Gefährderte Idylle in OdenthalWiderstand gegen Baulandausweisung
- In Odenthal gibt es viele idyllische Orte. Doch damit könnte demnächst Schluss sein. Sogenannte „Suchflächen“ sorgen momentan für Ärger,
- Zu diesen Flächen gehört ein knapp 20.000 Quadratmeter großes Areal am Erbericher Kirchweg. Zudem ein rund 23.000 Quadratmeter umfassendes Gebiet am Schlehdornweg.
- Beide Flächen sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Das sollen sie nach dem Willen der Bürgerinitiative auch bleiben.
Odenthal – Das Gras steht hoch auf den Wiesen am Erbericher Kirchweg; an klaren Tagen geht der Blick bis hinüber zum Siebengebirge. Die historische Wegeverbindung, die bis hinunter nach Altenberg führt, ist ein beliebter Spazier- und Wanderweg. Doch die Idylle täuscht. Schon am Wanderparkplatz macht ein Schaukasten der Bürgerinitiative Erberich auf die Bedrohung aufmerksam. Die von der Initiative ausgemachte Gefahr heißt „Suchflächen“ für den Regionalplan – Gebiete, die der Bezirksregierung von der Gemeinde gemeldet worden sind, weil sie in der Zukunft als mögliche Bauflächen in Frage kommen könnten. Zu diesen „Baulandreserveflächen“ gehört ein knapp 20.000 Quadratmeter großes Areal am Erbericher Kirchweg. Zudem ein rund 23.000 Quadratmeter umfassendes Gebiet am Schlehdornweg. Beide Flächen sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Das sollen sie nach dem Willen der Bürgerinitiative auch bleiben.
Denn die Vernichtung der Wiesen hätte ihrer Meinung nach nicht nur negative Auswirkungen auf den Naherholungswert und auf den Wert der bestehenden Immobilien, sondern auch auf die Siedlungs- und Infrastruktur des Ortes: „Erberich hat nur 700 Einwohner. 100 neue Grundstücke würden auf einen Schlag 50 Prozent mehr Einwohner bedeuten“, rechnet Dr. Karin Heider von der Bürgerinitiative vor. Mit allen Folgen für die örtliche Infrastruktur, für Verkehr und das „überalterte und überlastete Kanal- und Klärsystem“. Dies, obwohl kein Bedarf an zusätzlichen Bauflächen bestehe, da in den nächsten Jahren zahlreiche Bestandsimmobilien zum Verkauf stünden.
„Eine Katastrophe“
Wirklich verheerend aber wären nach Ansicht der Gegner die Auswirkungen auf Klima, Flora und Fauna der Region. „Eine Bebauung am Schlehdornweg würde die Frischluftschneise Richtung Leverkusen und Odenthal beeinträchtigen und die thermische Situation wesentlich verschlechtern“, sagt Karin Heider mit Blick auf den vieldiskutierten Klimawandel und auf Nachbarstädte, die bereits den Klimanotstand ausgerufen haben. Tatsächlich gilt das Bergische als wichtiges Kaltluftentstehungsgebiet.
Heftige Kritik der naturVereine
Von einer „ungehemmten Zersiedelung der Landschaft“ spricht Dieter Feist vom Verein zum Erhalt und Betrieb des Denkmals Kochshof. In einem Offenen Brief an die Kommunalpolitiker – vornehmlich die CDU, die im Gemeinderat die absolute Mehrheit hält – kritisiert er den „fortwährenden Kahlschlag“ von Natur und Landschaft. Leimbachtal, Erbericher Kirchweg, Schlehdornweg und Ponywiese nennt er als Beispiele für eine Politik ohne „städtebauliches Konzept“, die mit ihrer „hemmungslosen Privatisierung von Natur und landwirtschaftlichen Flächen für eine Einfamilienhausbebauung“ nur wenigen Privilegierten nütze.
Diese Sichtweise teilt auch Jonas Werheid von der Bundesführung des Zugvogel e.V.; eine Organisation, die sich in der Naturschutzarbeit und Umweltbildung engagiert. Auch er wendet sich mit einem öffentlichen Appel an die Kommunalpolitik: „Es fällt schwer, Jugendliche zu aktiver Naturschutzarbeit zu motivieren, wenn gleichzeitig Jahrhunderte alte Naturlandschaften in der direkten Umgebung zerstört werden.“
Werheid wie Feist rufen zu umfassenden Aufforstungs- und Baumpflanzaktionen auf. Dieter Feist: „Das unbedachte immer mehr… immer weiter so… immer größer…. funktioniert eben nicht mehr.“ (spe)
„Die Bauflächen würden bis auf 80 Meter an das Naturschutzgebiet Gronenborner Teiche auf Leverkusener Gebiet heranrücken“, befürchtet Cornelia Gisder. „Für dieses Gebiet wäre das eine Katastrophe.“ Statt durch zunehmende Zersiedelung den Flächenverbund der Biotope zu zerstören, müsse er gestärkt werden: „Wir fordern daher, das Naturschutzgebiet auch auf Odenthaler Gebiet auszuweiten.“ Natur, Klima – nichts davon sei auf Erberich begrenzt, kritisiert Claudia Würschinger. Statt enger kommunaler Grenzen müssten immer stärker regionale Zusammenhänge zählen. Doch damit tun sich die einzelnen Planungsbehörden schwer. Generell plane jede Kommune in ihrem Gemeindegebiet eigenständig und in eigener Verantwortung, so Dr. Ariane Czerwon, Sprecherin der Stadt Leverkusen. Bedenken der Nachbarkommunen könnten allerdings im Rahmen des im Baugesetzbuch vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens geäußert werden.
Naturschützer benennen die sogenannte „Verinselung“ von Biotopen als eines der größten Probleme. „Viele Tiere schaffen es nicht mehr von einer Insel zur nächsten“, erklärt Prof. Martin Denecke, Biologe und Vorstand der „Offenland Stiftung“, die sich um 30 Hektar Flächen rund um Leverkusen kümmert. Dazu gehört auch die mit 1,5 Hektar kleine Fläche in Gronenborn, auf der dennoch 3000 Arten heimisch sind. Während der Schwalbenschwanz hier mit viel Mühe gerade wieder angesiedelt geworden sei, schafften es etwa flugunfähige Käfer nicht, die von Menschen geschaffenen Barrieren zu überwinden. „Die sterben dann aus“, sagt Denecke. Überlebende Populationen verarmten genetisch durch fehlende Ein- und Abwanderungen. Auch wenn die Stiftung nicht politisch agiere, sei man aus biologischer Sicht „gegen jede weitere Bebauung des Leimbachtals“.
Widerstände gab es schon immer
Für Nicola Ciliax-Kindling geht es noch lange nicht um Bau, sondern erst einmal um „Suchflächen“. „Der Regionalplan wird ja nicht für die nächsten fünf Jahre gemacht, sondern für einen viel längeren Zeitraum“, erklärt die Chefin der CDU-Fraktion, die mit ihrer absoluten Mehrheit im Odenthaler Gemeinderat die Flächen durchgesetzt und der Bezirksregierung eingereicht hat. Die Widerstände gegen Ausweisung von Bauland kennt sie. „Aber wer moderate Bevölkerungszunahme will, muss auch bereit sein, Flächen auszuweisen.“
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Die Wahl sei auf das Areal am Schlehdornweg gefallen, weil es relativ eben und gut zu erschließen sei – eine Rarität auf Gemeindegebiet. Die Grundstücke sind in privater Hand. Der größte Teil der Fläche am Erbericher Kirchweg befindet sich hingegen in Gemeindebesitz. „Es ist die einzige zusammenhängende Fläche, die die Gemeinde dann als Tafelsilber veräußern könnte“, so Ciliax-Kindling. Ein Pfund, mit dem die Gemeinde erst wuchern könnte, wenn die Wiese zu Bauland würde.