Sascha Solbach appelliert nach einer Diskussion am Bedburger Silverberg-Gymnasium, das Migrationsthema nicht in den Vordergrund zu rücken.
„Eine krasse Frage“Schüler fragt Bedburgs Bürgermeister, ob er „reinrassiger Deutscher“ sei
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Sascha Solbach (SPD), Bürgermeister von Bedburg, richtet sich mit einem Appell an die Öffentlichkeit.
Copyright: Stadt Bedburg
Es sei „eine krasse Frage“ gewesen, die ihn zunächst auch „überfordert“ habe, bekennt Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach. Der 45-Jährige diskutiert im Bedburger Silverberg-Gymnasium mit rund 120 Schülerinnen und Schülern der fünften und sechsten Klassen. „Ich mache das seit elf Jahren“, sagt Solbach in einer Videobotschaft, die er auf seinem Facebookprofil als Bürgermeister veröffentlicht hat.
Da könne es um Kommunalpolitik gehen oder auch um die Frage, welche Haustiere er habe. Schnell aber habe er gemerkt, dass die Diskussion dieses Mal in Richtung der politischen Lage drifte. „Es ging um den Rechtsruck und darum, was in unserer Gesellschaft passiert. Die Kinder wollten mich nach meiner Haltung befragen“, sagt Solbach. Und dann sei von einem Zehnjährigen die Frage gekommen, die ihn zunächst überrumpelt habe: „Bist du reinrassiger Deutscher?“
Bedburg: Bürgermeister in Sorge um verängstigte Kinder und Jugendliche
Tagelang habe ihn die Frage beschäftigt, auf die er mit Gegenfragen reagiert habe: Wie müsse man reinrassig definieren? Wohin ziele die Frage? Schließlich habe er sich entschlossen, sich mit einem Appell über Facebook zu melden. Es sei offensichtlich, dass das Thema Migration auch die Schülerschaft beschäftige. „Aber ich frage mich: Ist das alles? Gibt es nicht wichtigere Themen in Deutschland?“
Als Bürgermeister würde er sich eher damit auseinandersetzen, wie man besser bauen oder die Schulen besser ausstatten könne. „Und trotzdem höre ich immer nur noch dieses eine Thema“, sagt Solbach. „Das macht mich total fertig.“ Man dürfe doch nicht übersehen, dass Deutschland das drittreichste Land der Welt sei und es uns gut gehe, auch wenn vielleicht nicht alles gerecht verteilt sei. „Ich frage mich echt, ob wir im Moment noch ganz dicht sind, Deutschland.“
Die Gesellschaft solle sich Gedanken machen, was man der jungen Generation, aber auch der alten antue, die schon andere Zeiten erlebt habe. Was Solbach allerdings zum Zeitpunkt seiner Videobotschaft noch nicht wusste: Der Frage des Fünftklässlers lag gar kein deutschtümelndes Gedankengut zugrunde. Nach einem Austausch mit den Eltern des Jungen habe sich schnell ergeben: „Er ist in Sorge, dass seine Freunde mit Migrationshintergrund nach der Bundestagswahl Deutschland verlassen müssen“, sagt Solbach. „Er hat in mir einen Verbündeten gesucht.“
Seinem Appell an die Öffentlichkeit werde dadurch aber nicht die Grundlage genommen. „Im Gegenteil, es zeigt, wie sehr das Thema Kinder und Jugendliche beschäftigt und auch verängstigt“, sagt Solbach, der tatsächlich bereits mit dem Jungen Kontakt hatte, als der noch die vierte Klasse besuchte. „Er hat mir einen tollen Vorschlag gemacht, dass man doch Recyclingmülleimer im Stadtgebiet aufstellen könne. Daraufhin habe ich ihm einen Brief geschrieben.“ Das zeige, wie reflektiert der Schüler sei.
Bedburg: Silverberg-Gymnasium positioniert sich gegen Rassismus
Am Silverberg-Gymnasium wird die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte gepflegt. Unter anderem gibt es dort eine Stolperstein-AG, es finden Fahrten zu Gedenkstätten in Auschwitz oder Brauweiler statt. „Es ist unsere Aufgabe, uns pädagogisch mit den vielfältigen Weltanschauungen auseinander zu setzen“, sagt Pressesprecher Oliver Großmann. „Wir stellen uns dieser Aufgabe und haben uns als Europaschule und als Schule ohne Rassismus diesbezüglich eindeutig positioniert.“
Der Schüler jedenfalls hat in Solbach durchaus einen Mitstreiter gefunden, auch wegen der Abstammung des Bürgermeisters. „Meine Urgroßeltern sind aus Russland geflohen“, sagt Solbach. „Meine Wurzeln liegen weit im Osten.“ Deshalb heiße er Sascha, was eine russische Kurzform des Namens Alexander sei. Und man dürfe nicht übersehen: 25 Millionen Menschen in Deutschland hätten einen Migrationshintergrund.
„Bundesweit ist ein Anstieg extrem rechter Straftaten auch an Schulen zu verzeichnen“, sagt Elias Bala vom Landesvorstand der „Landesschüler:innenvertretung NRW“. „Leider gibt es für NRW keine öffentlich zugänglichen Zahlen für Schulen, aber ein Trend ist erkennbar. Extrem rechte und rassistische Äußerungen, auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, sind in Schulen häufiger zu beobachten und normalisieren sich in den letzten Jahren immer mehr.“
Es sollte in der Schule immer die Möglichkeit geben, die aktuelle politische Situation zu diskutieren. „Dies geschieht unserer Meinung nach zu wenig“, sagt Bala. Ursachen, die Menschen in die Arme extrem rechter Parteien treiben, müssten bekämpft werden. „Dazu gehören der Vertrauensverlust in die Politik und die steigenden Lebenshaltungskosten. Die Schule kann also ein Teil der Lösung sein, aber sie ist nicht die Lösung.“