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Feuriger Kirmes-AbschlussOverather Nubbel auf neuen Wegen

Lesezeit 3 Minuten

Fackeln leuchteten dem abendlichen Zug den Weg durch die Straßen – und zur letzten Aufstellung am Kreisverkehr.

Overath – „Was ist das eigentlich, dieser Nubbel?“, fragt ein Mann mit deutlich erkennbarem schwäbischen Akzent die Männer in weißen Hemden, Handschuhen und schwarzen Zylindern, die am Dienstagabend feierlich eine Strohpuppe durch die Overather Stadtmitte begleiten.

Der Trauerzug in der Dämmerung auf der Overather Hauptstraße.

„Der nimmt alle Sünden, die auf der Kirmes begangen worden sind, weg“, erklärt der Anführer der Schwarzzylinder, Norbert Kuhl. Der Schwabe fragt interessiert nach: „Und wohin?“ „Ins Feuer“, erklärt Kuhl kurz. „Der wird nachher am Dom-Hotel verbrannt.“

Brauchtum im Rheinland

Der Brauch, einen „schuldigen Nubbel“ stellvertretend für die Sünden einer Feiergemeinde zu verbrennen, findet sich seit dem Anfang des 19. Jahrhundert im Rheinland. Vorläufer des Nubbels war der „Zacheies“ (kölsche Form des Zachäus), der zum Ausklang einer Kirmes verbrannt wurde. Nach der Overather Kirmes, die vor einigen Jahren ins neue Stadtfest integriert wurde, wird so bis heute ein Nubbel verbrannt. (wg)

Während manche Passanten am Straßenrand ob dieses Brauchtums irritiert dreinschauen, erwarten andere den Zug des Nubbels schon an ihren Fenstern.

Etliche Overather wie Gabi und Hermann Küsgen grüßen den Nubbel-Zug aus dem Fenster.

Zu überhören ist er nicht, schließlich schlägt Matthias Bremer alle paar Sekunden auf eine dicke Trommel – eine beinah gespenstische „Begleitmusik“ für den Trauerzug, der doch so gar nicht traurig wirkt.

Auf einer Bahre geleiteten die Brauchtumspfleger um Norbert Kuhl (2.v.l.) den Nubbel durch die Overather Stadtmitte – und machen Stopp, wo während der Kirmes gefeiert wurde.

Am Bergischen Hof jedenfalls gibt’s für die mit Fackeln ausgerüsteten Weißhemden erstmal eine Runde Gerstensaft. Zur Stärkung. Schließlich sind sie beim Neustart der Nubbel-Tradition nach der Pandemie-Zwangspause auf neuen Wegen unterwegs. Denn in der Zwischenzeit hat an der Dr.-Ringens-Straße mit dem „Tris Mar Da Nino“ ein neues Lokal eröffnet, das die Nubbelbegleiter auf ihrem Zug durch die Gemeinde doch auf keinen Fall auslassen wollen.

Donnernde Premiere beim Zug durch die Bahnunterführung

Es dämmert. Martin Dickmann zündet eine Fackel an. Zur Sicherheit haben die Nubbelbegleiter sogar Feuerlöscher dabei, die sie „unauffällig“ unter der Rollbahre montiert haben, auf der sie die Strohpuppe durch die Straßen bugsieren.

Sabine Rosenthal freut sich: „Erstmals sind auch offiziell Frauen dabei“, sagt sie und ergänzt augenzwinkernd: „Auch wenn der Norbert noch lernen muss, dass es dann nicht heißt: »Jungs, wir ziehen weiter.« Aber mich stört das nicht“, sagt sie lächelnd.

Nach Absingen eines kleinen Danklieds für die weitere Gerstensaftverköstigung möchte Norbert Kuhl von Gastronom Antonino Triscari noch wissen, was das rheinische „Schütt ene rin“ auf Italienisch heißt? Triscari überlegt nicht lange: „Butro dentro.“ Brauchtumsverständigung funktioniert auch international.

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Donnernde Premier: In der Bahnunterführung ist die dicke Trommel von Matthias Bremer nochmal so laut.

In der Bahnunterführung tönt die dicke Trumm von Matthias Bremer nochmal so imposant. Jugendliche, die auf der anderen Seite auf Bahn und Bus warten, zücken umgehend ihre Handys, um das Schauspiel in Bild und Ton festzuhalten.

Auch künftige Overather Dreigestirn ist mit von der Partie

Mit dabei sind auch Thomas Drossner und seine Söhne Simon und Christian, das designierte Dreigestirn der Jecken im Herzen der Aggerstadt. Später stoßen auch noch Astrid Vogel und Benedikt Promberger hinzu, die beim Erntedankfest in Eulenthal eine zentrale Rolle übernehmen werden.

In der Außengastronomie der Pizzeria Da Nino auf dem Bahnhofplatz findet die Nubbelgemeinde ein interessiertes, bisweilen auch ein wenig irritiertes Publikum, bevor es über die Hauptstraße zum gastronomischen Außenposten der Stadtmitte, der Café Kneipe „Lukas“ von Jürgen Schmidt geht.

Gastwirt Jürgen Schmidt hat die Trauergemeinde bereits erwartet.

Kurz vor dem Anstieg zum Heiligenhauser Berg hat er auf die abendlichen Gäste schon gewartet und ölt ihre Kehlen doppelt: „Schön, dass Ihr diese Tradition beibehaltet“, freut er sich, bevor die Nubbelgemeinde nach einer Doppelrunde durch den Kreisverkehr das Dom-Hotel neben der katholischen Kirche ansteuert.

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Die reise des Nubbels endet in der Feuertonne am Overather Dom-Hotel.

Dort hat Martin Dickmann mit Wirt Bernhard „Heidi“ Heider bereits die Feuertonne in Stellung gebracht, der der Nubbel auch nach dieser Overather Kirmes nicht entkommt.

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Sabine Rosenthal grinst mit reinem Gewissen: „Für mich hätte der auch diesmal nicht verbrannt werden müssen.“