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Dramatische finanzielle Lage„Stadt Overath wird Steuern erhöhen müssen“

Lesezeit 4 Minuten
Auf einer Luftaufnahme stehen im Gewerbegebiet viele Gebäude nebeneinander.

Die Verluste der Gewerbesteuereinnahmen haben Overath finanziell „an den Rand“ getrieben.

Der Overather Haushalt für 2025/26 sieht Investitionen vor, hat aber wenig Spielraum.

Ein bedrückendes letztes Mal: Bürgermeister Christoph Nicodemus (parteilos) wendete sich mit einigen Worten an den Stadtrat, bevor Kämmerer Winfried Zulauf in der Ratssitzung den Plan für den Doppelhaushalt 2025/26 vorstellte.

Der Rathauschef bringe seit mehr als 20 Jahren Haushalte ein und dieser sei der letzte. „Dass ausgerechnet dieser unter so schweren Bedingungen aufgestellt werden musste, belastet mich sehr“, sagte er. Trotz der prekären finanziellen Lage sehe der Haushalt Investitionen für Kinder und Schulen vor, um ihnen einen guten Start in ihre Zukunft zu ermöglichen.

Overath investiert trotz finanzieller Probleme in Zukunft

Auch der Kämmerer betonte, dass der Haushaltsentwurf „Gutes für Overath“ vorsehe: „Ich möchte bewusst ein hoffnungsvolles Zeichen setzen“, sagte er. 30 Millionen Euro für die Neugestaltung des Schulzentrums Cyriax und rund zwölf Millionen Euro für offene Ganztagsgrundschulen seien unter anderem als Investitionen in die Zukunft im Entwurf eingeplant.

Dennoch sei die Haushaltssituation der Stadt „dramatisch schlecht“ – die Nachtragssatzung habe die Verwaltung von der Kommunalaufsicht „gerade so eben“ genehmigt bekommen. Die Genehmigung stehe unter der Auflage, dass Overath für das kommende Jahr einen Haushaltssicherungskonzept aufstellt.

Overath hat keine Rücklagen mehr

Die Stadt hat nämlich ein paar große finanzielle Probleme: Zum einen seien alle Rücklagen aufgebraucht. Für 2024 drohte sogar eine Finanzierungslücke von 14 Millionen Euro. Im Entwurf für den Doppelhaushalt sind Konsolidierungsschritte eingeplant, die das Minus bis Ende 2026 auf neun Millionen reduzieren sollen.

„Die Einbrüche der Gewerbesteuereinnahmen haben uns hart getroffen“, sagte Zulauf. Die Stadt habe sechs Millionen Euro weniger Grundsteuererträge eingenommen als 2023. Damit habe man nicht rechnen können, als der Haushalt für 2024 aufgestellt wurde. „Diese Verluste haben uns an den Rand geführt und dafür gesorgt, dass unser gesamtes Eigenkapital aufgebraucht ist“, schilderte er.

Overath ist bei laufenden Kosten 50 Millionen in den Miesen

Zum anderen erwirtschaftet die Stadt Overath nicht genug, um ihre laufenden Kosten zu finanzieren. Bis Jahresende wird der Saldo aus laufenden Verwaltungstätigkeiten, also die Kassenschulden der Stadt, bei minus 50 Millionen Euro liegen.

Diese Liquiditätsschulden sind laut Kämmerer problematisch: „Die muss die Stadt kontinuierlich abbauen“, sagte er. Anders als bei Kassenschulden, stehen Investitionskrediten Vermögenswerte gegenüber, deswegen wirkten sich diese nicht so drastisch auf die finanzielle Situation der Stadt aus. „Das ist wie bei einem Einfamilienhaus: Dafür nimmt man einen Kredit auf, aber man könnte es auch auslösen“, sagte er. Dann würde das Geld, was man in das Haus gesteckt hat, wieder auf dem Konto landen.

Overath fühlt sich von Bund und Land alleine gelassen

Eine große Schieflage in den Kassen vieler Kommunen, besonders in NRW, entstehe auch daher, dass der Bund und das Land sich nicht an das Konnexitätsprinzip halten würden. Danach müsste die Instanz, die eine Aufgabe erteilt, auch dafür bezahlen, wenn sie diese eine Ebene weiter nach unten delegiert.

Darunter fielen beispielsweise Tarifanhebungen im öffentlichen Dienst oder Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten. Damit würden die Kommunen jedoch alleine gelassen. „Bund, Land, Kreis und Landschaftsverband bestellen viel, aber bezahlen müssen die Kommunen und somit die Bürger“, erläutert er. Vielen Kommunen bleibe nichts anderes übrig, als diese Belastungen mit Steuererhöhungen zu finanzieren.

„Wir sind in einem Wahljahr. Da ist man eigentlich vorsichtig mit Steuererhöhungen. Kommunen, die noch Eigenkapital haben, können das Jahr vielleicht noch überbrücken. Die Stadt Overath schafft das aber nicht mehr“, sagte er. Daher schlug die Verwaltung im Rat vor, die Gewerbesteuer im kommenden Jahr von 465 auf 550 Prozentpunkte zu erhöhen. Die Grundsteuer B soll von 850 auf 1100 und die Grundsteuer A von 360 auf 400 Prozentpunkte steigen. Die Entscheidung darüber wurde allerdings vertagt.

Bürger in Overath sollen nicht mehr belastet werden, als nötig

Um den Bürgerinnen und Bürgern nur einen Teil der Kosten anzulasten, regte der Kämmerer an, die Nachhaltigkeitssatzung auszusetzen. Die trat 2015 in Kraft und wurde 2022 angepasst. Die Satzung sieht unter anderem vor, dass die Stadt einen Generationenbeitrag erheben kann, wenn es ihr finanziell extrem schlecht geht. Das würde allerdings bedeuten, dass auf die Grundsteuer zusätzliche 900 Prozentpunkte oben drauf kommen.

„Das können wir vermeiden, wenn wir eine extreme Haushaltslage feststellen“, schilderte Zulauf. Und das tat der Rat. In der Satzung ist festgehalten, dass eine extreme Haushaltslage vorliege, wenn die ordentlichen Erträge, beispielsweise aus Steuererträgen oder Gebührenbeiträgen, um fünf Prozent nach unten abweichen. Aktuell liege die Abweichung sogar bei rund zehn Prozent.

Auch wenn die Lage „dramatisch“ sei, hofft der Kämmerer auf Besserung. Bund und Land könnten nicht die Augen davor verschließen, wie schlecht es den Kommunen gehe und müssten irgendwann eingreifen. Der Rat verwies den Entwurf der Haushaltssatzung zur Beratung in die Fachausschüsse.