Vom Feuerwehrchef bis zur Unternehmerin erinnern sich bekannte Menschen aus Rhein-Berg an ihre Horror-Zeugnisse und was daraus wurde.
ZeugnisseDas sind die schlechtesten Noten bekannter Menschen aus Rhein-Berg
In diesen Tagen gibt es Zeugnisse: Bekannte Menschen aus Rhein-Berg erzählen von ihren schlechtesten Noten – und wie sie sie im Leben noch weit nach vorne gebracht haben.
DRK-Chefin: „Nur mein Lateinlehrer durchschaute das Spiel“
„Mein Lateinlehrer war der einzige, der das Spiel durchschaut hat“, erinnert sich die Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes in Rhein-Berg, Ingeborg Schmidt. Nach der Grundschule war sie aufs Rösrather Freiherr-vom-Stein-Gymnasium gewechselt. „Ich sollte unbedingt Abi machen“, erinnert sich die 68-Jährige an den elterlichen Wunsch. „Dabei war mir schon seitdem ich mit neun Jahren am Blinddarm operiert worden war, klar: Ich will Krankenschwester werden.“
Der lange Weg übers Abitur schien da nur ein Umweg. Also schrieb die junge Ingeborg Scheuer, wie sie damals noch hieß, schlechte Noten. „So habe ich das Gymnasium mit der Mittleren Reife verlassen können – um eine Ausbildung anzufangen, wie mir mein Lehrer Gert Rustemeyer noch aufs Abschlusszeugnis geschrieben hat.“ Eine Fünf in Englisch, Vieren in Mathe, Physik und Französisch – das Zeugnis hatte es in sich.
„Im Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach habe ich dann ein Küchenpraktikum gemacht und erhielt mit 17 Jahren eine Sondererlaubnis, um vorzeitig eine Ausbildung zur Krankenschwester im Evangelischen Krankenhaus Weyertal in Köln beginnen zu dürfen.“ Dort fiel der Rösratherin das Lernen gar nicht mehr schwer: Die Prüfung in der Krankenpflegeschule legte sie mit einer glatten Eins ab, machte anschließend ihr Abitur auf dem Abendgymnasium nach, um Medizin zu studieren. Allein: Die Zulassung zum Studium erhielt sie am selben Tag wie einen positiven Schwangerschaftstest. „Mit Kind hätte man damals nicht studieren können, also entschied ich mich für die Familie – und für die Arbeit als Krankenschwester.“
Und wie. Die Familie wuchs bald auf vier Kinder an, und neben dem Beruf engagierte sich Ingeborg Schmidt ehrenamtlich im Deutschen Roten Kreuz. Seit dem Jahr 2000 ist sie Kreisvorsitzende, zudem Ortsvereinsvorsitzende in Rösrath und Overath. Auch wenn sie demnächst kürzer treten möchte, den Overather Vorsitz diesen Monat, den Kreisvorsitz Ende des Jahres abgeben will – „wenn ich heute auf mein Leben zurückschaue: Ich würde es wieder so machen“, sagt sie und lächelt. (wg)
Feuerwehrchef: „Nach Blauem Brief durfte ich nicht ins Pfingstlager“
In der Grundschule hieß es auf dem Zeugnis noch „Jörg ist ein lebhafter, aufgeschlossener und interessierter Schüler“, in der achten Klasse auf dem Bensberger Albertus-Magnus-Gymansium war es damit allerdings bei Bergisch Gladbachs heutigem Feuerwehrchef vorbei: Eine Fünf in Latein, Vieren in Religion, Deutsch, Englisch und Kunst. „Tiefste Pubertät“, erinnert sich der heute 50-Jährige an das Zeugnis im Sommer 1988.
Ob das zu Hause Ärger gab? „Mit Sicherheit“, sagt Köhler lächelnd. „Mein Vater war Schulleiter, meine Mutter hat in der Ausbildung der Berufsgenossenschaft gearbeitet . . .“ Nachhaltiger getroffen als eine Standpauke nach dem Zeugnis hat den Bergisch Gladbacher allerdings mal ein Blauer Brief. „Den hatte ich bekommen, weil ich in Religion drei Mal ein Gedicht nicht auswendig gelernt habe“, erinnert sich Jörg Köhler. „Rums, war die Versetzung gefährdet.“
Die Reaktion von Köhlers Eltern: „Ich durfte mit den Pfadfindern nicht ins Pfingstlager fahren“, erinnert sich der Feuerwehrchef. „Und das, wo ich doch Pfadfinder durch und durch war.“
Auch als er 1993 erfolgreich das Abitur in der Tasche hatte, war's dem jungen Jörg Köhler eher nach etwas Praktischem, statt gleich auf der Uni weiter zu büffeln. Bei einem Autobauer absolvierte er eine Ausbildung zum Industriemechaniker. „Ab da hatte ich nur noch Einser oder Zweier“, erinnert sich der Feuerwehrchef.
„Ich bin ein Mensch, der Lust aufs Lernen braucht. Wenn sich mir der Sinn von etwas nicht erschließt, fällt es mir schwer, das zu lernen“, sagt Jörg Köhler.
Köhler wurde Berufsfeuerwehrmann in Köln, studierte bald noch parallel zum Einsatz Rettungsingenieurwesen. Die Ausbildung zum gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst schloss er schließlich als Lehrgangsbester ab.
Es folgten weitere Aufstiege, zwischendurch ein Jahr Expedition durch Afrika. Seit 2014 ist der Vater zweier Töchter bei der Feuerwehr Bergisch Gladbach, seit 2018 deren Leiter und seit zwei Jahren als solcher auch Fachbereichsleiter der Stadt Bergisch Gladbach – und ein bisschen auch immer noch Pfadfinder. (wg)
Aus Angst: Schulleiter fing als Schüler die Post ab
Heute versucht er seinen Schülern, die Angst vor den Zeugnissen zu nehmen – für den Schulleiter des Overather Paul-Klee-Gymnasiums, David Hubert, selbst begann der Bammel in der eigenen Schulzeit einmal schon lange vor der Zeugnisausgabe.
„In der sechsten Klasse hatte ich in Deutsch zwei Vieren und eine Fünf geschrieben und hatte so Angst vor einem Blauen Brief“, erinnert sich der heute 49-Jährige. „Und dann habe ich tatsächlich die Post zu Hause abgefangen, weil ich so Panik hatte.“ Allerdings: Es kam kein Brief der eine Versetzungsgefährdung angekündigt hätte. „Am Ende hatte ich in Deutsch eine Vier auf dem Zeugnis – war also unproblematisch“, sagt er und lächelt. Woran es damals in Deutsch bei ihm haperte? „An der Grammatik“, erinnert er sich, „ich weiß noch genau, es ging um Attribute, Satzkonstrukte, Genitiv-Objekte . . .“
Danach ging's dann allerdings mit Deutsch besser. „Nie super, aber gut“, sagt Hubert. Geschichte und Englisch wählte er schließlich in der Oberstufe als Leistungskurse, Mathe als drittes, Sport als viertes Abiturfach. Deutsch hatte er da allerdings schon abgewählt. „Das durfte man damals noch nach der Zwölf“, sagt er schmunzelnd. Wie geht er heute als Schulleiter und Lehrer mit Blauen Briefen um? „Es ist immer gut, sich nochmal in die Situation zu versetzen. Niemand soll vor Noten und Zeugnissen Angst haben.“ (wg)
Chemiebaukasten nach schlechtem Zeugnis für Unternehmerin Supe-Dienes
Maja Supe-Dienes, seit gut einem Jahr mit in der Führungsriege des Traditionsunternehmens Dienes in Overath, erinnert sich noch lebhaft an ihre Schulzeit am Overather Paul-Klee-Gymnasium.
Das schlimmste Erlebnis für die 29-Jährige war ein unangekündigter Chemie-Test in der siebten Klasse, der ihr eine richtig miese Zeugnis-Note in dem naturwissenschaftlichen Fach einbrachte – eine Vier minus, der dann auch noch ein „Blauer Brief“ folgte. Das dicke Ende aber folgte erst Monate später, erzählt Maja Supe-Dienes mit einem Lachen in der Stimme: „Zu Weihnachten hab ich dann tatsächlich einen Chemie-Baukasten geschenkt bekommen – das mieseste Geschenk, das ich mir vorstellen konnte.“
Unvergessen ist auch die mündliche Nachprüfung in Französisch, nachdem sie die Klausur in dem Leistungskurs verpatzt hatte. „Ich war total aufgeregt“, erinnert sich Maja Supe-Dienes, „und konnte aus dem vorgelegten Text nicht erkennen, ob nun ein Mann oder eine Frau gemeint war. Die Aufregung war aber unnötig, ich hab' meine Note Zwei gehalten.“ Weil die Overatherin aufgrund des Wechsels von G9 zu G8 parallel zu ihrem Bruder Julian Abitur machte, schrieben die Geschwister die gleichen Abi-Prüfungen: „Julian war immer etwas besser in Mathe als ich, aber im Abi habe ich eine Zwei plus geschrieben – und er eine Zwei.“ (jer)
Regionale-Chef Dr. Reimar Molitor: Nachprüfung geschafft – Sommer futsch
Heute ist er Geschäftsführer des Strukturförderprogramms Regionale 2025 und des Region Köln/Bonn e.V., managt als promovierter Geograph riesige Förderprojekte, verhandelt mit Ministerium und wichtigen Akteuren – dabei war Dr. Reimar Molitor in der Schule kein Überflieger.
„Am Ende des siebten Schuljahrs hatte ich sogar zwei Fünfen auf dem Zeugnis am St. Angela-Gymnasium in Wipperfürth“, erinnert sich der 55-Jährige. „Die Nachprüfung habe ich bestanden, aber der Sommer war für mich gelaufen.“ Das Wichtigste sei damals gewesen: „dass ich nicht von meinen Kumpels getrennt werde“. Im Abitur hatte Molitor später eine Fünf plus in Englisch. „Damit hatte ich aber keine Probleme, weil ich auch nur mit einer Vier ins Abi reingegangen bin“, sagt er schmunzelnd.
Nach dem Abi ging er für die EU ins Ausland. „Da musste ich dann mit meinem Englisch zurechtkommen. Das hat hervorragend geklappt. Auch das war für mich ein Gradmesser dafür, dass Noten nicht immer alles sind“, sagt der Mann, der mit seiner Doktorarbeit über „Nachhaltige Regionalentwicklung“ die Grundlage für berufliche Stationen im Regionalmanagement und in der Beratung europäischer Regionen legte. „Die Note in Sport war für mich übrigens immer die wichtigste“, sagt er. Und das gilt für den leidenschaftlichen Schwimmer in bergischen Talsperren bis heute. (wg)
Christian Tholl: Vom stillen Schüler zum Sprecher der Polizei
Wer ihn heute reden hört, mag es nicht glauben. Der Mann, der offizielle Stimme der Kreispolizei Rhein-Berg ist, war in der Schule ein eher stiller Vertreter. „Mit 16 Jahren habe ich 1992 in der zehnten Klasse sogar die Versetzung in die Oberstufe nicht geschafft und musste eine Ehrenrunde drehen“, erinnert sich Polizeihauptkommissar Christian Tholl (48).
Der Grund waren damals mangelhafte Leistungen in Mathe, Bio und Chemie. „Neben Klausuren, die ich verhauen hatte, war es vor allem die fehlende Bereitschaft zur mündlichen Mitarbeit in diesen Fächern. Ich war immer ein ruhiger zurückhaltender Schüler, der dafür aber teilweise gute Klausuren schrieb.“ Da aber die mündlichen Noten zunehmend an Bedeutung gewannen, wurde es dann schon einmal knapp, gerade in den höheren Klassen, wo die mündliche Mitarbeit 50 Prozent der Note ausmachte.
„Dieser Sommer 1992 war anders als sonst“, erinnert sich Tholl. „Ein blödes Gefühl war das, denn der Abschied von den Mitschülern nach vielen gemeinsamen Jahren fiel schwer, teilweise kannte man sich schon seit der Grundschulzeit. Ich erinnere mich noch, dass meine Eltern einen Anruf bekamen. Der Schulbesuch wurde am letzten Tag freigestellt, so dass ich zur Zeugnisausgabe nicht mehr in der Schule sein musste. Aber ich konnte mich nicht über diesen zusätzlichen freien Tag freuen, weil ich an die Mitschüler und diesen für sie so besonderen Tag denken musste.“
Nach den Sommerferien war alles neu: Neuer Klassenraum, neue Mitschüler, neue Lehrer und überall war Christian Tholl „der Neue“ oder „der Wiederholer“. Trotzdem sagt er heute: „Es war keine Schande ein Schuljahr zu wiederholen. Neben neuen Freunden hat es mich vermutlich ein wenig reifer gemacht und mir vor Augen geführt, dass ein Schulabschluss wichtig für meine Zukunft ist.“
Fünf Jahre später, in seiner Berufsausbildung bei der Polizei, habe er darauf geachtet, sich besser auf Klausuren vorzubereiten und mündlich mehr zu beteiligen, so Christian Tholl. „Man muss ja nicht gleich der Klassenbeste sein, aber es ist einfach angenehmer, überall gut vorbereitet und sorgenfrei durchzukommen.“ Und: „Auch ruhige, unauffälligere Schüler haben ihre Stärken. Auch aus ihnen kann etwas werden – sogar ein Pressesprecher.“ (wg)