Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach„Wir übernehmen Kölns Aufgaben“
Bedburg – In der zehnteiligen Serie sagen uns die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, warum ihre Stadt die schönste im Rhein-Erft-Kreis ist, warum sich ein Besuch ihrer Lieblingsplätze lohnt, ob die Nähe zu Köln Fluch oder Segen ist, und was sie an ihrer Stadt ärgert. Zum Abschluss der Reihe im Gespräch: Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach.
Wie würden Sie jemandem Bedburg beschreiben, der noch nie hier war?
Solbach: Bedburg ist eine Stadt, die momentan versucht, einen Riesenspagat hinzubekommen – wir erfinden uns aus der Bergbautradition heraus ganz neu, und das bedeutet für uns, eine neue Identität zu finden – ohne die Tradition zu verleugnen. Der Tagebau hat zur Folge, dass Bedburg ganz anders aussieht als noch vor 60, 70 Jahren. Durch ihn ist der Siedlungsbereich recht kompakt, und wir haben noch 80 Quadratkilometer freie Fläche. Den Spagat zwischen Tradition und Moderne sieht man auch daran, dass wir einerseits ein Schloss und eine historische Altstadt haben und andererseits mit der Ressourcenschutz-Siedlung eine der klimapolitisch modernsten Siedlungen bundesweit haben werden. Sie wird an 365 Tagen ausschließlich über Windenergie aus unserem Windpark versorgt. Wer Bedburg kennenlernen will, wird sehen, wir haben ein ausgeprägtes lebendiges Brauchtumswesen, nicht zuletzt durch die Schützenvereine.
Zur Person
Geboren: 3. Januar 1980 in Frechen
Privat: verheiratet, ein Kind
Beruflicher Werdegang: Referent für Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Bundesministerium für Gesundheit, Geschäftsführer des SPD-Stadtverbands Bedburg und der Ratsfraktion, Leitung des Büros der Kölner Landtagsabgeordneten
Politik: Seit 2010 in der SPD, Bürgermeister seit 2014, Wiederwahl 2020 mit 72,95 Prozent (jtü)
Warum ist Bedburg die schönste Stadt im Kreis?
Es sind nicht die Gebäude, selbst das Schloss ist es nicht. Es sind die Menschen. Sie sind immer da, wenn es darauf ankommt. In meiner Zeit als Bürgermeister mussten wir einige Herausforderungen meistern, vor denen ich aber nie alleine stand. Dieser Gemeinschaftsgeist macht Spaß!
Was ist Ihr Lieblingsort in Bedburg?
Mein schönster Ort entsteht immer dann, wenn viele Menschen zusammenkommen und etwas bewegen. Das kann ein Karnevalszelt sein oder eine Bürgerwerkstatt – oder auch das Restaurant, das wir mit Freunden besuchen und dabei etwas Schönes erleben. Natürlich zeige ich Leuten auch das Schloss oder Alt-Kaster sowie die Orte, die durch die Rekultivierung entstanden sind.
Und welcher ist Ihr Lieblingsort im Kreis?
Ich bin total gerne in Bedburg. Außerdem zieht es mich immer wieder nach Elsdorf. Schließlich habe ich 25 Jahre dort verbracht. Die Stadt hat sich seither so krass verändert, und dann gehe ich auch immer mal wieder an die Tagebauränder – weil es faszinierend, aber immer wieder ein fulminanter Anblick ist. Es ist ein Sinnbild dafür, wo wir herkommen und wo wir hinwollen. Daher treibt mich auch der Strukturwandel so massiv um.
Sind die Lage und die Nähe zu Köln mehr Fluch oder Segen?
Für uns überwiegen absolut die Vorteile. Wir sehen das derzeit bei den Firmenansiedlungen – wir liegen ja genau in der Mitte zwischen Köln und Düsseldorf. Aktuell liegt der Neubau für die Ansiedlung des Logistikzentrums von Peek&Cloppenburg in den letzten Zügen. Aber auch an anderer Stelle wird sich in den kommenden Monaten viel Neues tun. Ein anderer Punkt: Unsere Lage führt auch dazu, dass wir einen extremen Druck verspüren, was den Wohnraum anbelangt. Das hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren potenziert, was dazu führt, dass Interessenten momentan an keine Immobilie herankommen. Es sei denn, sie landen einen Glückstreffer. Wir sind im Bereich des Immobilienmarktes inzwischen eine der teuersten Städte im Kreis. Die Ursachen dafür liegen in Köln: Die Verantwortlichen dort entwickeln seit Jahren viel zu wenig Wohnungsbau. Das treibt die Leute raus aus der Großstadt – und Städte wie wir übernehmen Kölns Aufgaben, Wohnraum mit der dazu gehörenden Infrastruktur zu schaffen.
Was tun Sie gegen galoppierende Grundstückspreise?
Nicht jeder kann sich das Einfamilienhaus mehr leisten, hat aber trotzdem das Recht darauf, gut zu wohnen. Daher bin ich schon vor Jahren auf die Wohnungsgesellschaft Erftland, an der wir beteiligt sind, zugegangen, um den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu forcieren. Die damaligen Konstellationen dort waren zunächst nicht im Einklang mit unseren Vorstellungen. Deshalb habe ich Kontakt zur GWG in Hürth aufgenommen. Entstanden ist daraus ein Projekt mit einem guten Anteil bezahlbarer Wohnungen – und für die GWG hat es sich trotzdem gerechnet. Das hat die Erftland letztlich auch überzeugt, und jetzt baut sie auch öffentlich geförderte Wohnungen. Ich gehe unkonventionelle Wege, wenn es darum geht, bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Wenn ich Projektentwicklern einen gewissen Anteil ins Aufgabenheft schreibe, hat das nichts mit romantischen Sozi-Fantasien zu tun. Es folgt der Erkenntnis, dass sie solche Wohnungen sonst nicht bauen würden.
Was ist die größte Herausforderung für Bedburg und den Rhein-Erft-Kreis in den nächsten zehn Jahren?
Wir haben da eine besondere Rolle: Von allen Städten im Revier haben wir den höchsten Anteil von Einwohnern, die in der Braunkohle beschäftigt sind – 3000 Menschen sind bei 25.000 Einwohnern nicht gerade wenig. Wir haben uns daher frühzeitig mit dem Strukturwandel beschäftigt und müssen aber feststellen, dass der Fokus bei den Fördermitteln viel zu stark auf wissenschaftlich orientierte Projekte gelegt wird. Die große Herausforderung besteht darin, in dieser kurzen Zeit den Arbeitsmarkt komplett umzubauen, neue Arbeit zu schaffen, neue Wertschöpfungsketten zu schaffen und bezahlbare Energie zu sichern. Und das Ganze mit einem Aufbruch zu verbinden, der den Menschen die Angst nimmt vor dem, was da kommt – ich sehe darin eine Riesenchance.
Was fehlt in Bedburg – was wünschen Sie sich?
Ich wünsche mir für meine Stadt, dass wir durch die Zeit des Umbruchs richtig gut durchkommen und dass das, was wir gerade versuchen aufzubauen, am Ende tatsächlich genau so funktioniert. So gut, dass die Leute in zehn Jahren sagen, dass es zwar eine sehr aufwühlende Zeit war, es sich aber gelohnt hat, diesen Weg zu gehen.
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Was ärgert Sie in Bedburg oder an Bedburg?
Ungeachtet aller Dynamik, die Bedburg gerade erfährt, werden in sozialen Netzwerken Diskussionen geführt, denen ich oftmals beim besten Willen nicht mehr folgen kann. Egal, was du machst – manchen Leuten ist es einfach nicht genug. Ich weiß nicht, was sie wollen, denn hier ist die Welt noch sehr in Ordnung: Es gibt wenig Kriminalität, eine passable Kaufkraft, viele Möglichkeiten zur Naherholung und ein gutes Miteinander. Ein Beispiel für diese Nörgelei: Bei der Musikmeile ist Christina Stürmer aufgetreten – bei freiem Eintritt. Und dann fragen einige, warum es nicht Helene Fischer sein kann. Vielleicht haben wir die Leute in den letzten Jahren auch ein wenig verwöhnt.
Was möchten Sie in dieser Amtszeit noch erreichen?
Ich möchte, dass wir den Transformationsprozess, also den Veränderungsprozess durch den Strukturwandel, gut auf die Reihe kriegen, und dass die begonnenen Siedlungsentwicklungsprojekte umgesetzt werden. Und dann sollen die Stadt und der Schlosspark schön herausgeputzt werden. In all diese Projekte stecken meine Verwaltung und ich unglaublich viel Kraft.