Teeplantage im BergischenNeun Kilo Lohn für ein Jahr Arbeit
Odenthal – Die Sträucher leuchten grün in den Himmel. Haeng ok Kim und ihr Mann Wolfgang Bucher pflücken nur die obersten zwei Blätter und die Knospe. Das gibt den feinsten grünen Tee. Heiß ist es auf der kleinen Plantage des Tschanara Teagarden. Fast wähnt man sich auf einem hochgelegenen Hang in Indien oder China. Wären da nicht die vertraut wirkenden Berge und Wälder – mahnend rötlich-grau die vielen abgestorbener Fichten – im Hintergrund.
Der Teegarten befindet sich in Odenthal-Scheuren – oder wie es auf der Website heißt: on the shielded hillside in the middle of the Bergische Land, Germany. Bergischer Hochlandtee. Na ja, immerhin ist man hier 213 Meter hoch.
Tee-Anbau seit 20 Jahren
Seit mehr als 20 Jahren baut das deutsch-koreanische Ehepaar hier Tee an. Probiert man den blumig-aromatischen Grüntee, glaubt man kaum, dass er wirklich hier gewachsen ist. Doch so unexotisch der Boden auch ist, für den Teesträucher ist er gut: relativ sauer und lehmig. Die Hanglage verhindert Staunässe. Nur die deutschen Jahreszeiten machen Schwierigkeiten. 2018 richtete der Frost große Schäden auf dem 4000 Quadratmeter großen Gelände an, wo vor allem Sorten aus Südkorea wachsen. 2019 gab es zu viel Hitze und zu wenig Regen. „Dieses Jahr ist alles gut gegangen“, sagt Wolfgang Bucher.
Tee im Bergischen – warum? „Das ist eine Passion“, sagt er. Denn Geld verdienen kann man damit nicht. In diesem Jahr rechnet das Paar mit einem Ertrag von neun Kilo, in schlechteren Zeiten waren es auch schon einmal nur drei. „Ich habe ausgerechnet, dass wir pro Gramm einen Euro verlangen müssten, um einigermaßen kostendeckend zu arbeiten.“ Damit ist der Tee noch lange nicht so teuer wie Gold, aber doch nur etwas für wirkliche Liebhaber.
Tee wird nicht verkauft
Verkauft wird der Tee ohnehin nicht. Stattdessen wird er bei Seminaren verkostet. Der ehemalige Biolaborant Wolfgang Bucher und die gelernte Krankenschwester Haeng ok Kim hatten sich 1994 in Südkorea kennengelernt, als Bucher dort im Urlaub war. Durch den legendären Teekatalog der Bremer Firma „Paul Schrader“, den es heute noch gibt, war Bucher überhaupt erst auf Tee aufmerksam geworden. „Damals trank man zuhause nur Tee, wenn man krank war, Kamille oder Fenchel.“ Beide verziehen das Gesicht.
Bucher bestellte sich Teepflanzen – Camellia sinensis – und wollte das damals noch kaum bekannte Anbauland Südkorea erkunden. Die Reise mit einem Hauch von Zen führte ihn zu den abgelegensten Tempeln. Und an einem zu seiner späteren Frau. „Da waren nur Einheimische. Und da stand er da“, erzählt Haeng ok Kim.
1997 heirateten sie in Korea, dann kam sie mit ins Bergische. Das Land, die Sprache – ein Kulturschock. „Das Leben ist immer eckig“, formuliert es Haeng ok Kim lachend. Manchmal einfach zu sauber und zu ordentlich. Und: „Der Rheinländer redet sehr viel.“Tee hat in ihrer Familie immer eine große Rolle gespielt. Schon früh sammelte sie Samen und zog die Pflanzen selbst. Vom Säen bis zum ersten Ernten dauert es fünf Jahre – ein Sinnbild von Geduld und Hingabe. Vielleicht ist es deshalb so, dass das Ehepaar von Corona eigentlich gar nichts mitbekommen hat.
Tee-Verarbeitung nach koreanischer Tradition
Haeng ok Kim baute allein den Tschanara Teagarden auf (Tscha ist das koreanische Wort für Tee, Nara ist der Berg), während ihr Mann bei Bayer arbeitete. Seit 2019 ist er im Vorruhestand. „Er ist jetzt Praktikant“, sagt sie. In kleinen Gewächshäusern werden die Samen gezogen. „Jede Pflanze hat einen eigenen Charakter und Geschmack.“ Fast jeder Strauch ist nummeriert, über die Ergebnisse wird genau Buch geführt.
Praktikant Bucher lernte auch die koreanische Grüntee-Fertigung von seiner Frau. Gleich nach dem Pflücken werden die Blätter in einer Art Riesen-Wok mit Gas erhitzt. Haeng ok Kim bewegt die wertvolle Ernte mit Spezialhandschuhen und Stulpen bei bis 300 Grad Hitze in dem Spezialgerät gekonnt hin und her, bis die Blätter ein wenig zusammenfallen. Dabei deaktiviert die Hitze die Enzyme, so dass den Blättern Flüssigkeit entzogen wird und dabei die grüne Farbe erhalten bleibt.
Danach werden sie vorsichtig auf speziellen Matten gerollt, eine halbe Stunde auf einem schönen geflochtenen Sieb getrocknet. Dann kommen sie wieder in den Wok – das wiederholt sich vier bis fünf Mal, bis der Tee noch eine Restfeuchte von etwa vier Prozent hat.
Gäste können selbst Tee ernten
Bei Teeseminaren können Gäste Tee pflücken und unter Anleitung verarbeiten – das dauert rund sechs Stunden. Ist der Tee dann doch noch zu feucht, kann er daheim vorsichtig im Backofen weiter getrocknet werden. „Aber ohne Fremdgerüche. Also bitte nicht vorher eine Pizza backen“, sagt Bucher. Die Seminarteilnehmer seien immer sehr beeindruckt, wie viel Handarbeit in einem bisschen Tee steckt. Aus 100 Gramm Blättern werden am Ende 25 Gramm Tee.
Neben dem koreanischen Tee baut das Paar auch verschiedene Sorten aus Japan, Laos oder Taiwan an. Natürlich entstehen hier jeweils nur winzige Mengen. Bei Tee-Verkostungen wird vorsichtig auf einer Mini-Waage für eine traditionelle kleine koreanische Teekanne abgemessen. In einer Waagschale liegt ein Centstück als Gegengewicht, das sind genau 2,1 Gramm.
Ersten Aufguss nicht wegschütten
Von der Sitte, den ersten Aufguss wegzuschütten, halten die beiden nichts. Das habe früher wohl eher hygienische Gründe gehabt, weil man Kanne und Tassen mit dem heißen Wasser desinfizieren wollte. Heute ist das nicht mehr nötig. Aber auf die Wasserqualität müsse man schon achten. „Wir haben hier das Wasser aus der Dhünntalsperre, das ist wunderbar weich“, sagt Bucher. Kölnern empfiehlt er stilles Mineralwasser oder mindestens den Einsatz eines Wasserfilters. Sonst gehe der Geschmack von feinen Tees total unter.
Neun Kilo Tee als Belohnung für ein ganzes Jahr Arbeit – sind die beiden damit zufrieden? Ja, sind sie. Ihren Teegarten können sie aus baurechtlichen Gründen ohnehin nicht erweitern. Und wenn sie die Handarbeit durch Maschinen ersetzen würden, um mehr zu produzieren, dann müssten sie hohe lebensmittelrechtliche Auflagen erfüllen.
Theoretisch sei es auch in Deutschland möglich, in großem Stil Tee anzubauen. „Aber dann müsste man sich auf robuste Einheitssorten konzentrieren. Und da ist die Konkurrenz der klassischen Tee-Länder zu groß“, sagt Bucher.
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Während im beschaulichen Scheuren kaum jemand weiß, was hinter dem hohen Gartenzaun des Teegartens passiert, ist Tschanara unter Kollegen inzwischen international bekannt. In der Europäischen Vereinigung „Tea Grown in Europe“ ist nur ein weiterer deutscher Teegarten vertreten – in Alfeld in Niedersachsen. Anpflanzungen gibt es außerdem auf den Azoren, in Frankreich, Portugal, Jersey, die Niederlande, Schottland und der Schweiz. Gerade war das Paar bei einem Treffen am Lago Maggiore – wo das Tee-Klima zugegebenermaßen etwas günstiger ist als im Bergischen.
In den kleinen Tschanara-Garten kommen auch Mitarbeiter großer Teefirmen, um Haeng ok Kims Kunst und die erstaunlichen Ergebnisse zu genießen. Manchmal wundern sich die beiden selber, wie viel Aufmerksamkeit sie in der weltweiten Tee-Community bekommen. Vor kurzem fragte ein junger Mann aus Bangladesch an, ob er hier im Bergischen ein Praktikum machen könne.