Finanzielle Rettung des Verbands, Geflüchtetenunterkünfte, Impfzentrum und Flutkatastrophe – Ingeborg Schmidt setzte Maßstäbe in Rhein-Berg.
Das DRK geprägtDRK-Kreischefin Ingeborg Schmidt geht, Lutz Urbach soll Nachfolger werden
Ob es die Geflüchtetenunterbringung war, als 2015 selbst Turnhallen nicht mehr ausreichten, die Leitung des Impfzentrums während der Corona-Pandemie oder der Versorgungs-Großeinsatz bei der Flut im Juli 2021 – die DRK-Kreisvorsitzende Ingeborg Schmidt war immer in vorderster Reihe mit dabei.
Und sie hat Maßstäbe gesetzt: von der Geflüchtetenaufnahme, über die Gründung neuer Einheiten wie einer Drohnen- und einer Motorradstaffel bis hin zur Sanierung der Kreisverbandszentrale, die gerade noch fertig geworden ist, bevor sich Ingeborg Schmidt an diesem Freitagabend bei der Kreisversammlung des Deutschen Roten Kreuzes verabschieden wird: Nach 22 Jahren möchte die engagierte 69-jährige Rösratherin den Kreisvorsitz abgeben.
„Ich bin nicht freiwillig in dieses Amt gekommen, ich möchte es freiwillig zu einer guten Zeit übergeben“, sagt die engagierte Ehrenamtlerin, langjährige Krankenschwester und Mutter von vier mittlerweile erwachsenen Kindern und spielt damit auf die Turbulenzen an, in denen der DRK-Kreisverband stecke, als sie 2003 übernahm.
Seit Kindertagen mit dem Deutschen Roten Kreuz aufgewachsen
Dabei beginnt die Geschichte von Ingeborg Schmidt im DRK schon in Kindertagen, als sie noch „Scheuer“ mit Nachnamen hieß. „Mein Vater war Ausbilder beim DRK im Rheinisch-Bergischen Kreis – und in der evangelischen Kirche in Rösrath engagiert“, erinnert sich die Rösratherin: „Ich wollte mich auch engagieren und habe mich fürs Rote Kreuz entschieden.“
Im November 1985 trat die engagierte Krankenschwester ins DRK Rösrath ein, 1986 wurde sie bereits Leiterin der Einsatzbereitschaft – und machte sich im Kreis einen Namen. Auch als der DRK-Kreisverband nicht nur finanziell in Turbulenzen geriet. „In Rösrath war ich eigentlich auf der Insel der Glückseligkeit“, erinnert sich Ingeborg Schmidt. Es rumorte im Kreisverband, die Ehrenamtler machten ihrem Unmut gegenüber der Leitung auch beim damaligen Landrat Dr. Rolf Hahn Luft. Doch der stellte sich vor die Geschäftsführung.
Gegenwind als Sprecherin des Ehrenamts in Krise des DRK Rhein-Berg
„Damals wurde ich dann auserkoren, die Anliegen des Ehrenamts vorzubringen“, erinnert sich die resolute DRKlerin – und erntete kräftig Gegenwind. Selbst juristisch sei man gegen sie vorgegangen, erinnert sich die heute 69-Jährige: „Für mich stand die Welt kopf.“
Allerdings gaben die Ehrenamtler nicht Ruhe mit ihrer Kritik. „So hat man mich als Querulantin in den Vorstand geholt und einzubinden versucht“, sagt Ingeborg Schmidt augenzwinkernd. 2003 wurde sie schließlich zur Kreisvorsitzenden gewählt. Ute Schniering und Horst Gabriel wurden ihre Stellvertreter. Geschäftsführer war damals noch der vormalige Wipperfürther Stadtdirektor Klaus-Ulrich Heukamp, dann kam Reinhold Feistl in das Amt, der zuvor Katastrophenschutzsachbearbeiter gewesen war. „Ein absoluter Glücksfall“, erinnert sich Ingeborg Schmidt: „Wie ich nicht immer einfach, aber mit vielen Ideen und unheimlich kreativ.“ Und das brauchte das Leitungsgespann des Kreisverbands. Schließlich stand der tief in den roten Zahlen.
Ingeborg Schmidt stellte DRK-Kreisverband mit Geschäftsführer Reinhold Feistl neu auf
„Wir haben damals alles umstrukturiert, abgegeben was sich nicht finanzieren ließ und neue Gesellschaften gegründet.“ Der DRK-Kreisverband betrat Neuland, übernahm die Trägerschaft von Kindertagesstätten, gründete eine gemeinnützige GmbH für Trägerschaften, zunächst allein im Kreisgebiet, und dem zum Kreisverband gehörenden Seniorenheim in Wipperfürth, dann auch mit der Übernahme weiterer Einrichtungen im Rhein-Sieg-Kreis und später in Bonn. Heute gehören neben der erweiterten Senioreneinrichtung in Wipperfürth sieben Sozialstationen zur gGmbH des Kreisverbands. In einer Rettungsdienst GmbH betreibt das DRK die Wachen in Overath, Odenthal und Kürten sowie einen Standort am Kreishaus.
„Ich habe damals hervorragend mit dem Leiter des Amts 38 bei der Kreisverwaltung, Stefan Schwarzenthal, zusammengearbeitet“, erinnert sich Ingeborg Schmidt an einen wichtigen Wegbegleiter am Anfang. „Und auch mit Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden lief das wunderbar: Wenn es hart auf hart kam, wusste jeder, dass er sich auf den anderen verlassen konnte. Wir waren Einsatzkräfte, keine Bürokraten.“
Unterschiedliche Erfahrungen mit Kommunalverwaltungen im Kreis
Ähnliche Erfahrungen habe sie später auch mit Rösraths Bürgermeisterin Bondina Schulze und derem Overather Amtskollegen Christoph Nicodemus etwa bei der Einrichtung von Impfstellen in der Corona-Zeit gemacht: „Auf Augenhöhe.“
So wie schon mit Bergisch Gladbachs Bürgermeister Lutz Urbach. „Wir hatten 2015 vor der Einrichtung der ersten Flüchtlingsunterkunft in Sand eine Infoveranstaltung in der Kirche. Die Menschen waren aufgebracht. Eine aufgeheizte Stimmung – und nachher haben sie applaudiert.“ Die Bergisch Gladbacher Initiative wurde zum Vorzeigemodell, was sich auch im Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck zeigte.
Die Kreisvorsitzende wusste, was sie wollte, scheute auch keinen Gegenwind – und steht bis heute bei Katastrophenlagen selbst am Herd, um zu kochen. Und sie schaut, dass die DRK-Arbeit überall im Kreis ordentlich läuft. In Odenthal sprang sie selbst als Vorsitzende ein, als sich kein Vorstand mehr fand, musste den Ortsverein dann auflösen, weil sich keine neuen Führungskräfte fanden, erhielt aber das engagierte Blutspendeteam, indem sie es an den Kreisverband andockte.
In der Not vor Ort sprang Ingeborg Schmidt bei Ortsvereinen ein
In Overath übernahm sie die Leitung 2016 selbst, als sich kein Vorstand mehr fand. Im vergangenen Jahr stellte sich der Ortsverein wieder auf eigene Beine. In ihrem Heimatort Rösrath ist Ingeborg Schmidt seit 2007 DRK-Vorsitzende, baute dort unter anderem eine neue Unterkunft, eine Motorrad- und eine Drohnenstaffel auf.
Die Arbeit dort möchte sie auch nach dem Abschied als Kreisvorsitzende fortführen. „Mit toller Unterstützung von unserem Katastrophenschutzsachbearbeiter Andreas Hoffstadt habe ich jetzt auch noch die versprochene Sanierung der Kreisverbandzentrale an der Jakobstraße fertig bekommen“, sagt Ingeborg Schmidt. Und sie fügt bescheiden hinzu: „Und nach Freitagabend geht es eben wieder nach Rösrath.“ Sie mag es nicht, als Person im Mittelpunkt zu stehen. Bei der Kreisversammlung am Freitagabend wird ihr das aber wohl nicht ganz erspart bleiben. Zu recht.
Familie im DRK: Steffen Schmidt hört als Kreisbereitschaftsleiter auf
Auch der bisherige DRK-Kreisbereitschaftsleiter Steffen Schmidt wird wie seine Mutter Ingeborg künftig kürzer treten und sein Amt auf der DRK-Kreisversammlung in neue Hände abgeben.
Der 34-Jährige leitet die Einsatzbereitschaft des Kreisverbandes seit 2014, übernahm 2015 die erste Geflüchtetenunterkunft in Bergisch Gladbach. Sie habe ihn damals dafür aus seinem Studium geholt, sagt Mutter und Kreisvorsitzende Ingeborg Schmidt: „Aber er hat das super gemacht und viele überzeugt. Er ist sehr geduldig und diplomatisch – das hat er nicht von mir“, so die Mutter.
Viele Herausforderungen der Flüchtlingskrise meisterten Sohn und Mutter damals gemeinsam. „Nach Auflösung der ersten Unterkunft war ich für ein par Tage in Urlaub geflogen“, erinnert sich Ingeborg Schmidt, „hatte aber am Urlaubsort noch nicht den Koffer ausgepackt, als Geschäftsführer Reinold Feistl anrief: Überall würden weitere Aufnahmeeinrichtungen gebraucht. Ich bin sofort zurückgeflogen.“
Aber auch die DRK-Geschäftsstelle habe damals „wie irre gearbeitet, um Personal aufzustocken“, da die Aufgaben mit dem Ehrenamt allein nicht zu stemmen waren. Ingeborg Schmidt freut sich, dass auch ihre übrigen Kinder im DRK aktiv sind, und sie auch im DRK Rösrath weiter mit ihnen zusammenarbeiten wird. Ehemann Maik Hülsmann ist Zugführer, Tochter Verena (Stentenbach) ist Leiterin des Jugendrotkreuz in Rösrath, Tochter Kristina (Hübinger) Bereitschaftsleiterin des DRK Rösrath, und Steffen Schmidt arbeitet heute im Rettungsdienst, in der IT, studiert Rettungsdienstwesen und ist weiter im Führungsdienst sowie in der Drohnen- und der Motorradstaffel aktiv.
„Das DRK gehört bei uns zur Familie einfach dazu“, sagt Ingeborg Schmidt, „und das kann gerne auch so bleiben.“ Was für sie das beeindruckendste DRK-Erlebnis war? „Das war beim Oder-Hochwasser 2013, wo wir mit zwei Einsatzeinheiten nach Magdeburg gefahren sind. Der Zusammenhalt war einfach beeindruckend – und jeder hat mitgeholfen. Das macht für mich auch das DRK aus.“ (wg)