„Manche Hilfe ist blinder Aktionismus“DRK-Kreisvorsitzende über Hilfe für Geflüchtete
Rhein-Berg – Ingeborg Schmidt ist Vorsitzende des Kreisverbands des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) . Das DRK ist mit Hilfen in der Ukraine tätig und unterstützt die Arbeit des ukrainischen Roten Kreuzes sowie der Rotkreuzgliederung der angrenzenden Staaten. Wie man dabei am sinnvollsten unterstützen kann und welche Probleme gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Hilfen bereiten – darüber hat Guido Wagner mit ihr gesprochen.
Wo man auch hinschaut, werden zurzeit Hilfen für Menschen organisiert, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten. Wie erleben Sie diese Welle der Hilfsbereitschaft?
Schmidt: Ja, viele Menschen haben das Bedürfnis zu helfen und das ist ja auch verständlich. Leider erleben wir gerade wieder, dass viele Vereine, zahlreiche Gemeinden, eine große Anzahl Privatpersonen Aktionen planen, die nicht zu Ende gedacht sind, nicht sinnvoll sind und auch nicht abgesprochen wurden.
Inwiefern?
Über die Medien sind die Menschen ja heutzutage alle vernetzt, Ideen werden rasch verbreitet und man hat das Gefühl, es entsteht ein gewisser Wettbewerb, wer wohl am schnellsten Material an die Grenzen bringen kann. Es fehlt an Erfahrungswerten, um real bewerten zu können, was im Augenblick wirklich hilft.
Was hilft denn weniger?
Viele Menschen fragen bei uns an, ob wir Kleider-, oder andere Sachspenden entgegen nehmen. Das Deutsche Rote Kreuz nimmt keine Sachspenden an.
Warum nicht?
Das erläutere ich gerne. An den Grenzen kommen die Menschen mit Koffern an, wissen noch nicht, wo sie bleiben können und können auch keine weiteren Dinge tragen. So müssen die Sachspenden dort irgendwo gelagert werden. Es bedarf einer ungeheuren Logistik, die Dinge alle zu sortieren und zu überprüfen, und die Kapazitäten sind bereits jetzt völlig erschöpft. Das DRK vor Ort berichtet von Möbeln, die nicht helfen, Unmengen an Bekleidung, die nicht benötigt wird.
Haben Sie selbst da schlechte Erfahrungen gemacht?
Bereits bei der Flut im Juli vergangenen Jahres haben viele Menschen uns Bekleidung gebracht, die man niemandem weitergeben konnte. Knöpfe waren abgeschnitten, Löcher in der Bekleidung, bekleckerte Pullover waren dabei, alte Anzüge, defekte Elektrogeräte und vieles mehr. Wir haben tagelang aussortiert und am Ende 1400 Euro für die Entsorgung von Müll ausgeben müssen. Das Geld hätte ich gerne sinnvoller für die Betroffenen verwendet. Erinnern wir uns an die riesigen Lagerhallen in Euskirchen, in denen tagelang viele Helfer versucht haben, Ordnung in das Chaos zu bringen und an die verzweifelten Aufrufe, doch nicht alle ins Ahrtal zu fahren.
Auch jetzt brechen manche Menschen in Privatinitiative auf, um Hilfsmittel zur ukrainischen Grenze zu bringen.
Ja, ich weiß, das DRK ist ja in den Grenzgebieten tätig und wir arbeiten auch eng mit dem Roten Kreuz in der Ukraine und Polen zusammen. Es wird berichtet von Pkw-Schlangen, die sich Richtung Grenze bewegen. Gesammelte Materialien werden teilweise am Straßenrand abgeladen, die Straßen sind überfüllt, die Zufahrtswege verstopft. Die Fahrzeuge müssen tanken, die Menschen, die dort hinfahren, müssen ja auch irgendwo übernachten, denn bis ins Grenzgebiet zur Ukraine sind es circa 1400 Kilometer. Das ist in einem Tag nicht zu schaffen. Außerdem ist ja kaum jemand ortskundig. Wer weiß denn überhaupt, wo er genau hin möchte und wer die Sachspenden annehmen kann, geschweige denn, was genau fehlt. Ein umfangreicher Hilfstransport des DRK bringt gerade 88 Tonnen dringend benötigte und angeforderte Hilfsgüter ins Grenzgebiet.
Ist es sinnvoll, Abholservices anzubieten, um Flüchtende an der Grenze abzuholen?
Die Bundesregierung ist in Abstimmung mit den Ländern dabei, ein Verteilersystem zu installieren, um die Menschen geordnet in unseren Kommunen unterzubringen. Ich stehe in engem Kontakt mit zahlreichen Bürgermeistern des Kreises, und es ergibt sich für die Kommunen ein großes Problem daraus, dass sich plötzlich Geflüchtete bei den Stadtverwaltungen melden, die von Privatinitiativen mitgebracht werden. Wenn man die Menschen mitbringt, sollte man sich vorher darüber im Klaren sein, wo sie wohnen können.
Bei den Vorbereitungen in Overath war von der Bedeutung der medizinischen Betreuung der Geflüchteten die Rede. Warum ist die wichtig?
Wir leben auch noch in einer Pandemie. Denken wir an Corona-Tests, und auch Impfen ist nach wie vor wichtig. Wenn man die Statistik anschaut, sind in der Ukraine maximal 35 Prozent der Bevölkerung gegen Corona geimpft und dann häufig auch nur mit dem russischen Impfstoff Sputnik. Viele Aktivitäten sind blinder Aktionismus und verursachen Mehrarbeit.
Wenn man privat helfen möchte: Was ist da am besten?
Wirklich sinnvoll ist es, mit Geldspenden zu unterstützen. Ja, ich weiß, manche Menschen glauben nicht daran, dass das Geld gut ankommt, aber es ist gerade anders, als in der Hochwassersituation. Da konnte das DRK vor Ort verteilen. Hier müssen Medikamente, medizinisches Material, Lebensmittel und vieles mehr zentral beschafft werden, die Güter sind aber vorher abgesprochen und beispielsweise von den Krankenhäusern in Kiew angefordert. Daher bitten wir alle darum, die Logistik vor Ort nicht weiter zu belasten.
Und was kann man stattdessen tun?
Es gibt so viele Möglichkeiten, hier nicht untätig rumzusitzen, sondern mit viel Phantasie Aktionen zu planen, um Spenden zu sammeln. Ob man Waffeln backt und verkauft, oder ein Fußballturnier veranstaltet, ob man einen Flohmarkt ins Leben ruft und den Erlös gesammelt überweist, man kann Konzerte organisieren und ich denke, hier wird es viele Ideen geben. Das stärkt den Zusammenhalt hier vor Ort, man kann stolz sein auf das Erreichte und man kann so ebenfalls zeigen, dass man gegen den Krieg ist.
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Was können Sie bei Einsätzen in Kriegs- und Krisengebieten anders machen als private Initiativen?
Das Rote Kreuz ist Dank der Neutralität, die in unserer Satzung steht, in der Lage, auch in Krisengebieten zu helfen, und das wird von allen Konfliktparteien auch so akzeptiert. Wir stellen medizinisches Personal, Behelfskrankenhäuser, und man darf mir hier ruhig vertrauen, ich weiß, das Geld kommt genau dort an, wo es am meisten gebraucht wird.