Sommertour der RedaktionFernweh und Pferdestärken – Eschbachtalsperre bis Weiden
Rhein-Berg – Elli zieht das Dreifache ihres Körpergewichts. Allerhand. Schließlich bringt die Elfjährige stattliche 860 Kilogramm auf die Waage. Als wir wenige Minuten zuvor an der Raststätte Remscheid – diesmal zu zweit – zur dritten Etappe unserer Redaktionssommertour gestartet sind, ahnten wir noch nicht, welche gewaltige Begegnung wir kurz darauf im Wald machen würden.
Erstmal rauscht es gewaltig, als wir aus dem Auto steigen, leider nicht von Wasserfällen oder Meereswogen, sondern vom Verkehr, der auf der Autobahn 1 an der Raststätte vorbeirauscht, die heute unser Ausgangspunkt ist. Die Rastanlage heißt zwar Remscheid, die Tankstelle und das Gros der Rastanlage jedoch liegt auf Wermelskirchener Stadtgebiet.
Erst als wir zur oberen Ebene hinaufsteigen, passieren wir wohl irgendwo die Kreisgrenze. Unsichtbar. Das Hotel auf der Anhöhe jedenfalls hat bereits eine Remscheider Adresse. Und bietet „hinten raus“ einen tollen Blick auf Deutschlands älteste Trinkwassertalsperre.
In drei Kilometern um die Talsperre
Die Eröffnung der Eschbachtalsperre wurde 1891 als wahre Pionierleistung gefeiert, zumal die vom Aachener Wasserbauingenieur Otto Intze geplante gebogene Gewichtsstaumauer damals eine Innovation war – und rasch zum Ausflugsziel avancierte. Prinz Friedrich Leopold von Preußen besuchte die 1,1 Millionen Kubikmeter fassende Eschbachtalsperre am 15. Juli 1897. Zwei Jahre später fand auch Kaiser Wilhelm II. vor Ort lobende Worte für das Bauwerk.
Wir sind nicht die einzigen, die die Raststätte als Ausgangspunkt für eine Wanderung angesteuert haben. Auch Petra und Ingo Heinze aus Remscheid kommen des Öfteren hierher, um eine Runde um die Talsperre zu drehen. Oder auch zwei. „Das sind ja nur drei Kilometer, da ist man flott rum“, sagt sie. Heute allerdings warten die beiden am dem Parkplatz auf ihre Tochter. Die ist mit ihrer Familie auf dem Weg in den Urlaub auf der Nordseeinsel Föhr und will den Eltern an der Raststätte noch rasch den Schlüssel fürs Haus in Pulheim übergeben, damit sie dort während des Familienurlaubs nach dem Rechten schauen können.
Mit dem Rückepferd durch den Wald
Petra und Ingo Heinze freuen sich, auch Enkelin Greta noch einen schönen Urlaub wünschen zu können, bevor Tochter Tanja mit dem Auto wieder auf die A1 in Richtung Norden steuert. Ihr Mann wird direkt von Dreharbeiten in den Niederlanden an den Urlaubsort nachkommen. Die Großeltern winken Tochter und Enkelin und wünschen auch uns eine gute Tour.
Die sollen wir wohl haben, zumal es gerade aufgehört hat zu regnen. Von der Raststätte, die sogar über eine eigene Bushaltestelle verfügt, geht’s gleich in den Wald, wo uns nach wenigen Metern Elli entgegenkommt. Im Schlepp hat die gewichtige Kaltblüterdame Olav Stracke, der sich mit seinen Vierbeinern seit 26 Jahren aufs Transportieren von gefällten Baumstämmen spezialisiert hat.
Die Etappe
Start: Raststätte Remscheid, A1, Fahrtrichtung Dortmund
Ziel: Kürten-Weiden
Länge: 17 km, ca. 6 Std.
Profil: Immer wieder auf und ab von der A1-Raststätte an der Eschbachtalsperre über Wermelskirchen, Eifgen, Dhünn und Talsperre nach Kürten-Weiden. Gesamtsteigung ca. 350 Höhenmeter
Rückfahrt: Von Kürten-Weiden mit Bus 427 nach Bergisch Gladbach S-Bahnhof, mit Bus 430 Rtg. Burscheid bis Sträßchen, dort umsteigen in den Bus 260 Rtg. Friedrich-Ebert-Platz bis Preyersmühle, Wermelskirchen und weiter mit Bus 673 bis Talsperre/Raststätte (www.vrs.de).
GPS-Daten: https://out.ac/IZmgjT
Die Technischen Betriebe Remscheid (TBR), denen der Wald an der Eschbachtalsperre gehöre, setzten schon lange auf die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung mit Pferdestärkentransport. Denn anders als schwere Maschinen verdichte Elli den Boden nicht. Und schone geschützte Bodendenkmäler „wie den historischen Hohlweg da drüben“, erklärt Stracke und schwenkt mit seinem Rückepferd in den frisch durchforsteten Buchenbestand. Seine Vierbeinerin und er verstehen sich fast blind. Zielsicher steuert Elli mehrere gefällte und abgelängte Baumstämme an, bleibt daneben stehen. Olav Stracke befestigt die Ketten von Ellis Zuggeschirr an zwei Stämmen. Dann zieht Elli an und bringt das Holz den Berg hinunter zur nächsten Rückegasse, an der Waldmaschinen es abholen.
Auf versteckten Pfaden an der Dhünn-Talsperre
Weiter geht’s, aus dem Wald hinaus, entlang üppig blühender Feldraine, durch die Siedlungsausläufer von Wermelskirchen und hinab ins idyllische Eifgenbachtal. Still und scheinbar vergessen liegt der Freibadpark Eifgen da, die Bewohner der alten Hausmeisterwohnung und der Schmied am Gelände machen sich allerdings Sorgen. Die Stadt Wermelskirchen will das Areal verkaufen und etwas Neues dort entstehen lassen. Willi Schmitz, ehemaliger Leichtathletik-Trainer, sagt: „Hier ist seit 30 Jahren nichts mehr gemacht worden, dabei bräuchte es nicht viel. Die Becken säubern und füllen, ein Kiosk – dann wäre das hier ein schönes Fleckchen.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Der Weg führt weiter, noch ein Stück durch das Eifgenbachtal und dann durch kleine Ortschaften, wie die mit dem skurrilen Namen Habenichts.
Den darf man wörtlich nehmen, denn wenn in der Großen Dhünn-Talsperre Wassernot herrschen würde, gäbe es hier die Möglichkeit, über eine Fernleitung Wasser vom Aggerverband aus der Wiehltalsperre zu erhalten.
Immer wieder sind es versteckte Pfade, die weiterführen. In Dhünn wäre der perfekte Ort für eine Einkehr – wenn nicht in der Mittagszeit von der Bäckerei bis zum Restaurant vis-à-vis der Kirche alles geschlossen hätte.
So geht’s weiter auf einen der schönsten Abschnitte des 240 Kilometer langen Bergischen Panoramasteigs über die Vorsperren Kleine Dhünn und Große Dhünn der Großen Dhünn-Talsperre – mit herrlichen Ausblicken über das Wasser und eine unsichtbare Grenze, die heute unter Wasser steht. Aber das ist eine andere Geschichte dieser Sommertour...
Am nächsten Wochenende geht es auf der vierten Sommertour-Etappe von Kürten-Weiden nach Odenthal-Altenberg.