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Letzter Markscheider am LüderichBergbau-Kenner Wolfgang Taudt aus Overath mit 94 Jahren gestorben

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann mit einem Kompass steht vor Bergleuchten in einem Wohnzimmer.

Wolfgang Taudt (hier mit einem Kompass) war der letzte Markscheider auf der Grube Lüderich bei Overath-Steinenbrück und rettete später den Förderturm.

Sein Herz schlug für den Bergbau — und für den Lüderich. Nun hat das Herz von Wolfgang Taudt aufgehört, zu schlagen.

Er war der letzte Markscheider (für den Bergbau tätiger Vermessungsingenieur) der Erzgrube Lüderich und ein versierter Kenner der Bergbauhistorie: Am Sonntag (26. November) ist Wolfgang Taudt aus Overath-Immekeppel im Alter von 94 Jahren gestorben.

Der Bergbau wurde Wolfgang Taudt, der jüngst noch vom Ring Deutscher Bergbauingenieure ausgezeichnet worden war, bereits in die Wiege gelegt. 1929 in Frohnau im Erzgebirge geboren, wuchs er in einer Familie auf, deren Vorfahren bis ins Jahr 1600 zurück vor allem als Bergleute im Silberbergbau gearbeitet hatten.

Aus dem Erzgebirge ins Ruhrgebiet ausgewandert – und dann ins Bergische

Er selbst absolvierte nach der Schule zunächst eine Lehre als Vermessungstechniker, war aber schon bald ebenfalls unter Tage tätig: Als Markscheider vermaß und kartierte er in der Nachkriegszeit für ein russisches Unternehmen alte Bergwerksstollen und -schächte – mit Kompass und Messband. 1950 ging er ins Ruhrgebiet, weil er im Erzgebirge keine Chance sah, Bergmann zu werden. Und das wollte der junge Vermessungstechniker unbedingt.

Vier Männer sitzen  hinter Karten und Fotos an einem Tisch.

Wolfgang Taudt mit seinen Söhnen Wolfgang, Andreas und Christian kurz vor seinem 90. Geburtstag vor vier Jahren.

So fing er im Steinkohlebergbau noch einmal von vorne an, arbeitete als Gedingeschlepper, als Hauer, besuchte die Bergschule und absolvierte die Ausbildung zum Grubensteiger – bis er eine Anzeige in der Oberhausener Zeitung las: Die Grube Lüderich suchte einen Vermessungssteiger, der gleichzeitig auch bergmännisch interessiert war.

Wolfgang Taudt beschriftete die letzte zu Tage geförderte Tonne Erz am Lüderich

Das sei genau seine Sache gewesen, erinnerte sich Taudt später. Er bewarb sich, bekam die Stelle und fing 1963 auf der Grube Lüderich als Vermessungssteiger an. Wolfgang und Waltburga Taudt gründeten eine Familie, er engagierte sich als Kirchenmusiker in der evangelischen Gemeinde, leitete den Kirchenchor und bald dazu auch noch drei Männerchöre. Familie und Ehrenämter seien auch die Gründe gewesen, warum er nach der Schließung der Grube Lüderich in Immekeppel geblieben sei, bekannte er stets.

Wolfgang Taudt im „Bergmannskittel“.

Wolfgang Taudt im „Bergmannskittel“.

Jenen 27. Oktober 1978, als die letzte Tonne Erz gefördert wurde, hat er zeitlebens nicht vergessen: Da stand Bergwerksdirektor Carl-Heinz Kalthoff plötzlich in der Tür seines Büros in der Bergwerksverwaltung in Untereschbach: „Herr Taudt, können Sie bitte einen Grubenwagen beschriften, damit nachher beim Pressetermin auch was zu sehen ist“, erinnerte er sich als 90-Jähriger an die Worte seines damaligen Chefs. Der Vermessungssteiger fuhr zum Hauptschacht der Grube Lüderich und schrieb mit Kreide auf den letzten Wagen „126 Jahre Grube Lüderich – 10 Mio. t Erz – Ich bin die letzte Tonne“.

Auch nach Schließung des Bergwerks war Wolfgang Taudt ein gefragter Experte

Später wurdeen die Buchstaben mit Farbe nachgemalt, der Grubenwagen ziert heute einen Vorgarten in Hohkeppel. Taudt wechselte 1978 in den Braunkohlebergbau, wo er bis zu seiner Pensionierung 1988 als Markscheider arbeitete.

Zuhause aber war er weiterhin im Sülztal – und ein gefragter Experte. Wenn wie an Pfingsten 2008 bei Großhurden auf einer Weide ein großes Loch aufriss – dann wurde Wolfgang Taudt gerufen, schaute mit einem Vertreter des Rechtsnachfolgers der Bergwerksgesellschaft in den alten Plänen nach und gab Hinweise, was zu tun sei.

Bis zuletzt hielt Wolfgang Taudt Kontakt zu ehemaligen Bergleuten

Bis zuletzt hielt er Kontakt zu seinen Kollegen, traf sie nicht nur zum jährlichen „Klöntreff auf der Gezähekiste“ am Förderturm. Der stünde wohl nicht mehr, wenn nicht Wolfgang Taudt für ihn gekämpft hätte. Anfang der 90er Jahre hatte er die Gespräche in der Gemeinde Overath über einen Abriss des in die Jahre gekommenen Bergwerksförderturms verfolgt – und sich ein Herz gefasst.

Ein Förderturm ist vor blauem Himmel zu sehen, im Vordergrund eine Wanderwegmarkierung.

Dass der Förderturm am früheren Hauptschacht auf dem Lüderich noch steht, ist auch Wolfgang Taudt zu verdanken.

Er schrieb an niemand Geringeres als den Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Hans Schwier. „Dieser Förderturm, ein unwiederbringliches letztes Industriedenkmal, ist nicht nur für Overath, sondern für das gesamte Bergische Land, in dem es viele Gruben gab, ein letztes noch vorhandenes Zeichen vom Schaffen und Wirken der Menschen in dieser Region“, formulierte Taudt damals. „Leider hat sich auch unsere Gemeindeverwaltung für den Abriss entschieden“, bedauerte Taudt im Brief an den Minister. Wie der damalige neue Eigentümer habe auch die Kommune die Kosten für die Sanierung und Unterhaltung nicht tragen wollen.

Wie Wolfgang Taudt den Förderturm auf dem Lüderich vor dem Abriss rettete

Taudts Brief blieb nicht ohne Folgen, zumal auch der Landeskonservator den Förderturm als Industrie- und Kulturdenkmal für schützenswert erachtete. Am Ende wurde der Turm saniert – und blieb auch erhalten, als ein Golfplatz auf dem Gelände des früheren Bergwerks und seiner Erzaufbereitungsanlagen eingerichtet wurde.

„Wir waren immer wie eine große Familie“, sagte Taudt einmal über seine Kollegen auf der Erzgrube. Und er selbst, so fügte er hinzu, sei „immer gerne mittendrin gewesen“.

Die Trauerfeier findet am Freitag, 8. Dezember, 10 Uhr, in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt, Friedensweg 1, in Overath-Untereschbach statt. Anschließend folgt die Beisetzung auf dem Friedhof.