Nach einem Übergriff auf Overather Jugendliche im Mai 2023 ist ein junger Rösrather in Haft genommen worden. Jetzt hat der Prozess begonnen.
ProzessRösrather sitzt seit sechs Monaten als Schläger in U-Haft – Verteidiger kritisiert Polizei
Von einer Gruppe junger Schläger am Rösrather Bahnhof übel zugerichtet wurden zwei Overather Jugendliche, als sie nach dem Besuch eines Handballspiels in Gummersbach aus der Oberbergischen Bahn in den Bus wechseln wollten. Knapp sechs Monate später muss sich jetzt ein inzwischen 21 Jahre alt gewordener Rösrather wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Jugendschöffengericht verantworten. Er sitzt wegen der Sache schon seit fast sechs Monaten in U-Haft – zu Unrecht?
Der Bergisch Gladbacher Strafverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode ist bekannt dafür, dass er vor Gericht lieber mit dem Florett als mit der Keule kämpft. Das tut er auch dieses Mal, und doch setzt er ein dickes Fragezeichen hinter die Ermittlungsarbeit der Polizei: Dass womöglich die wahren Schläger, als sie sich der Polizei stellen wollten, von den Beamten wieder weggeschickt worden seien, das sei ihm in seiner jahrzehntelangen Praxis auch noch nicht untergekommen, sagt er.
Jugendliche auf Rückweg von Handball-Spiel in Gummersbach
Aber war das wirklich so? Die Fakten: Am 26. Mai vergangenen Jahres steigen fünf junge Leute zwischen 16 und 18 Jahren gegen 22.15 Uhr am Rösrather Bahnhof aus und wollen durch die Bahnunterführung zum Bus wechseln, der sie weiter ins Overather Sülztal bringen soll. Im Prozess sagen alle fünf, von ihren im Zuschauerraum sitzenden Eltern oder Großeltern ins Gericht begleitet, aus: Dass sie gut gelaunt und betrunken gewesen seien und auf dem Weg zum Bus auch ein oder zwei leere Flaschen ins Gebüsch geworfen hätten.
In der Unterführung treffen sie auf eine größere Gruppe älterer Jugendlicher. Es kommt zum Wortwechsel und dann zum Gewaltausbruch: Der groß gewachsene Overather Max B. (Namen geändert) wird mit Schlägen attackiert und geht zu Boden.
Opfer sucht Täter auf Instagram
Er gibt weitere Schläge und Tritte, er erleidet unter anderem einen doppelten Nasenbeinbruch. Einer der Begleiter wird ebenfalls verletzt, zwei weitere Jungs und ein Mädchen kommen mit dem Schrecken davon. Hilferufe machen Erwachsene aufmerksam, die Tätergruppe flüchtet.
Nach dem Übergriff stellt Max B. eigene Recherchen an. Auf „Instagram“ meint er Ahmed A. als Schläger wiederzuerkennen: roter Trainingsanzug, weiße Kappe, bestimmte Tasche, bestimmte Bartform – passt. Ahmed A., gerade erst wieder einmal verurteilt, wandert in U-Haft. Die Beteuerung, er sei an dem Abend gar nicht am Tatort gewesen, wird ihm nicht geglaubt.
Polizei soll wahre Schläger angeblich weggeschickt haben
Auch sein guter Freund Mahmut E. kann ihm zunächst nicht helfen. Dieser gibt vor Gericht an, er habe die wahren Schläger angesprochen und an sie appelliert: Es könne doch nicht sein, dass ein Unschuldiger für sie in Haft sitze. Ein Teil der Schlägertruppe sei schließlich zur Polizei gegangen, um sich zu stellen, doch die Beamten hätten sie weggeschickt: Wenn sie etwas aussagen wollten, sollten sie mit ihren Eltern wiederkommen.
In der Gerichtsverhandlung sagt der Verteidiger vor ungewöhnlich viel Publikum – Angehörige der Opfer und deren Freunde -, dass sein Mandant moralisch gesehen durchaus nicht falsch in der JVA sitze und dort auch viel Zeit gehabt habe, über sich nachzudenken. Aber, an den jungen Angeklagten gewandt: „Für diese Sache gehörst du nicht in U-Haft!“
Bode kritisiert zudem, dass die Polizei das ursprüngliche Instagram-Video, auf dem Max B. Ahmed A. erkannt zu haben glaubt, nicht gesichert habe: „Es findet sich nichts in den Akten.“ Auch habe niemand sonst aus der Opfergruppe seinen Mandanten identifiziert.
Was eine mögliche Entlassung seines Mandaten aus der Haft anging, zeigt sich Bode am Ende des ersten Prozesstages gleichwohl pragmatisch: „Er sitzt jetzt seit sechs Monaten, da kommt es jetzt auf vier Tage auch nicht mehr an.“
Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. Dann sollen die Personen, die sich angeblich als die wahren Täter bekennen wollten, aussagen — und die ermittelnden Polizeibeamten.