung und Unterstützung angehen. Das Land muss Verantwortung übernehmen. Man kann auch nicht alle Kommune über einen Kamm scheren, die Rahmenbedingungen sind unterschiedlich.

Was steht denn am Ende in Höffe?

Ich habe schon die Befürchtung, dass wir bis zur Kommunalwahl nicht wirklich eine finale Entscheidung bekommen für eine Größenordnung, die erforderlich ist….

Weil sich keiner traut?

Ja, man merkt es ja an den Diskussionen. Höffe stand im Beschluss. Dann hat man diesen verändert, um alles weicher zu formulieren, um noch ein Exit zu haben.

Ein rotes Plakat steht an einer Straße. Darauf protestiert eine Bürgerinitiative gegen den Bau eines Flüchtlingsheims.

In Höffe protestiert eine Bürgerinitiative gegen den von der Verwaltung vorgeschlagenen Neubau einer Flüchtlingsunterkunft.

Ich würde mir wünschen, dass wir gerade beim Thema Flüchtlinge an unserer Linie festhalten, auf die wir uns seit Beginn meiner Amtszeit verständigt haben - dass sie nicht so langsam verlassen wird. Sonst steht am Ende die Verwaltung alleine da. Ähnliches kann man auch an anderen Themen ablesen. Etwa beim ISEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept, Anm. d. Red.). Da sind wir mit breiter Mehrheit gestartet. Auf dem Weg wurden es immer weniger, am Ende ist es gescheitert.

Neun Jahre Bürgermeister - was hat geklappt?

Und woran haben Sie sich die Zähne ausgebissen? Insgesamt bin ich der Meinung, dass wir die vielen Krisen, die uns in den vergangenen Jahren ereilt haben, gut gemeistert haben. Bei der Flüchtlingsunterbringung haben wir im Schulterschluss mit Politik, Vereinen und Ehrenamtlern relativ geräuscharm viel geleistet. Das war ein Erfolg. Jetzt aber sind wir an einem Punkt, wo wir mit der Situation überfordert sind.

Viel geschafft haben wir auch bei der Digitalisierung. Odenthal war früh fast flächendeckend mit Glasfaser ausgestattet, das gilt auch für die Schulen. Trotz der gescheiterten Regionale-Pläne haben wir Erfolg mit unserer Bewerbung gehabt. Aber die Politik ist ausgestiegen… So ist Demokratie. Aber für die, die sich dafür in der Verwaltung eingesetzt haben, war das ein herber Rückschlag. Das hätte ich mir anders gewünscht.

Steinerner Torbogen am Altenberger Dom.

Altenberg und die umliegende Klosterlandschaft erhielt das Europäische Kulturerbe-Siegel.

Kulturell ist Cisterscapes in Altenberg ein toller Erfolg, für den still und leise im Hintergrund viel gearbeitet wurde, das hat Strahlkraft bis in die Ministerien hinein. Wir bekommen das Dhünntalstadion saniert, den Schulneubau, die Erweiterung des Schulzentrums, auch wenn die Fertigstellung der Projekte vielleicht nicht mehr in meine Zeit fällt.

Das bringt mich zu einem echten Wiedergänger-Thema, zur Toilettenanlage Altenberg: Werden sie das Einweihungsband noch durchschneiden?

Ja, ich hoffe, bis zu den Sommerferien.

Wo geht es dann beruflich hin?

Ich werde mich im Bereich Eventmanagement und Gastronomie selbstständig machen; auch die Musikszene reizt mich. Zudem plane ich mit Freunden an der Umsetzung eines tollen Projektes im Raum Bergisch Gladbach, das Menschen positiv zusammenbringt. Mit und für Menschen zu arbeiten, Dienstleister zu sein, Verantwortung zu übernehmen, das macht mir Spaß.