Kerpens Bürgermeister Dieter Spürck im Interview„Hier herrscht großer Zusammenhalt“
Kerpen – In unserer neuen zehnteiligen Serie sagen uns die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, warum ihre Stadt die schönste im Rhein-Erft-Kreis ist, warum sich ein Besuch ihrer Lieblingsplätze lohnt, ob die Nähe zu Köln Fluch oder Segen ist, und was sie an ihrer Stadt ärgert.
Herr Spürck, wie würden Sie jemandem Kerpen beschreiben, der noch nie hiergewesen ist?
Spürck: Mein Lieblingsslogan ist, dass Kerpen die größte und möglicherweise die schönste Stadt im Rhein-Erft-Kreis ist – natürlich immer mit einem Augenzwinkern in Richtung meiner Amtskollegen. Kerpen hat nicht den einen festen Stadtkern wie beispielsweise meine frühere Heimatstadt Brühl, sondern mehrere Ortsteile, und ist eher ländlich geprägt. Was ich an Kerpen schätze, ist der große Zusammenhalt, den wir hier mit Menschen verschiedenster Herkunft haben. Nicht umsonst haben wir ja auch den Slogan „Kerpen gelingt gemeinsam“. Das gilt für die Integration, aber auch für alle anderen gesellschaftlichen Bereiche. All das sind Faktoren, damit Kerpen auch weiter lebens- und liebenswert sein wird.
Warum ist Kerpen die schönste Stadt im Kreis?
Weil wir sehr viele verschiedene Ortsteile mit jeweils ihrem eigenen Charme haben, sodass jeder den passenden für sich suchen kann, um schön zu leben. Ich komme noch mal auf den guten Zusammenhalt zurück, den ich bereits erwähnt habe, außerdem bietet Kerpen viele Freizeitmöglichkeiten und gute Arbeitsplätze.
Was ist Ihre Lieblingsort in Kerpen?
Es gibt nicht den einen Lieblingsort. Ich bin gerne vielfältig in der Stadt unterwegs, aber ich bevorzuge keinen Ortsteil gegenüber einem anderen – mit einer Einschränkung: Ich laufe sehr gerne im Marienfeld, meistens morgens oder abends vor/nach dem Dienst in der Dunkelheit mit einer Stirnlampe.
Und welcher ist Ihr Lieblingsort im Kreis?
Mit Schloss Türnich haben wir neben den anderen Burgen und Schlössern in Kerpen ein Denkmal von nationaler Bedeutung. Ich bin aber auch immer wieder gerne in Brühl, insbesondere im Schlosspark oder in der Ville – da kann man auch gut laufen...
Bringt die Nähe zu Köln mehr Fluch oder Segen mit sich?
Es hat negative wie positive Auswirkungen. Positiv, weil wir durch die Nähe von dem großen kulturellen Angebot profitieren – das können wir in dieser Bandbreite gar nicht bieten. Außerdem geht von Köln natürlich eine große Strahlkraft aus. Köln gehört ja zu den Großstädten, für die in den nächsten Jahrzehnten noch ein größeres Wachstum prognostiziert wird. Das ist aber auch damit verbunden, dass der Druck, der auf dem Wohnraum lastet, sich auf das Umland auswirkt. Unsere Aufgabe ist es dabei, angemessen darauf zu reagieren.
Was tun Sie gegen die explodierenden Immobilienpreise?
Wir haben als Stadt Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn Wohnraum knapp ist, ist das zunächst einmal ein Indiz dafür, dass eine Stadt als Wohnort begehrt ist. Das sieht anderswo ja ganz anders aus: Dort blicken wir auf verlassene Landstriche. Zum Glück haben wir noch nicht völlig überteuerte Verhältnisse wie in Berlin, München oder Hamburg. Als Stadt versuchen wir selbst, gegen explodierende Preise vorzugehen, zum einen mit unserer Wohnungsbaugesellschaft, der Erftland, die wir mit den Städten Bergheim, Elsdorf und Bedburg betreiben. Unser Ziel ist es, dass es bei jedem Baugebiet auch einen Teil an Wohnungen für Bürger mit nicht so dickem Portemonnaie gibt. Wobei ich kein Freund der Quote bin. Damit schränkt man die Investoren nur ein – in einigen Bereichen haben wir dadurch sogar einen höheren Anteil an bezahlbarem Wohnraum, als mit einer Quote. Bei alldem dürfen wir auch den Flächenverbrauch nicht aus den Augen verlieren – und auf gute Verkehrsanbindung achten. Dazu gehört das Bauen an der Bahnlinie, da haben wir beispielsweise in Horrem oder Buir beste Voraussetzungen.
Was ist die größte Herausforderung für Kerpen und den Kreis bis 2032?
Da geht es uns nicht anders als anderen Anrainerkommunen: Das sind der Strukturwandel und der Kohleausstieg. Das ist politisch gewollt und richtig. Dennoch müssen wir höllisch aufpassen, dass wir nicht einen Kollateralschaden im ganzen Revier haben. Daher gilt es, riesige Kraftanstrengungen zu unternehmen, um die wegfallenden Arbeitsplätze ersetzen zu können. Das ist ein anstrengender Prozess – einerseits, um politisch die richtigen Lösungen zu finden, andererseits, um gemeinsam in der kommunalen Familie zu agieren. Damit kommen wir viel weiter, als wenn einzelne Kommunen anfangen, um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. Worauf wir aufbauen können? Wir sind ein Energie-Kreis mit starkem Gewerbe und sollten das auch bleiben. Dazu brauchen wir allerdings auch Flächen, um neues Gewerbe anzusiedeln; und da wünsche ich mir von der Landesregierung – egal, welcher Couleur – vereinfachte Planungsverfahren. Da könnte das eine oder andere schneller und unkomplizierter laufen.
Geboren: 28.9. 1966 in Brühl, dort ist er auch aufgewachsen und zur Schule gegangen
Privat: verheiratet, zwei Kinder
Beruflicher Werdegang: Rechtsanwalt tätig, Beigeordneter in Weilerswist, 2012 Wechsel zur Stadtverwaltung Kerpen – Sozialdezernent und Kämmerer
Politik: CDU-Mitglied seit 2000, seit 2015 Bürgermeister, 2020 wurde er mit 51,8 Prozent wiedergewählt (jtü)
Was fehlt Ihnen in Kerpen – was wünschen Sie sich?
Ich hätte einen Wunsch an die „große Politik“, vor allem die in Berlin: Sie sollte nicht immer neue Aufgaben erfinden, für die am Ende die Kommunen finanziell aufkommen müssen. Es ist ein Dauerthema: Kommunen sind chronisch unterfinanziert. Nur mit Unterstützung der Bundes- und Landesregierung können wir es schaffen, vor Ort handlungsfähig zu bleiben oder es wieder zu werden.
Was ärgert Sie in Kerpen oder an Kerpen?
Kerpen ist bekannt dafür, dass es hier politisch bisweilen hoch her geht. Als ich mich hier als Beigeordneter beworben habe, haben mich Freunde gefragt, ob ich mir das wirklich gut überlegt habe. Später, als ich schon Bürgermeister war, bin ich ja auch massiv angeschossen worden, das ging zum Teil deutlich unter die Gürtellinie. Die jüngeren Entwicklungen lassen mich allerdings hoffen, dass diese Phase überwunden ist und wir zu einer verträglicheren politischen Kultur zurückfinden. Es gibt weiß Gott genügend wichtige Themen, die wir bewältigen müssen. Und das wird uns nur gemeinsam gelingen.
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Was möchten Sie in Ihrer Amtszeit noch erreichen?
Ich möchte den Strukturwandel massiv vorantreiben, sonst läuft uns die Zeit weg. Wir müssen Geld aus den entsprechenden Fördertöpfen erhalten, unter anderem für unser Speicherstadt-Projekt. Außerdem möchte ich weiter in angemessenem Maß öffentlichen Wohnraum fördern. Wo wir Nachholbedarf haben, ist beim Bau von Kitas – trotz aller Erfolge in den Vorjahren. Herausforderungen haben wir auch, was die dritte Grundschule in Sindorf angeht, den Ausbau der Albert-Schweitzer-Schule und den Neubau der Europaschule.