Aus Bedburger Kaserne verschwundenNoch immer fehlt jede Spur von Gerard Pelzer
Bedburg-Kaster – Am 8. Mai 1980 hat Claudia Pelzer ihren Sohn zum letzten Mal gesehen. An jenem Tag hat die Niederländerin den 19-jährigen Gerard in der Krankenstation der Nato-Kaserne in Kaster besucht. Eine Stunde lang war sie laut Besuchsprotokoll bei dem jungen Soldaten. Warum er dort war, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass er damals seiner Mutter versprach, am Samstag, 7. Juni 1980, die Familie daheim im niederländischen Sevenum zu besuchen. Doch Gerard Pelzer kam dort nie an.
Pelzers Verschwinden blieb weitgehend unbeachtet. Denn für das belgische Militär galt er offenbar schlicht als fahnenflüchtig und Deserteur. Erst jetzt, mehr als 40 Jahre danach, wird Gerard Pelzer zu einem Vermisstenfall. Die Schwester des Soldaten hat sich an Suchorganisationen und den belgischen Journalisten Kurt Wertelaers gewandt in der Hoffnung, das Rätsel um ihren Bruder aufzuklären. (Hier geht es zur Internetseite des Journalisten.)
„Gerard Pelzer hat sich einfach in Rauch aufgelöst“
„Gerards Verschwinden ist außergewöhnlich, weil der junge Mann sich einfach in Rauch aufgelöst hat“, sagt Wertelaers, der für seine Recherchen auch schon in Bedburg war. Das von ihm gegründete Bureau van Meerbeck hat sich auf sogenannte Cold Cases, also Langzeitvermisstenfälle, spezialisiert. Noch immer sei nicht bekannt, wo genau Gerard Pelzer verschwunden sei, sagt Wertelaers, „ob in der oder rund um die Kaserne, unterwegs nach Hause oder auf dem Weg zu einer militärischen Mission“.
Was die Suche nach dem schmächtigen jungen Mann wohl deutlich erschwert hat: Es waren derart viele Behörden betroffen, dass sich offenkundig niemand so richtig für den Fall zuständig fühlte. Pelzer wurde als Niederländer geboren, sein sehnlichster Wunsch war es, Soldat zu werden. Aber da er für die niederländische Armee zu klein war, nahm er die belgische Staatsangehörigkeit an, um sich seinen Traum zu erfüllen.
Gerard Pelzer war in Blankenheim und Kaster stationiert
Am 16. Juli 1979 nahm ihn das belgische Militär auf, schon bald wurde er in die Nato-Kaserne nach Blankenheim und später nach Kaster versetzt, wo belgische Soldaten den Wachdienst für US-Truppen und deren Raketenstandort in einem nahe gelegenen Waldstück versahen. Briefe an seine Mutter zeigen, wie glücklich ihn die Aufgabe machte und wie sehr er aber auch an seiner Familie hing. Im Februar 1980 bezeichnete er sich als „stolzen Holländer, der seine Familie und vor allem seine Mama liebt“.
Doch irgendetwas muss von da an gehörig schiefgelaufen sein. Eines der letzten Lebenszeichen von Gerard Pelzer: Laut eines offiziellen Tadels sollen zwei Zivilisten den betrunkenen Soldaten bewusstlos am Straßenrand gefunden und zur Kaserne gebracht haben, wo er in die Krankenstation gebracht wurde.
Soldat in Bedburg vermisst: Feldjäger durchsuchen das Haus seiner Mutter
Pelzer habe „Ärger in Lokalen“ gesucht. Das Dokument wurde am 28. Mai 1980 von einem Vorgesetzten ausgestellt – nur vier Tage vor Pelzers Verschwinden. Am 29. Mai dann rief er seine Mutter an und kündigte erneut seinen Besuch an – doch erreichte Gerard Pelzer das Haus von Mutter und Schwester nicht. Stattdessen kam am Montag, 9. Juni 1980, ein Telegramm von einem Vorgesetzten: „Kehren Sie unverzüglich zu Ihrer Einheit zurück!“
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Wenige Tage später durchsuchten Feldjäger Gerard Pelzers Zimmer im Haus seiner Mutter und zogen dabei sogar alle Schallplatten aus den Hüllen. Mutter Claudia ist inzwischen verstorben, Gerards Schwester Fabienne sucht aber immer noch nach ihrem Bruder. Wie Kurt Wertelaers berichtet, seien Briefe ans Rote Kreuz, an frühere Kameraden oder auch an die Verteidigungsministerien in Belgien und den Niederlanden sowie an die Königshäuser gesandt worden. Ohne Erfolg.
Vermisster Gerard Pelzer: Journalist ist auf eine neue Spur gestoßen
Ein Liebesbrief, der nie abgesandt wurde und sich damals in den persönlichen Gegenständen von Gerard Pelzer fand, ist für Wertelaers nun zur neuen Spur geworden. Gerichtet ist er an eine Nicole. Sie wird nun gesucht. „Wir wissen nicht, ob Nicole eine Deutsche war“, sagt Wertelaers. Aber es sei gut möglich. „Sie müsste jetzt um die 60 Jahre alt sein.“
Kaserne in Bedburg
Der Nato-Stützpunkt in Bedburg bestand aus drei Teilen: der Kaserne in Kaster, der Raketenabschussbasis im Waldstück Rübenbusch und der Radarstation in der Nähe von Gut Kaiskorb. Hier waren belgische und US-amerikanische Soldaten eingesetzt. In Betrieb waren die Anlagen von den 1960er-Jahren bis 1983. In der Abschussbasis, Launching Area genannt, waren Raketen des Typs Nike gelagert. Dabei handelte es sich um Flugabwehrraketen, die kurzfristig mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden konnten. Zu stärksten Zeiten war die Kaserne mit 360 Soldaten besetzt. (dv)
Für die Polizeibehörden in Belgien, den Niederlanden und Deutschland gibt es den Vermisstenfall Gerard Pelzer nicht. Der Computer im Polizeipräsidium Köln hat bei einer europaweiten Abfrage keine Ergebnisse geliefert, und auf der Seite der niederländischen Polizei fehlt der Fall in einer Liste, die bis 1966 zurückreicht.
Auch bei der Kreispolizeibehörde gibt es im Archiv keine Unterlagen zu dem Fall. Lediglich das Bundeskriminalamt verfügt über Vermerke. „Bei dem vorliegenden Fall wurde die Fahndung mittlerweile beendet“, teilt die Behörde in Wiesbaden mit. Man bitte „um Verständnis, dass das Bundeskriminalamt darüber hinaus keine weiteren Angaben machen kann“.