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Termin macht Chance zunichteSchüler aus Bergheim hätten gerne an der Bundestagswahl teilgenommen

Lesezeit 3 Minuten
Zu sehen sind Julia, Jana, Mariame, Enes und Kaan, die an einem Tisch sitzen.

Enttäuschte Erstwähler: Julia, Jana, Mariame, Enes und Kaan, alle 17 Jahre alt, durften an der Bundestagswahl nicht teilnehmen.

Julia, Jana, Mariame, Enes und Kaan durften an der Bundestagswahl nicht teilnehmen, weil der Termin vorgezogen wurde.

Am Sonntag hatten Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, den 21. Bundestag zu wählen. Durch die vorgezogene Wahl durften einige 17-Jährige in diesem Jahr ihr Grundrecht unerwartet doch noch nicht ausüben. Im September hätten sie das 18. Lebensjahr vollendet, ein halbes Jahr vorher ist das jedoch nicht der Fall.

Das ist schade, findet Jana. „Wir dürfen nicht mitbestimmen, obwohl es unsere Zukunft ist?“ fragt sie. Ihre Klassenkameradin Mariame findet das ungerecht. Sie seien schließlich fast erwachsen, und die Jugend sei politischer als zuvor, sagt sie.

Eine Herabstufung des Wahlalters bei den Bundestagswahlen befürworten sie dennoch nicht. Denn nicht alle hätten die vernünftige Reife und würden sich für Politik interessieren, erklären sie. Auf dem Schulhof bekäme sie viel mit, erklärt Mariame. Ihre Mitschüler und Mitschülerinnen blieben oft am Handy hängen und gingen nicht raus. Einige würden aus Provokation ihre Wahlentscheidung treffen. Sie verstünden nicht, dass jede Stimme zählt, sagt Jana.

Die Jugendlichen sprechen sich für größere Bedeutung politischer Bildung aus

Die Jugendlichen wünschen sich deswegen, dass politische Bildung in der Schule mehr Unterrichtszeit bekommt. Das Fach Politik stehe erst ab der neunten Jahrgangsstufe im Stundenplan. Auch in der Oberstufe werde das Fach nicht unterrichtet, erklären sie. Deswegen würden sie im Religions- und Philosophieunterricht im Zuge der Juniorwahl politische Themen „reinquetschen“.

Auslöser für sein politisches Interesse sei der Ukraine-Krieg gewesen, erklärt Kaan. Er ist ebenfalls Schüler der Gesamtschule Bergheim. Es sei falsch, Konflikte mit Gewalt zu lösen, sagt er. „Menschen sollen im Frieden leben“. Mariame stimmt dem zu. Außerdem habe Social Media ihr politisches Interesse geweckt, sagt sie. Durch Informationen auf den Plattformen habe sie sich gefragt, für was sich die verschiedenen Parteien einsetzen.

Andererseits sieht sie auch die Risiken der Plattformen. Denn die Inhalte seien einseitig und manipulativ, sagt sie. „Man weiß nicht, was stimmt“. Einige Parteien hätten durch Social Media eine große Reichweite. Ihre Klassenkameradin Julia findet es „krass, wie die im Internet aufhetzen.“ Sie und ihr Mitschüler Enes haben Angst. Enes bezieht rechte Politik auf sein eigenes Leben und fragt sich, ob seine Mutter abgeschoben werden könnte. „Es muss eine Grenze geben“, fordert Jana mit Blick auf Hetze und Flaschaussagen in den sozialen Medien.

Das Thema Umwelt sprechen die Jugendlichen von selbst nicht an. Auf Nachfrage erklären sie, dass die Umwelt wichtig sei. Zurzeit gebe es jedoch so viele andere Probleme, dass die Thematik in den Hintergrund rutsche. Die Berührungspunkte lägen bei anderen Themen wie Gerechtigkeit. Denn alle Menschen sollten dieselben Rechte haben, betonen sie. „Die Reichen werden reicher“, sagt Mariame, „und die Armen werden ärmer.“

Eine gerechte Verteilung des Vermögens halten sie für wichtig

Eine gerechte Verteilung von Vermögen und eine damit verbunden Steuerpolitik sei ihnen deshalb wichtig. „Wir müssen später auch Steuern bezahlen“, erklärt sie. Durch ihre Eltern bekämen sie außerdem mit, dass die Preise immer höher werden. Eine Erhöhung des Mindestlohns sei Julia aufgrund ihres Nebenjobs ebenfalls wichtig. Dennoch möchte sie in Zukunft nicht egoistisch wählen, sagt Mariame.

Große Hoffnungen verknüpfen die Jugendlichen nicht mit der Wahl. Julia stellt sich auf Enttäuschungen ein. Denn die Jugendlichen können sich mit keiner der großen Parteien identifizieren. Die Politiker würden den Fragen ausweichen, sagt Jana und „um den heißen Brei herumreden“. „Sie benehmen sich wie Kinder“, erklärt sie.

Mittlerweile ginge es nicht um die Vermarktung der eigenen Partei, sagt Enes, sondern um das Schlechtmachen der anderen Parteien. Mariam kritisiert außerdem, dass die Politiker keine Fehler eingestehen würden. Dadurch könnten sie nicht wissen, wo sie ansetzen sollten, sagt sie. Außerdem würden die Parteien oft nicht erklären, wie sie ihre Ziele umsetzen können.