Prozess neigt sich dem Ende entgegenAlinas Mutter erfand immer mehr neue Lügen
Bergheim/Köln – In Erklärungsnot geriet Monika S (24, alle Namen geändert) offenbar so schnell nicht, wenn es darum ging, den katastrophalen Gesundheitszustand ihrer Tochter Alina schön zu reden. „Sie hat eine Unterfunktion der Schilddrüse und kann daher das Essen nicht bei sich halten“, erklärte die Mutter einer Nachbarin, von der sie sich wiederholt Geld lieh. Die Frau hatte Mutter und Tochter dabei beobachtet, als die damals Fünfjährige kaum die Treppe hochkam, „eher krabbelte“, erinnerte sich die Nachbarin im Zeugenstand des Landgerichts.
Vor dem Landgericht neigt sich der Prozess gegen Monika S. und ihrem Partner dem Ende entgegen. Beide müssen sich wegen versuchten Mordes durch Unterlassen verantworten, weil sie das Kind seinem Schicksal überlassen haben und dabei „grausam“ gehandelt haben sollen.
Einer Erzieherin gegenüber hatte Monika S. die Immobilität der Tochter, die sich kaum auf den Beinen halten konnte, mit einer Muskeldystrophie erklärt, einer anderen das Untergewicht des Mädchens mit einer Lebensmittelallergie sowie einer Magen/Darm Problematik erklärt. Gegenüber einer Familienhelferin sprach sie von einer „geistigen Behinderung der Tochter von achtzig Prozent“. Ihrer Phantasie schien keine Grenzen gesetzt. Alle glaubten es offenbar.
Cannabis-Geruch aus der Wohnung
Tatsächlich stand Alina kurz vor dem Hungertod, weil die Mutter ihr nichts zu essen gegeben haben soll. Sie konnte sich gar nicht altersentsprechend entwickeln, weil sie sowohl mangel- als auch fehlernährt wurde. Sämtliche Diagnosen der Mutter, die offensichtlich ein Geschick dafür entwickelte, eine entsprechende Fassade aufzubauen, sollen gelogen gewesen sein. „Ihre Lügen kamen authentisch rüber“, unterstrich ein Erzieher im Zeugenstand.
Eine Nachbarin hatte 2020 auch die Polizei eingeschaltet, weil es vor der Wohnungstür der Familie ständig nach Cannabis roch. „Doch passiert ist nix, obwohl hier im Haus Kinder wohnen“, sagte die Frau im Zeugenstand. Dabei sollen Monika S. und ihr Partner möglicherweise geplant haben, die Drogen selber zu züchten. Bei einer Wohnungsdurchsuchung hatten die Ermittler entsprechende Notizen gefunden. Darauf war detailliert aufgeschrieben, was alles benötigt wurde, um in den Drogenanbau einzusteigen.
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Eine Kinderkrankenschwester, die sich im August 2020 um Alina im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße gekümmert hatte, beschrieb das Mädchen als „lebensfreudiges, zerbrechliches aber auch trauriges Kind.“ Alina hatte zu der jungen Frau offensichtlich ein besonderes Vertrauen aufgebaut und ihr Erlebnisse aus dem Elternhaus geschildert. Beispielsweise, dass die Mutter sie vom Stuhl geschubst haben soll, so dass sie beim Fallen sich mit der Gabel derart verletzt hatte und eine Narbe davon trug. Auch von Schlägen sei die Rede gewesen, „als Strafe“ , weil Alina keinen Mittagsschlaf habe halten wollen.
An den nächsten beiden Verhandlungstagen haben Gutachter das Wort. Ein Psychologe, eine Rechtsmedizinerin und eine Psychiaterin sind ebenfalls geladen.