Gemeinsames Zähneputzen wird in Rhein-Bergs Kitas zu selten praktiziert. Dabei sei es so wichtig, sagt Zahnarzt Dr. Robert Schöll.
HygieneDentist vom Amt kritisiert Zahnputz-Praxis in rheinisch-bergischen Kitas
Karius und Baktus zerstören mit Freude die Zähne des kleinen Max, bis Zahnarzt und Zahnbürste dem Treiben der beiden Kobolde ein Ende setzen. Der norwegische Puppenfilm von 1954 vermittelte Grundschülern noch in den 1990er Jahren, wie wichtig Zähneputzen ist. Und tatsächlich: Die Mundgesundheit hat sich von 1994 bis 2016 deutlich verbessert, mit einem Kariesrückgang bei Zwölfjährigen im bleibenden Gebiss um rund 82 Prozent, bei Sechs- bis Siebenjährigen im Milchgebiss um etwa 40 Prozent. Während die sechs- bis siebenjährigen Kinder 1994 noch durchschnittlich fast drei kariöse Zähne aufwiesen, waren es 2016 noch etwa eineinhalb.
Diese und weitere interessante Entwicklungen aus dem Bereich der Zahngesundheit sowie Erfolge der zahnmedizinischen Präventionsarbeit stellte Zahnarzt Dr. Robert Schöll vom zahnärztlichen Dienst des Kreisgesundheitsamtes jetzt im Ausschuss für Gesundheit, Rettungsdienst und Verbraucherschutz vor.
Karies und Parodontitis sind Volkskrankheiten
Karies bei Kleinkindern und Parodontitis bei Erwachsenen sind trotz der genannten Verbesserungen immer noch häufige Erkrankungen. Rund 2,3 Milliarden Menschen waren 2015 von Karies betroffen, etwa ein Drittel der Weltbevölkerung. Bei Kleinkindern kommt Karies etwa fünfmal häufiger vor als Asthma und siebenmal öfter als Heuschnupfen. In Rhein-Berg waren im Schuljahr 2018/2019 rund 26 Prozent der Erstklässler behandlungsbedürftig.
Neben Zahnschmerzen kann Karies auch Abszesse, vorzeitigen Zahnverlust oder Nachteile für die Gebissentwicklung mit sich bringen. Auch die bleibenden Zähne können Schaden nehmen. „Es ist nicht immer einfach, kleine Kinder zu behandeln. Daher bleiben viele Zähne bei Kleinkindern unversorgt. Auch die Sprachentwicklung, die schulische Leistungsfähigkeit und das Sozialverhalten können beeinträchtigt sein“, sagte Schöll.
Der zahnärztliche Dienst und der Arbeitskreis Zahngesundheit im Kreis, dem auch die Krankenkassen angehören, rücken der Karies vor allem mit präventiven Maßnahmen zu Leibe. Der zahnärztliche Dienst setzt sich aus zwei Zahnärzten und zwei zahnmedizinischen Fachangestellten des Gesundheitsamtes sowie vier Prophylaxe-Fachkräften des AK Zahngesundheit zusammen. Hauptaufgabe ist die Prävention: Reihenuntersuchungen in Schulen und Kitas und Karies-Prophylaxe.
Eine Standortuntersuchung hat ergeben, dass Karies bei Kindern in allen sozialen Räumen vorkommt. „Ein flächendeckendes Betreuungskonzept, das alle Kindertagesstätten und Schulen erreicht, ist daher sinnvoll“, meint Schöll. „Leider wird nur noch in wenigen Kindertagesstätten das tägliche Zähneputzen geübt und praktiziert. Mein großer Wunsch wäre es, dass Zähneputzen in allen Kitas wieder zum Alltag gehört. Denn diese pädagogische Maßnahme zur Ritualisierung gesundheitsfördernden Verhaltens trägt gerade in dieser Entwicklungsphase der Kinder dazu bei, dass Zähneputzen lebenslang etabliert und verstetigt wird.“
Mitarbeitende in Kitas sind stark belastet
Zahnärztliche Prävention ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Für Schöll ist es gleichzeitig wichtig, dass „Gruppenprophylaxe, also die Präventionsangebote in Schulen und Kindergärten, und die Individualprophylaxe in den Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen ineinandergreifen. Das wahre Argument für Prävention sollte sein, dass es immer besser ist, gesund zu sein als krank.“
Im Gesundheitsausschuss, der wegen einer Fußball-Übertragung seinen Sitzungsbeginn um eine halbe Stunde vorgezogen hatte, wurden die Ausführungen mit Interesse aufgenommen; der amtierende Vorsitzende Peter Lautz (CDU) dankte für die Ausführungen. Allerdings gab es auch Widerspruch, als Schöll sich am Ende erneut kritisch über die aktuellen Präventionsbemühungen in den Kitas äußerte.
Bei all den vielen Aufgaben in den Kitas müsse über die richtigen Prioritäten nachgedacht werden, sagte der Referent. Beispielhaft beschrieb er eine Szene, bei denen er mit Kindern in einer Kita über das Zähneputzen gesprochen habe und plötzlich vier Kinder abberufen worden seien – zum Englisch-Unterricht. Schöll: „Natürlich ist es wichtig, dass Kinder Englisch oder Chinesisch lernen, aber die Basis muss doch vorher stimmen!“
Caritas-Chefin Raphaela Hänsch versuchte daraufhin den Blick in eine andere Richtung zu lenken. „Natürlich ist eine gute Prophylaxe wichtig. Aber im Moment plagt uns so vieles. Wir brauchen dringend Ruhe in und mehr Fachkräfte für die Kitas“, sagte sie unter Verweis auch auf die vielen Protestaktionen unter dem Motto „NRW bleibt sozial“.