Tag des KriminalitätsopfersKinderpornos auf Rhein-Bergs Schulhöfen
Rhein-Berg – Kinderpornografische Bilder und Videos werden nicht allein von pädokriminellen Erwachsenen über dubiose Plattformen im Internet verteilt: Jeder dritte 2021 im Kreis ermittelte Tatverdächtige war ein Kind oder Jugendlicher.
Unter den 96 Tatverdächtigen, die im vergangenen Jahr im Rheinisch-Bergischen Kreis wegen der Verbreitung von Kinderpornografie ermittelt wurden, waren 14 Kinder unter 14 Jahren, 18 Jugendliche und neun Heranwachsende (bis 21 Jahre). Tendenz: stark steigend. Mehr als 80 Prozent der Tatverdächtigen sind laut Polizeistatistik männlich.
„Dabei hat nicht jeder Tatverdächtige primär ein sexuelles Interesse an Kindern und Jugendlichen“, erläutert Kriminalhauptkommissarin Karin Winnemöller, die bei der Kreispolizei die mit Ermittlungen zu Kinderpornografie befasste Einsatzgruppe „Direkt“ leitet. „Eine Vielzahl der Tatverdächtigen sind nicht pädophil, suchen aber den Reiz an solchen Bildern oder sind neugierig.“
Kinderpornografisches Material finden die Ermittler in einer Vielzahl von Internetforen oder Messenger-Diensten. Über diese werde sexualisierte Gewalt gegen Kinder verbreitet oder geteilt, sie dienen Pädokriminellen laut Polizei aber auch dazu, erste Kontakte zu Kindern zu knüpfen, um sie später dazu aufzufordern, Nacktfotos von sich zu schicken.
Kinderpornografie auch in Chats von Verkaufsplattformen
Snapchat, Instagram, Facebook und WhatsApp tauchten bei den Ermittlungen ebenso auf wie TikTok oder Kik. „Auch über augenscheinlich harmlose Verkaufsplattformen kann beispielsweise ein Anbieter von Waren plötzlich über einen Chat mit Darstellungen von Missbrauchshandlungen in Kontakt kommen“, weiß Karin Winnemöller.
Ein Faltblatt des Arbeitskreises gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Rheinisch-Bergischen Kreis gibt Infos zu Anlaufstellen und Hilfsangeboten und kann auch hier auf der Internetseite heruntergeladen werden.
Noch stärker in den Fokus der Ermittlungen gerückt worden ist die Verbreitung von Kinderpornografie durch den Missbrauchskomplex, der 2019 durch die Hausdurchsuchung bei einem Bergisch Gladbacher Familienvater aufgedeckt wurde. Zunächst hatte der 41-Jährige ausschließlich im Verdacht gestanden, Kinderpornografie zu besitzen.
Bundesweites Pädokriminellen-Netz, das in Gladbach enttarnt wurde
Dass er seine Tochter, seitdem sie ein Baby war, sexuell missbrauchte und selbst davon Bildmaterial anfertigte, darauf stießen die Ermittler erst nach Sichtung des bei dem Mann sichergestellten Datenmaterials. Anfangs ein „typisches Ermittlungsverfahren“, sagt Kriminalhauptkommissarin Winnemöller, aus dem sich ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß an sexualisierter Gewalt gegen Kinder in einem Netz Pädokrimineller weit über die Landesgrenzen hinaus ergab.
Was die Polizei Eltern und Kindern rät
Bilder bei der Polizei melden
Wenn Eltern oder ihre Kinder auf verdächtige kinderpornografische Bilder stoßen, rät Kriminalhauptkommissarin Susanne Krämer von der rheinisch-bergischen Kreispolizei:
■Im Internet oder Chats entdeckte kinderpornografische Bilder oder Videos auf keinen Fall teilen oder weitersenden.
■Ablehnung ausdrücken und beispielsweise in der Chatgruppe deutlich machen, dass jedes Versenden eine schwere Straftat ist.
■ Chat verlassen (= später nachvollziehbar)
■ Datum, Uhrzeit und Quelle (Internetlink oder Versender-ID und Fundort) notieren, dann löschen oder Gerät im Flugmodus sofort zur Polizei bringen oder Screenshot fertigen, ausdrucken, notfalls anonym als Brief bei der Polizei einwerfen.
■ Parallel: Inhalt melden über Meldefunktion oder den jeweiligen Seiten- oder Dienstbetreiber, in dem das kinderpornografische Material entdeckt wurde oder Internet-Beschwerdestelle (www.internet-beschwerdestelle.de) oder www.inhope.org oder www.jugendschutz.net oder das Hinweistelefon Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, 08 00-0 43 14 31. Kinder können sich alternativ auch an Lehrpersonal, gegebenenfalls ausgebildete Medienscouts an den Schulen oder Eltern wenden.
„Die sich daraus bildenden Erfahrungen führten dazu, die Strukturen der Polizei und die Ermittlungsarbeit zu überprüfen“, sagt Karin Winnemöller. Maßnahmenkonzepte zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie wurden erstellt, die einzelnen Kreispolizeibehörden mit deutlich mehr Personal für die Bekämpfung dieses Deliktsbereichs ausgestattet und auch die technischen Entwicklungen zur Sicherung und Auswertung der enormen Datenmengen ausgebaut. Bei der rheinisch-bergischen Kreispolizei wurde im November 2019 die „Ermittlungsgruppe Direkt“ eingerichtet, die sich in erster Linie mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder befasst.
Polizei: Hohe Dunkelziffer
„Unser Kommissariat Kriminalprävention und Opferschutz nimmt seit 2019 einen deutlichen Anstieg an Beratungsgesprächen wahr“, hat Karin Winnemöller festgestellt.
Im zurückliegenden Jahr gab es 162 Opferschutzberatungen bei Sexualdelikten. „Auch daran wird deutlich, dass die Bevölkerung sich mit dem Thema befasst und auch Handlungsbedarf erkennt“, so Kriminalhauptkommissarin Winnemöller.
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Trotzdem gehen die Ermittler weiterhin von einer hohen Dunkelziffer bei den Taten sexualisierter Gewalt gegen Kinder aus. 2018 sei geschätzt worden, dass die Dunkelziffer etwa achtmal höher sei als die entdeckten Straftaten in diesem Bereich, so Kriminalhauptkommissarin Winnemöller. Durch die ständige Steigerung der Ermittlungsverfahren in den vergangenen Jahren schöpfe die Polizei jedoch Hoffnung, dass die Dunkelziffer kleiner geworden sei, so die Leiterin der Ermittlungsgruppe Direkt.