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Brennpunkte anpackenNeue Bergheimer Stabstelle will Kinderarmut bekämpfen

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Bergheim hatte zuletzt einige problematische Vorfälle zu verkraften. Anfang des Jahres zündeten Brandstifter die Albert-Schweitzer-Schule an.

Bergheim – Seit einigen Monaten gibt es in der Bergheimer Stadtverwaltung die neue Stabsstelle „Gestaltung einer sozial nachhaltigen Entwicklung“. Im Interview mit Niklas Pinner berichten deren Leiter Tom Juschka und Sozialdezernent Matthias Esser, was es damit auf sich hat.Herr Juschka, was ist Ihre Aufgabe als Leiter der neuen Stabsstelle?Juschka: Wir möchten die gesellschaftliche Entwicklung so stabilisieren, dass sie Schritt hält mit den geplanten Maßnahmen des Strukturwandels. Wenn es technologisch weitergeht und Ökonomie und Ökologie groß werden, müssen wir die Menschen mitnehmen.

Wie genau wollen Sie das umsetzen?

Juschka: Wir sollten die Menschen unter anderem vorbereiten und qualifizieren. Außerdem will ich die Projekte und Maßnahmen, die bereits da sind, miteinander in Verbindung bringen und Lösungen finden, wie das in einem gesunden und in Balance stehenden Prozess passieren kann.

Können Sie Beispiele für solche Lösungen geben?

Juschka: Zum Beispiel, indem wir anfangen, die Situation zu analysieren, wie sie ist. Dann gucken wir, wie wir die Bevölkerung zum Beispiel klüger oder gesünder, die Stadt innovativer oder nachhaltiger machen. Die Menschen sollen Schritt halten können mit der ökologischen und ökonomischen Entwicklung.

Lösungen entwickelt man bei Problemen. Wird die Bevölkerung denn derzeit abgehängt?

Esser: Die Stabsstelle für Strukturwandel existiert ja bereits. Wir wollten sie um die soziale beziehungsweise menschliche Komponente erweitern. Wir haben in Bergheim Sozialdaten, die verbessert werden sollen. Wir haben zum Beispiel mehr Arbeitslose als im Kreis- und im NRW-Schnitt. Bei uns gehen weniger Kinder aufs Gymnasium als in umliegenden Kommunen und im Landesschnitt. Was das Einkommen angeht, ist der Durchschnitt ebenfalls schlechter. Da wollen wir unter anderem anpacken. Wir haben viele Daten zusammengeführt, die ein Gesamtbild ergeben. Deshalb sollten wir im Strukturwandel auch die Menschen mitnehmen.

Hätte es die Stabsstelle auch ohne den Strukturwandel irgendwann gegeben?

Esser: Die hätte es auch so gegeben, aber der Strukturwandel war der Anlass. Wir brechen auf, wollen den Strukturwandel bewältigen und das mit einem Wandel verbinden. Wir wollen Bergheim für die Menschen besser aufstellen und gestalten.

Sie führen also viele und komplexe Themen zusammen. Was ist das erste, das sie angehen wollen?

Juschka: Im Augenblick sind wir dabei, das Thema erst einmal in der Stadtverwaltung zu verorten. Uns geht es darum, die Kolleginnen und Kollegen ressortübergreifend ins Boot zu holen. Dafür habe ich bereits alle Fachbereichsleitungen informiert. Wir denken nicht mehr in einem einzigen Lösungskontext. Wir holen verschiedene Leute an einen Tisch, um Konzepte zu erarbeiten, die zusammenwirken.

Esser: Unser Motto ist kooperative, integrierte Sozialplanung. Wir wollen die Themen zusammenführen.

Tom Juschka (l.) und Matthias Esser wollen die soziale Entwicklung in der Kreisstadt voranbringen.

Also soll es mehr um Ursachen gehen als darum, Löcher zu stopfen?

Juschka: Es geht um eine ganzheitliche Sicht: Warum sind bestimmte Dinge, wie sie sind? Ich möchte bei uns im Hause einen sogenannten Think Tank mit Leuten aus ganz verschiedenen Bereichen gründen. Dadurch erhoffen wir uns Zielformulierungen, die mehr sind als eine Zustandsbeschreibung. Es geht um realistische und überprüfbare Formulierungen.

Esser: Aber dabei beschränken wir uns natürlich nicht nur auf die Expertise aus der Verwaltung. Wir brauchen Aktive aus dem gesamten gesellschaftlichen Leben, aus dem Ehrenamt, der Wirtschaft, der Kultur. Wir haben unsere Perspektive, aber es gibt noch ganz viele andere.

Brände an Bergheimer Schulen, ein fast verhungertes Kind – die Nachrichten über die soziale Entwicklung der Stadt waren in den vergangenen Monaten nicht gerade positiv. Wo fangen Sie an mit Ihrem ganzheitlichen Ansatz?

Esser: Wir haben eine riesengroße Datenanalyse gemacht und auf Stadtteile heruntergebrochen. Wir wollen uns so auf sogenannte Brennpunkte konzentrieren, wo es die Probleme gibt, und dort zupacken.

Welche sind die Bergheimer Brennpunkte?

Esser: Es gibt Teile im Bergheimer Stadtgebiet, auf die wir uns nochmals stärker und individueller fokussieren wollen.

Haben Sie erste Ziele?

Juschka: Wir wollen Ziele formulieren, die erreichbar sind und Zukunftsperspektive haben, zum Beispiel das Armutsrisiko zu reduzieren. Dann müssen wir schauen, wer dafür was machen kann. Natürlich ist das immer auch ein Experiment. Wie kriegen wir es hin, die Menschen aus den verschiedenen Bereichen für neue Wege zu gewinnen? Im Think Tank werden wir das diskutieren. Diese Diskussionen werden etwas dauern.

Aber Sie müssen ja irgendwo anfangen.

Juschka: Wir sollten in das Gebiet, um das es konkret geht, wirklich hinein schauen. In Ahe zum Beispiel gibt es eine erhöhte Kinderarmut. Hier gibt es aber auch ein Quartiersbüro und andere aktive und sehr engagierte Leute. Und mit diesen Menschen und anderen Partnern wollen wir ins Gespräch kommen, um mehr Stabilität zu erreichen. Eine Kollegin hat mir gesagt, dass viele Eltern dort denken, Kinder aus Ahe dürften nur auf die Hauptschule.

Esser: Das ist natürlich Unsinn. Ahe ist ein bunter Stadtteil, der aus allen Schichten und vielen Kulturen besteht. Aber eine solche Wahrnehmung, die es in Ahe nun mal auch gibt, gerade diese möchten wir aufgreifen, den Stadtteil stärken und auch aufzeigen, wo bereits seine Stärken liegen.

Juschka: In Elterngesprächen kommt so etwas rüber. Dazu sollten wir Aufklärarbeit leisten, denn natürlich ist das nicht so. Derzeit klingt der Arbeitsansatz noch etwas theoretisch, aber als nächstes werden wir ins Handeln kommen.

Wie erreichen Sie die Menschen, um die es geht?

Esser: Wir unternehmen große Anstrengungen, um Kindergartenplätze zu schaffen. Wir wollen die Grundschulen mit Sozialarbeitern ausstatten. Wir müssen zum Beispiel über Sportvereine kommen, um Kinder und Eltern von klein auf zu erreichen.

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Diese Strukturen existieren doch bereits.

Esser: Ja. Aber wir werden das intensivieren. Wir versuchen, eine lückenlose Begleitung der Menschen sicherzustellen, wo es vielleicht notwendig ist.

Juschka: Es gibt schon sehr gute Einrichtungen, die viele Menschen in Bergheim erreichen und viel bewirken. Mit dem Integrationsbüro in Süd-West zum Beispiel haben wir damals einen Quantensprung gemacht, was den Zugang zu ausländischen Familien angeht. Manchmal braucht es Mut für neue Ideen.

Aber offenbar gibt es noch nicht genug.

Esser: Wir sagen, wir können noch besser werden, damit wir da aufholen, wo es notwendig ist.