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Rhein-Bergs Feuerwehren alarmiert„Wir haben einen Schlussstrich gezogen“

Lesezeit 8 Minuten
Feuerwehr und Rettungsdienst sind im Einsatz bei einem Unfall mit drei beteiligten Autos in Bergisch Gladbach-Moitzfeld.

Das Zusammenspiel von Rettern ist schon bei Unfällen wichtig, noch viel mehr im Katastrophenfall. Aufgrund von Veränderungen und einschlägigen Erfahrungen haben sich jetzt Rhein-Bergs Feuerwehren neu aufgestellt.

Der Vorstand des neu aufgestellten Kreisfeuerwehrverbandes spricht über Hintergründe, das Verhältnis zum Kreis und die Zukunft der Retter.

Von Krach zwischen Feuerwehren und Kreis möchte niemand sprechen. Gleichwohl hat sich der Feuerwehrverband des Rheinisch-Bergischen Kreises komplett neu aufgestellt. Über Hintergründe, Veränderungen und das Zusammenspiel mit der Kreisverwaltung sowie deren erneute Suche nach einem neuen Kreisbrandmeister sprechen der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbandes, Jörg Köhler (Bergisch Gladbach), und seine Stellvertreter Bastian Eltner (Rösrath), Andreas Hillecke (Leichlingen) und Frank Haag (Bergisch Gladbach) im Interview.

Der Vorstand des Kreisfeuerwehrverbandes Rhein-Berg steht in der Sonne in Leichlingen-Witzhelden beim Leistungsnachweis der Feuerwehren.

Führen den neu aufgestellten Kreisfeuerwehrverband Rhein-Berg: (v.l.): Bastian Eltener (Stv. Vorsitzender, Rösrath), Jörg Köhler (Vorsitzender, Bergisch Gladbach), Andreas Hillecke (Stv. Vorsitzender, Leichlingen) und Frank Haag (Stv. Vorsitzender, Bergisch Gladbach).

Was steckt denn hinter der Neuaufstellung des Kreisfeuerwehrverbandes, dem ja nun nicht mehr der Kreisbrandmeister vorsteht, sondern ein Vorstand aus Vertretern mehrerer Feuerwehren im Kreis?

Köhler: Früher war es in der Tat so, dass der Kreisbrandmeister zugleich auch Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes war. Schon 2018 aber, als noch Wolfgang Weiden Kreisbrandmeister war, haben wir die Satzung so geändert, dass der Kreisbrandmeister nicht mehr zwangsläufig Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes sein muss.

Damit die Feuerwehren, wenn sie lieber einen anderen als Vorsitzenden ihres Kreisfeuerwehrverbandes haben wollten, frei waren in der Wahl?

Köhler: Klar, das spielte auch eine Rolle.

Eltner: Umgekehrt gab es auch einem Kreisbrandmeister die Möglichkeit, nicht Vorsitzender werden zu müssen, wenn er das nicht wollte.

Okay, also erst mal alles nur Möglichkeiten. Dann aber gab's nach der Verabschiedung von Wolfgang Weiden in den Ruhestand erstmals einen Kreisbrandmeister, der nicht woanders arbeitete und für den Teil seiner Arbeit als Kreisbrandmeister freigestellt wurde, sondern einen, der direkt beim Kreis angestellt war . . .

Köhler: Genau, und der steht natürlich als angestellter Beamter noch mehr als ein Ehrenbeamter in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Landrat . . .

. . . und ist gegebenenfalls dann nicht mehr so frei, die Interessen der Feuerwehren gegenüber dem Landrat zu vertreten?

Köhler: Richtig, das hat aber auch schon der vorherige Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden so gesehen. Er hatte sich ja sinnvollerweise auch dafür eingesetzt, dass der Kreisbrandmeister angesichts des enorm gestiegenen Arbeitspensums beim Kreis angestellt wurde. Dann aber kann er von seiner Funktion her einen solchen Verband der Feuerwehren im Kreis nicht mehr führen.

Warum nicht?

Köhler: Es kommt zwangsläufig zu einem Interessenskonflikt, wenn der Kreisbrandmeister auf der einen Seite den Landrat bei seiner Aufsicht über die Feuerwehren unterstützen muss und auf der anderen Seite die nicht immer deckungsgleichen Interessen der Feuerwehren vertreten soll.

Wenn man ihn – wie im Fall von Martin Müller-Saidowski erfolgt – mit seiner Stabsstelle unter zwei Amtsleitern relativ niedrig in der Hierarchie der Kreisverwaltung ansiedelt?

Haag: Da waren sich auch alle Feuerwehren inklusive des ehemaligen Kreisbrandmeisters Wolfgang Weiden einig, der nach dem Wechsel in den Ruhestand bis zu den Neuwahlen im Verband ja noch einige Zeit Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes war.

Rhein-Bergs Ex-Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden sitzt am tisch im Wohnzimmer seines Wohnhauses in Odenthal-Eikamp.

War bis 2022 Kreisbrandmeister des Rheinisch-Bergischen Kreises und bis 2023 Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes: Wolfgang Weiden.

Köhler: Man kann sich das ja auch ganz leicht in der Praxis ausmalen: Der Landrat bzw. die Vorgesetzten entscheiden etwas in ihrer Zuständigkeit und beauftragen den Kreisbrandmeister mit der Umsetzung. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Feuerwehren oder die Kommunen dazu gegebenenfalls eine andere Vorstellung haben. Dann gibt es schon diesen Konflikt, in dem der Kreisbrandmeister stünde, wenn er zugleich Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes wäre. Er kann nicht zwei Interessen zeitgleich vertreten.

Eltner: Für uns war früher mal der ehrenamtliche Kreisbrandmeister so etwas wie der Klassensprecher. In der Praxis wurde er aus den Reihen der Feuerwehren dem Landrat vorgeschlagen. Jetzt wählt der Kreis im Rahmen eines offiziellen Stellenbesetzungsverfahrens eine für ihn geeignete Person aus und schlägt, wie es formal auch richtig ist, diese den Feuerwehren im Rahmen einer Anhörung vor. Es gibt somit keine Alternative und auch faktisch keine Möglichkeit der Ablehnung. Der Kreisbrandmeister ist somit der Kreisbrandmeister des Kreises und nicht der Interessenvertreter der Feuerwehren.

Hillecke: Daher ist dann die Idee entstanden, den Kreisfeuerwehrverband so auszurichten, dass der Vorsitzende nicht in irgendeinem Dienstverhältnis zur Kreisverwaltung steht.

Köhler: Deshalb haben wir auch versucht, den Vorstand so aufzustellen, dass in ihm alle Feuerwehren vertreten sind und er entsprechend für alle sprechen kann. Das alles ist aber bereits organisiert worden, bevor klar war, dass der Kreisbrandmeister zu einer anderen Behörde wechselt.

. . . er die Brocken hinwirft und zur Bezirksregierung nach Köln geht.

Köhler: Das haben Sie gesagt.

Klar, offiziell wünscht man ihm alles Gute für die neue Aufgabe, in die er nach nicht mal zweieinhalb Jahren als Kreisbrandmeister wechselt.

Köhler: Selbstverständlich, sein Weggang hat auch uns überrascht.

Kreisbrandmeister Martin Müller-Saidowski bei einem Brand in Overath-Busch.

Der aktuelle Kreisbrandmeister Martin Müller-Saidowski (seit 2022) wechselt im Herbst 2023 zur Bezirksregierung.

Was halten Sie denn davon, dass der Kreisbrandmeister, der den Landrat ja in Aufsichtsfragen über die Feuerwehren beraten soll, so tief in der Kreishaushierarchie angesiedelt ist?

Köhler: Da mischen wir uns nicht ein, weil es interne Organisationsangelegenheiten des Kreises sind . . .

Haag: . . . wir sind allerdings auch in keiner Weise vorher gefragt oder informiert worden.

Eltner: Der Kreisbrandmeister muss natürlich in solch einer Einordnung das tun, was seine beiden vorgesetzten Amtsleiter oder die Dezernentin wollen, aber er selbst nicht mitentscheiden kann.

Und funktioniert das?

Haag: (zieht die Augenbrauen hoch)

Eltner: . . . und wie soll das dann erst in Krise und Katastrophe funktionieren . . .

Wie würden Sie denn das Verhältnis der Feuerwehren zur Kreisverwaltung grundsätzlich beschreiben?

Eltner: In den vergangenen 20 Jahren haben wir immer wieder gehört: Es gibt ein Gespräch mit dem Landrat, und es wird alles besser. Da kommt ein neuer Mitarbeiter, da wird dieses oder jenes umgestellt. Das hat alles unsere Zeit im Ehrenamt gefressen, aber was uns angeht, scheint das im Kreishaus niemanden interessiert zu haben. So haben wir mit der Neuaufstellung nun auch einen Schlussstrich gezogen und gesagt: Alles klar, es geht uns nichts an, Ihr werdet schon die richtige Entscheidung treffen.

Das klingt ziemlich frustriert.

Haag: Das ist einfach die Erfahrung. Bei der Auswahl des jetzt scheidenden Kreisbrandmeisters sind wir ja auf unsere Nachfrage hin in der Auswahlkommission vertreten gewesen. Aber alles, was wir gesagt haben, was wir strukturell eingebracht haben, was aus unserer Sicht wichtig wäre bei dieser Stelle, scheint eigentlich niemanden interessiert zu haben.

Wie sieht denn die Zusammenarbeit im Einsatz aus? Beispielsweise bei einem Unfall mit vielen Verletzten?

Köhler: Grundsätzlich ist es im Gesetz geregelt, dass die Allgefahrenzuständigkeit bei einem Einsatz unterhalb der Katastrophe bei der örtlich zuständigen Feuerwehr liegt und nicht beim Kreis oder beispielsweise beim Rettungsdienst. Nur die Feuerwehr, also auch der Kreisbrandmeister, ist dafür ausgebildet, alle Gefahren einer Einsatzstelle zu überblicken und auch zu bekämpfen.

Dann ist das doch klar geregelt.

Köhler: Theoretisch schon. In der Praxis gibt es da aber durchaus schon mal Unstimmigkeiten.

Rettungswagen und Feuerwehrfahrzeug stehen in Bergisch Gladbach-Heidkamp vor dem Berufskolleg Kaufmännische Schulen.

Bei Großeinsätzen von Feuerwehr und Rettungsdienst wie hier nach Austritt eines gefährlichen Stoffs im Treppenhaus des Berufskollegs Kaufmännische Schulen in Bergisch Gladbach Ende August 2023, müssen Feuerwehr und andere Retter eng zusammenarbeiten.

Und dass der Kreisfeuerwehrverband die Kreisausbildung abgegeben hat, war kein Ausdruck von „Krach in der Blaulichtfamilie“?

Haag: Nein, keineswegs, das war sowieso geplant. Wir geben da nichts aus Protest zurück.

Köhler: Das ist schon vor zwei Jahren mit dem Kreisbrandmeister so vereinbart worden.

Eltner: Organisatorisch hatte der neue Kreisbrandmeister Martin Müller-Saidowski die Kreisausbildung auch selbst schon zurück ins Kreishaus geholt.

Haag: Das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz, das sogenannte BHKG, regelt ganz klar: Die Grundausbildung ist Sache der Kommunen, die Kreisausbildung, also die Ausbildung zu Atemschutzträgern, Maschinist, Brandmeistervorbereitung, Funk und ABC, ist Aufgabe des Landkreises – und nicht irgendeines Verbandes.

Welche Aufgaben übernimmt der Verband?

Hillecke: Wir vertreten und sprechen für die Feuerwehren und organisieren beispielsweise das Kreisjugendfeuerwehrzeltlager, den Leistungsnachweis der Feuerwehren und versuchen dort die Lücken zu schließen, zum Beispiel bei der Gruppenleiterausbildung in der Jugendfeuerwehr.

Siegerehrung beim Leistungsnachweis der Feuerwehren in Leichlingen-Witzhelden.

Auch den Leistungsnachweis der Feuerwehren wie hier jüngst in Leichlingen-Witzhelden organisiert der Kreisfeuerwehrverband.

Nach der Berichterstattung über den Weggang von Martin Müller-Saidowski haben sich auch Feuerwehrleute gemeldet, die bedauert haben, dass es keine Kreiseinheit mehr für Psycho-Soziale Unterstützung der Feuerwehrleute etwa nach belastenden Einsätzen gibt. Warum nicht?

Köhler: Das war eine Einheit, die der vorige Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden im Rahmen des Kreisfeuerwehrverbandes gegründet hatte, die aber der Führung des Kreises unterstellt war. Nach der Trennung von Kreisbrandmeister und Vorsitz des Kreisfeuerwehrverbandes wurden die vorhandenen Strukturen noch mal überprüft und festgestellt: Das ist nicht Aufgabe des Verbandes. Im Kreisfeuerwehrverband kann man einfach keine operativen Einheiten führen. Wir können höchstens Arbeitskreise gründen, in denen man sich austauscht, wie zum Beispiel der Arbeitskreis der Pressesprecher.

Wäre das dann denn nicht auch für die Psycho-Soziale Unterstützung denkbar?

Köhler: Als Arbeitskreis . . . so ist der Plan. Die sind dann nicht operativ als Einheit unterwegs.

Hillecke: PSU ist eben grundsätzlich auf der Ebene der Kommunen angesiedelt. Jede Stadt und Gemeinde hat in ihrer Feuerwehr solche PSU-ler, das leitet sich schon aus dem Arbeitsschutz ab. Wir können als Kreisfeuerwehrverband gegebenenfalls nur den Austausch in einem Arbeitskreis fördern.

Wie geht's denn jetzt weiter? Aktuell ist ja wieder ein neuer Kreisbrandmeister einzustellen, wenn Martin Müller-Saidowski zur Bezirksregierung wechselt.

Köhler: Man muss sich anpassen. Das braucht seine Zeit, auch bei der Trennung von Kreisfeuerwehrverband und Kreisbrandmeister.

Das heißt keine Mitsprache bei dem neuen Kreisbrandmeister?

Köhler: Das ist nicht unsere Zuständigkeit und wir wurden bisher auch nicht beteiligt. Die Leitungen der Feuerwehren werden formal im Verfahren angehört, wenn der Kreis sich für eine geeignete Person entschieden hat. Letztlich entscheidet dann der Kreistag über die Besetzung.

Wer wird denn neuer Kreisbrandmeister werden?

Haag: Das ist Sache des Kreises. Wir haben die Ausschreibung durch Zufall im Internet gefunden.

Hillecke: Es sollen sich mehrere beworben haben.

Eltner: Wir werden sehen.

Köhler: Was uns bei einem Kreisbrandmeister wichtig ist, haben wir beim letzten Verfahren schon deutlich gesagt. Daran hat sich nichts geändert.