Über Jahre stand ein Rösrather im Verdacht, das Jobcenter betrogen zu haben. Er selbst beteuerte, das Amt über seine Existenzgründung informiert zu haben.
ProzessRösrather von angeblichem Sozialbetrug freigesprochen
Jahrelang hat ein 44 Jahre alter Familienvater unter dem Damoklesschwert leben müssen, als Sozial-Betrüger verurteilte zu werden. Jetzt endlich wurde das Verfahren gegen ihn gegen 300 Euro Buße eingestellt. Dem mittlerweile gescheiterten Existenzgründer war vorgeworfen worden, 2017 und 2018 zu Unrecht Hartz IV bezogen und das Jobcenter nicht über seinen Schritt in die Selbstständigkeit informiert zu haben. Dagegen versicherte Ahmed G. (Name geändert) stets: „Ich habe das Amt informiert.“
Unter der Überschrift „Behörden-Chaos oder Betrug?“ berichtete diese Zeitung am 19. Mai 2021 erstmals über den Fall. Das Jobcenter hatte Ahmed G. wegen Betrugs angezeigt, da er zu Unrecht 13.220,46 Euro Stütze kassiert habe. Das Geld sei zwischen dem 1. August 2017 und dem 30. Juni 2018 geflossen, obwohl er sich mit einem Reinigungsunternehmen selbstständig gemacht habe.
Dagegen gab Ahmed G. bereits damals an, dass er seinem Arbeitsberater die frohe Kunde von der Gründung mitgeteilt habe. Er habe geglaubt, das Geld werde quasi als Starthilfe anfangs weitergezahlt. Später werde das Amt dann abrechnen. Sein Verteidiger Christoph Willberg wies damals auf einen entlastenden Vermerk des ermittelnden Hauptzollamtes hin, wonach sich G. zwar nicht gegenüber der Leistungsabteilung, wohl aber gegenüber seinem Arbeitsvermittler geäußert habe.
Der damals noch zuständige Richter Reinhard Bohn beschloss, den Arbeitsberater als Zeugen vorzuladen. Doch einmal war der Mann krank, ein weiteres Mal verhindert und teilte stattdessen schriftlich mit, dass er ohnehin nur einen einzigen Tag zuständig gewesen sei. Beim jetzt vierten (!) Prozesstermin in der Sache sagte stattdessen eine leitende Mitarbeiterin des Jobcenters aus.
Bergisch Gladbach: Personelle Engpässe am Strandort
Und diese räumte ein, dass es damals erhebliche personelle Engpässe an dem Standort gegeben habe und die Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen des Jobcenters nicht richtig funktioniert habe. Überhaupt in Gang gekommen sei das Verfahren gegen G. nach einem Hinweis von Bonner Jobcenter-Kollegen. Die hatten sich darüber gewundert, dass einer ihrer Kunden einen Kunden der Rhein-Berger als Arbeitgeber angegeben habe.
In der jüngsten Verhandlung in Bensberg wirkte der aus Bonn angereiste Verteidiger Willberg etwas entnervt: Die Fahrt zum Gericht mit dem Schloss im Hintergrund sei ja sehr schön, aber irgendwann müsse es auch einmal gut sein. Das sah Richterin Daldrup, die den Fall von ihrem pensionierten Kollegen übernommen hat, am Ende genauso: „Die ganze Sache ist schief und krumm an allen Seiten.“ Einerseits hätte von der Behörde ein „Impuls“ Richtung G. ausgehen müssen, andererseits hätte auch er einen stärkeren Mitteilungsdrang haben müssen.
Verteidiger: Jahrelanges Verfahren wäre vermeidbar gewesen
Das überzahlte Geld hat G. zum Teil bereits zurückgezahlt, den Rest wird sich die Behörde auch noch holen. Wenn der nach einem Bandscheibenvorfall erneut in sehr angespannten finanziellen Verhältnissen lebende Familienvater nun noch 300 Euro an die Multiple-Sklerose-Gesellschaft NRW zahlt, werden die Aktendeckel bei der Strafjustiz endgültig zugeklappt.
Nach Ansicht von Verteidiger Willberg wäre das ganze jahrelange Strafverfahren vermeidbar gewesen. Springender Punkt sei die Praxis der überlasteten Jobcenter, bei Rückforderungen sofort Anzeige zu erstatten, ohne erst einmal zu checken, ob intern etwas schiefgelaufen sei.