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Zwölf bis 15 Eier im NestBei den Kohlmeisen herrscht ständiger Partnerwechsel

Lesezeit 3 Minuten

Appetit auf junge Kohlmeisen haben Nestplünderer wie dieser Buntspecht.

  1. So wirklich romantisch ist das Paarungsverhalten der Kohlmeisen nicht
  2. Um die genetische Vielfalt groß zu halten, wechselt die Meisin ständig die Partner
  3. Unser Autor hat die faszinierenden Vögel in der Serie „Habe Fernglas – Suche Piepmatz“ beobachtet

Rhein-Berg – Wenn’s klopft, ruft man gewöhnlich „herein!“, aber mein Freund hat davon neuerdings Abstand genommen und den Besucher, der da mit nachdrücklichem Gehämmer Einlass forderte, mit rudernden Armen, Drohlauten und anderen Abwehrgebärden unverzüglich des Grundstücks verwiesen. Es handelte sich um einen Buntspecht, wie mir die Beschreibung verriet, und der machte sich unverhohlen an einem Nistkasten zu schaffen, der mit einer Brut junger Kohlmeisen besetzt war.

Der Zimmermann des Waldes ist keineswegs darauf angewiesen, wegen Wohnungsknappheit den Eingang von Nistkästen kleinerer Höhlenbrüter zu vergrößern, um sie selber in Besitz zu nehmen. Vielmehr will er die jungen Meisen verspeisen. Da er das schon oft versucht hat, will mein Freund jetzt einem Tipp des Vogelschutzvereins Nabu folgen und das Schlupfloch des Nistkastens mit einem Blechkragen gegen solche Einbruchsversuche sichern.

Meisin kann Brutprozess verzögern

Das ist auf eigenem Grund und Boden sein gutes Recht, obwohl die Kohlmeise keineswegs bedroht ist im Bestand. Plus zehn Prozent deutschlandweit und sogar plus 15 Prozent in Nordrhein-Westfalen war das Ergebnis der letzten Nabu-Zählung. Kohlmeisen kommt ihr weit gefächertes Nahrungsspektrum, die Anpassungsfähigkeit, die sie zum Kulturfolger prädestiniert, und die große Zahl von Nachkommen zugute. Immerhin finden in so einem Nest bis zu zwölf bis 15 Eier Platz.

Die Meisin, die das Brüten allein übernimmt, aber dafür vom Meisenhahn gefüttert wird, bedient sich einer raffinierten Technik der Brutverzögerung, damit die große Horde gleichzeitig schlüpft. Anfangs werden die Eier nur kurz vor dem Dunkelwerden für eine Stunde angewärmt, während der Nestbau vorangeht. Und nachts schläft die Meisenfrau im Stehen über den Eiern, so dass die Temperatur nicht hoch genug steigt, um den Reifungsprozess weiterzutreiben.

Die Serie

Ein neues Hobby hat sich ausgebreitet: Naturbeobachtung als Sport. Redakteur Gisbert Franken greift zum Feldstecher und zum Bestimmungsbuch. Tipps gibt Thomas Stumpf von der Arbeitsgemeinschaft Bergischer Ornithologen. (ksta)

Großes Gelege als Rückversicherung

Trotzdem bleibt bei solchen Riesengelegen ein Großteil der Küken auf der Strecke. Möglicherweise ist die scharfe Konkurrenz unter den Geschwistern der Grund, warum kleine Kohlmeisen, die wie bei allen Nesthockern nackt und blind aus dem Ei schlüpfen, bereits das erste Dunengefieder im Farbcode der Eltern ansetzen. Normalerweise ziehen Nesthocker ein unauffälliges grau-weißes Gewand vor, das angeblich weniger auffällt und sie weniger als Opfer für Nestplünderer prädestiniert.

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Was bei einem Höhlenbrüter wenig erklärt, denn man sieht sie ja nicht und der Specht findet sie trotzdem. Eine andere Erklärung ist, dass das bunte Federkleid den Eltern Stärke signalisiert. Und da gilt: Die Größten und Frechsten kriegen die dicksten Raupen und wachsen schneller heran. Das große Gelege ist eine Rückversicherung für den Fall, dass mit den Favoriten etwas schiefgeht: Etwa wenn der Specht sich durch das Flugloch zwängen und einen Brocken rauszerren kann. Wenn er sich nicht von der Meisin erschrecken lässt, die ihm eine Schlange vormacht. Sie weiß, dass alle ihre Kinder sind.

Männchen und Weibchen treffen sich jedes Jahr wieder

Dem Meisenhahn bleibt nur die gute Hoffnung, durchschnittlich 38 Prozent aller Eier im Gelege sind nicht von ihm befruchtet. Dabei gibt er sich schon solche Mühe, Nebenbuhler zu vergrätzen und seine treulose Gattin zu bewachen: In aller Frühe holt er sie in der Balzzeit von ihrem Schlafplatz ab und dann wird als erstes das Befruchtungsgeschäft betrieben. Aber irgendwie findet das Luder immer noch Wege, für genetische Vielfalt in ihren Eiern zu sorgen.

Trotz dieser nicht gerade romantischen Beziehung findet sich das Pärchen meist jedes Jahr wieder zusammen, solange der Bruterfolg nicht ausbleibt. Deswegen tut mein Freund gut daran, den Specht dauerhaft fernzuhalten, denn wenn der Kasten einmal geplündert ist, werden die Meisen nicht wiederkehren.