Regionaler Anbau„Mein bergischer Bauerngarten“ ermöglicht Selbstversorgung
Overath – Immer mehr Menschen möchten mehr Nähe zu dem, was sie auf dem Teller haben, aber dem einen fehlt der Garten, dem nächsten die Zeit und dem dritten die Ahnung. Einige von ihnen kommen ihrem Traum von der Selbstversorgung nun auf recht komfortable Weise im Projekt „Mein bergischer Bauerngarten“ ein gutes Stück näher: Gemüse und Kräuter im eigenen Beet, fachkundige Unterstützung und obendrein noch Gesellschaft beim Gärtnern.
Für 190 Euro in der Saison erhalten die über 20 Pächter des Bio-Gemüsegartens auf dem Höller-Hof in Lindlar-Hohkeppel gut 40 Quadratmeter bereits bestelltes „Feld“. In langen Reihen hat Michael Höller gesät: Tomate und Pflücksalat, Kürbis und Zucchini, Spitzkohl und Kartoffel – insgesamt 28 Sorten Gemüse und Kräuter. Am Ende hat er das große Feld mit Kalk in jeweils zwei Meter breite Parzellen geteilt. Unterstützt wird er von den Profis von „Gartenglück“, Katrin Ivanov-Below und Evgeny Ivanov vom Klefhof in Overath, die diese Art der Gemüse-Selbsternte bereits seit 15 Jahren betreiben – bislang jedoch noch nie im Bergischen Land.
Einführung zu Beginn
„Es ist wichtig, dass wir wieder mehr lokal denken und handeln“, sagt Michael Höller bei der Übergabe der Parzellen. Mit 40 Quadratmetern können sich mindestens zwei Personen mit dem Großteil an Gemüse über die komplette Saison versorgen. Zu Beginn gibt es eine kleine „reihenweise“ Einführung und Antworten auf viele Fragen. Unkraut? Liegen lassen. Die Regenwürmer ziehen es in die Erde, nennt sich Flächenkompostierung. Gießen? Nein. Pflanzen, die Wasser brauchen, erhalten es mit dem Bewässerungssystem vom Höller-Hof. Die anderen sollen möglichst tief wurzeln – das geht nur ohne Gießen. Der Ruccola? Hat Löcher. „Die schmecken aber völlig neutral“, sagt Ivanov.
Marvin Schattergann aus Rösrath hat sich von seinen Eltern überzeugen lassen, statt am Bildschirm zu spielen in der Erde zu buddeln. Nun ist er der erste an der Hacke und sieht recht zufrieden aus. „Da fehlen noch ein paar Kartoffeln“, sagt seine Mutter Stefanie. „Papa holt die.“ Papa Markus tut wie geheißen und ist vollauf zufrieden mit dem neuen Familienhobby. „Man hat hier Profis an seiner Seite“, sagt er. „Zu Hause zahlt man drei Jahre Lehrgeld und es kommt vielleicht immer noch nichts raus.“ Auch die Oma ist mit dabei und mehrere Freunde haben ebenfalls Parzellen gemietet. „Wir machen eine WhatsApp-Gruppe und wechseln uns ab, damit nicht jeder jeden Tag kommen muss“, sagt Stefanie Schattergann.
Einige der neuen Gärtner haben ein Pferd beim Höller-Hof eingestellt und sind ohnehin täglich dort. Die wenigen noch übrigen Parzellen würde Michael Höller gerne im nahen Umfeld vergeben. „Mit dem Auto zum Gemüse ernten fahren ist wenig nachhaltig“, sagt er, „und außerdem kann das zu einer guten Dorfgemeinschaft beitragen.“ Der Kita Bollerwagen im Ort stellt er eine Parzelle kostenfrei zur Verfügung.
Spaß bei der Arbeit
Im Nu ist das Feld ein einziges Hacken und Buddeln. Nicht angegangene Pflanzen werden ersetzt, zusätzliche eingegraben. „Die Steckzwiebel schultertief“, sagt Ivanov. „Von der Zwiebel aus.“ Es macht sich Ratlosigkeit breit, wo sich die Schulter einer Steckzwiebel befindet. Die Gruppe hat Spaß. Die Initiatoren sind zufrieden.
Die Familien Höller und Ivanov verbindet das Engagement für den Ökolandbau. Der Klefhof ist ein Bioland-Betrieb und die Familie Höller baut ihren seit 100 Jahren im Familienbesitz stehenden Hof mit Nachhaltigkeit und Innovation aus. „Nutztiere haben es verdient, ein artgerechtes Leben zu führen und Lebensmittel müssen wieder wertgeschätzt werden“, sagt Michael Höller.
Zum Pferdepensionsbetrieb kam im vergangenen Jahr ein Kompostierungsstall: für die Limousin-Rinder eine „Wohnung“ mit Fußbodenheizung, für den Landwirt die Grundlage für ökologischen Landbau, für die Konsumenten Bio-Rindfleisch aus regionaler Mutterkuhhaltung. Nun also Bio-Gemüse, gedüngt mit dem selbsterzeugten Kompost – Chemie ist tabu, auch für die Parzellenbesitzer.
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Was kommt als nächstes? „Nichts“, sagt Michael Höller und blickt immer noch etwas fassungslos über die vielen Menschen, die sein neuestes Projekt so begeistert annehmen. Dann aber erzählt er doch von den Regenwürmern. Ein paar Tausend hat er vor den Anglern gerettet – auf dass sie sich nun vermehren, die Erde auflockern und mit ihrem Kot düngen. „Es gibt nichts Besseres“, sagt Höller und man sieht ihm an, dass er über die Regenwürmer lange erzählen könnte.
„Wenn ich irgendwo langgehe, kann ich inzwischen sofort sehen, ob dort Regenwürmer im Boden sind oder nicht“, sagt er und zuckt etwas verlegen mit den Schultern ob dieses sehr speziellen Wissens. Das Gemüsebeet wird wohl das erste Experimentierfeld werden. Die Hobbygärtner zeigen sich äußerst zufrieden, dass ihnen auch die Regenwurmzucht vom Profi abgenommen wird.