Warum Kinder Pornos teilenZwischen Überforderung, Angst und Rache
Rhein-Berg – Susanne Krämer ist bei der Kreispolizei im Kriminalkommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz tätig. Über die Verbreitung von Kinderpornografie durch Kinder und Jugendliche hat Guido Wagner mit der Kriminalhauptkommissarin gesprochen.
Was bringt Kinder und Jugendliche dazu, kinder- und jugendpornografische Bilder oder Videos zu tauschen beziehungsweise zu verbreiten?
Krämer: Bei jungen Menschen, die kinder- oder jugendpornografische Bilder verbreiten, sind die Beweggründe viel breiter gefächert, als bei erwachsenen Personen, die als verfestigte Sexualtäter agieren. Würde man beides „in einen Topf werfen“, würde man dem Phänomen nicht gerecht werden.
Was sind die Beweggründe bei Kindern und Jugendlichen, Kinderpornos zu verbreiten?
Ein Teil der jungen Tatverdächtigen sucht vielleicht altersbedingt provokantes oder sexuell anregendes „Material“, was dann mit anderen Gleichaltrigen geteilt wird. Ein anderer Teil kommt beispielsweise aus Rache auf die Idee, privat erhaltene intime Bilder einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen. Dann gibt es sicherlich auch Tatverdächtige, die ganz unbedarft und eher wahllos erhaltene Chatnachrichten auch mit verbotenen Inhalten in ihrer Peergroup weiterleiten, um einen „Spaßfaktor“ zu erleben.
Gibt es auch Kinder und Jugendliche, die solche Bilder unerwartet erhalten?
Sicherlich gibt es jüngere Personen, die dadurch zutiefst verunsichert werden und sie dann doch weiterleiten. Dann entspringt das Weiterleiten vielleicht der Überforderung und dem Wunsch, Hilfe zu erhalten, oder sich kompetenten Reaktionen eines Freundes oder Freundin einfach anschließen zu können.
Wie hoch ist Ihre Aufklärungsquote, wenn ein Fall von Verbreitung von Kinderpornografie angezeigt wird?
Im Vergangenen Jahr lag die Aufklärungsquote bei 96,8 Prozent.
Was erleiden die auf den Bildern oder Videos abgebildeten Opfer?
Der Kontakt zu Opfern von Sexualdelikten steht häufig nicht im direkten Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen Kinderpornografie. Da es sich bei diesen Bildern und Videos überwiegend um „Tauschmaterial“ handelt, ist die Verknüpfung zu den abgebildeten Tathandlungen meistens verschleiert und muss aufwendig ermittelt werden, zum Beispiel mit Schul- und Öffentlichkeitsfahndungen.
Allein die Existenz von nicht mehr kontrollierbaren Nacktbildern von sich selbst in Netzwerken oder im Internet dürfte aber doch extrem belastend sein, oder?
Im Opferschutz höre ich oft von Betroffenen einer Sexualstraftat, dass aufgenommene Tatbilder oder -filme als extrem belastend empfunden werden. Das erhöht noch einmal den Schamfaktor und erzeugt im schlimmsten Fall lebenslänglich die Angst, im sozialen Umfeld bloßgestellt, von Familie oder Freunden wiedererkannt, oder schlicht „endlos“ mit eigenen traumatischen Erlebnissen konfrontiert zu werden. Ähnliches gilt natürlich für abgebildete Minderjährige, die in gutem Glauben „Selfies“ an Freunde verschickt haben, und dann von ihnen bloßgestellt wurden.
Was raten Sie Opfern solcher Straftaten, von denen Nacktfotos verbreitet wurden?
Die strafbaren Inhalte zu melden und eine Strafanzeige zu erstatten. Hierzu sollte Datum, Uhrzeit und Quelle (Internetlink
oder Versender-ID und Fundort) notiert und dies der Polizei mitgeteilt werden. Die parallele Meldung an den Seiten- oder Dienstbetreiber ist notwendig,
um eine inhaltliche Löschung und Sperrung der Herkunftsperson zu veranlassen. Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sind die Betreiber verpflichtet, strafbare Inhalte zu löschen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Welche Hilfsangebote gibt es für Menschen, von denen gegen ihren Willen Nacktfotos oder -filme verbreitet wurden?
Das Hilfetelefon sexueller Missbrauch ist kostenfrei und anonym unter 0800-2 25 55 30 oder per E-Mail an beratung@ hilfetelefon-missbrauch.de zu erreichen.
Zudem hat der Arbeitskreis gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Rheinisch-Bergischen Kreis ein Faltblatt mit einer Vielzahl von Kontaktstellen zusammengestellt, das vom Kinderschutzbund (0 22 02/3 99 24) über die Mädchenberatungsstelle des Vereins Frauen helfen Frauen (0 22 02/ 9 89 11 55) bis hin zu den Jugendämtern und dem Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz (0 22 02/205-430 bis -434) reicht.