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Kommentar

Pro und Contra
Rederecht in Rhein-Bergs Ratssitzungen – Zwischen Druck der Straße und Ohnmacht

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Bürger halten Plakate hoch.

Mit Plakaten meldeten sich unzufriedene Bürger vor der letzten Ratssitzung in Rösrath zu Wort.

Unsere Autorinnen sind sich uneins: Die eine möchte mehr Aufklärung, die andere möchte, dass Bürger früher mitreden dürfen.

Zwischen Ohnmacht und Druck der Straße: Das Rederecht der Bürger sorgt für Uneinigkeit in der Redaktion. Stephanie Peine setzt sich für den Erhalt der bisherigen Regelung ein, Uta Böker ist für eine Änderung im Umgang mit den Bürgern.

Pro: Die strenge Regelung hat einen bitteren historischen Hintergrund

Es gehört zu den unangenehmsten Momenten in Ratssitzungen, wenn Bürgern oder Bürgerinnen das Wort abgeschnitten wird, ihr Beitrag vom Vorsitzenden abrupt unterbrochen wird, weil sie im Gremium kein Rederecht besitzen.

Denn oft wissen sie gar nicht, wie ihnen geschieht. Weil sie das Prozedere nicht kennen, fühlen sie sich unhöflich behandelt, nicht wahrgenommen, mundtot gemacht. Entsprechend groß ist der Frust. Hier fehlt es an Aufklärung – nach Möglichkeit schon vor Beginn einer Sitzung mit Aufregern auf der Tagesordnung. Das wird zu selten getan. Dennoch ist es sinnvoll und richtig, das Rederecht von Zuhörern nur in Ausnahmefällen und auf Antrag zuzulassen.

Das System folgt dem Prinzip der parlamentarischen, repräsentativen Demokratie – im großen Gremium des Bundestages ebenso wie im kleinen des Gemeinderates. Für politische Diskussionen der Bürger ist im Vorfeld Raum, in Einwohnerversammlungen oder Bürgerwerkstätten, im direkten Dialog mit Abgeordneten. Ihre Entscheidungen aber müssen die Mandatsträger am Ende in einer Atmosphäre der Ruhe treffen können, ohne direkte Einflussnahme durch aufgebrachte Menschen, den Druck der Straße, Polemik und Machtdemonstrationen von Gruppen. Das alles hat in Deutschland einen bitteren historischen Hintergrund und zeigt seine gefährliche Fratze aktuell selbst in Demokratien, die man lange für ungefährdet hielt.


Contra: Bürger in Rhein-Berg sollen früher mitreden

Es geht nicht allein um die Frage, um bei dem Beispiel im Bericht zu bleiben, ob auf der Lena-Wiese in Bergisch Gladbach ein Kindergarten gebaut wird oder nicht. Vielmehr geht es um das Bedürfnis der Menschen, ihren lokalen Sachverstand einzubringen. Sie leben in ihren Vierteln, identifizieren sich mit ihnen und wissen, wovon sie reden. Stattdessen sitzen sie zur Ohnmacht verdammt in den hinteren Reihen in den Ratssälen und werden wie Störenfriede behandelt.

Das Misstrauen der Betroffenen gegen die Politik wächst, die Leute werden auf die Straße getrieben. Widerstände werden erzeugt zu einem Zeitpunkt, an dem die Menschen noch konstruktiv eingebunden werden könnten. Ein Rederecht hat einen ganz entscheidenden Vorteil: Konflikte werden entschärft, bevor unnötige Wut entsteht. Insofern wäre diese Reform im eigenen Interesse der Politik. Denn wird Skepsis gegen ein Vorhaben rechtzeitig erkannt, steigt die Chance auf einen blockadefreien Prozess.

Eine Sitzung für fünf Minuten zu unterbrechen, dabei würden sich die Politiker keinen Zacken aus der Krone brechen. In Wuppertal gibt es sogar einen Beirat für Bürgerangelegenheiten, der Anregungen der Einwohner an den Stadtrat richten kann. Daran sollten sich die Kommunen ein Beispiel nehmen. Denn die Alternative heißt nicht: repräsentative oder direkte Demokratie, sondern Offenheit oder Versteckspiel mit den Bürgern.