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Reul nennt DetailsExtremer Salafist Pierre Vogel betreibt Boxclub in Bergheim selbst

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt Pierre Vogel 2013 bei einer Demonstration in der Innenstadt von Frankfurt am Main.

Pierre Vogel im Mittelpunkt im Juli 2013 bei einer Demonstration in der Innenstadt von Frankfurt am Main. Er unterweist nun Kinder in Bergheim im Boxsport.

Der Landtag beschäftigt sich mit der Frage, ob Vogel versucht, Jungen für einen extremen Islamismus zu gewinnen. Und was die Behörden tun können.

Ein Bericht des NRW-Inneministeriums legt neue Details über die Aktivitäten des Fight Clubs Bergheim und den islamistischen Prediger Pierre Vogel offen. Unter anderem heißt es darin, dass der gebürtige Frechener dort nicht nur Boxtraining erteile, sondern er selbst einer der beiden Betreiber des im Juli 2023 gegründeten Vereins ist.

Schon wenige Monate später, im November, hatte die Kreispolizeibehörde erste Hinweise darauf erhalten, dass Vogel seine Aktivitäten „als wahrscheinlich prominentester Vertreter und Gesicht der salafistischen Szene in Deutschland“ nach Bergheim verlagert habe. Recherchen hätten ergeben, dass Vogel dort Kinder und Jugendliche trainiere, heißt es in dem Papier von Innenminister Herbert Reul (CDU). Seitdem stehe die Polizei im Rhein-Erft-Kreis in regelmäßigem Austausch mit dem Staatsschutz in Köln, dem Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt.

Der Zugang findet zunehmend niedrigschwellig statt

Die SPD-Fraktion im NRW-Landtag hatte das Innenministerium Mitte September um Stellungnahme gebeten, nachdem unsere Redaktion wenige Tage zuvor darüber berichtet hatte, dass Vogel in Bergheimer Stadtteil Niederaußem Kindern zwischen vier und zehn Jahren Boxtraining erteile. Zwei Personen, die in dem Verein trainieren, aber anonym bleiben möchten, hatten darauf aufmerksam gemacht. Wobei Vogel damit selbst offensiv umgeht und von seinem Training mit den Jungen in Youtube-Videos erzählt. Die Bild-Zeitung hatte einen Betreiber zitiert, der bestritt, dass Vogel im Fight Club Boxunterricht gebe.

Der Verfassungsschutz hat Vogel in den vergangenen Jahren regelmäßig in seinen Berichten namentlich erwähnt, auch in dem im Mai 2024 vorgelegten Lagebild Islamismus wiesen die Verfassungsschützer auf die Gefahren durch extremistische Onlineprediger wie Pierre Vogel hin. Darin und auch in der Stellungnahme des Innenministeriums wird auf das veränderte Vorgehen der extremistischen Salafisten hingewiesen. Der Zugang finde zunehmend niedrigschwellig statt: Salafismus werde insbesondere im Internet als Livestyle vermarktet, TikTok diene dafür als wichtigste Plattform.

Keine rechtliche Handhabe, den Fight Club Bergheim zu schließen

Salafistische Prediger wie Vogel wollten Jugendlichen suggerieren, dass sie ein offenes Ohr für deren Anliegen und Lösungen für deren alltägliche Probleme anbieten können. Der Kampfsport diene als Zugang zu Kindern und Jugendlichen.

Deutlich wird in dem Bericht des Innenministeriums auch, dass Polizei und Verfassungsschutz den Fight Club Bergheim beobachten; eine rechtliche Handhabe, den Trainingsbetrieb zu unterbinden oder den Club zu schließen, gibt es aktuell nicht. Ein Vereinsverbot komme allein dann in Betracht, wenn „Vereinszweck oder die Tätigkeit eines Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder der Verein sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet“, heißt es in dem Papier.

Der Fight Club Bergheim in Niederaußem bietet Boxen und Kickboxen an.

Der Fight Club Bergheim in Niederaußem bietet Boxen und Kickboxen an.

Heißt: Der Umstand, dass Vogel sein Training dazu missbrauchen könnte, um seine Schüler im islamistischen Salafismus zu unterweisen, reicht für ein Einschreiten nicht aus. Tätig werden könnte die Stadt Bergheim allenfalls, wenn durch das, was in dem Club geschieht, Gefahren, Ordnungswidrigkeiten oder strafrechtliche Konsequenzen erwachsen. So lange der Fight Club Bergheim nicht gegen das Bauordnungs-, Immissionschutz- oder Jugendschutzrecht verstoße, seien den Behörden die Hände gebunden.

Innenminister Reul verweist jedoch darauf, dass die Behörden in regelmäßigem Austausch stünden. Zuletzt habe es am 10. September ein Treffen zwischen Staatsschutz, Kreispolizeibehörde und Ordnungsamt gegeben. In Kürze sei ein weiteres Treffen zwischen Polizei und Ordnungsbehörde der Kreisstadt geben. Ziel ist es, die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten abzugleichen.

Das verhindert jegliche Integration und stellt eine Gefahr für unsere Sicherheit dar
Ahmad Mansour

Islamismus-Experte Ahmad Mansour wies kürzlich in einem Interview mit dieser Redaktion auf die Gefahren durch Vertreter des extremen Salafismus wie Vogel hin. Wenn deren Thesen sich schon in den Köpfen von Kindern verfingen, bring das diese „unweigerlich auf Distanz zu unserer Gesellschaft. Das verhindert jegliche Integration und stellt eine Gefahr für unsere Sicherheit dar“.

Vogel wisse in dem, was er tue, wie weit er gehen könne, und er kenne seine Grenzen. Daher habe es der Frechener bisher auch immer geschafft, nicht angeklagt zu werden: „Er ist so schlau, dass er andere die Drecksarbeit, die riskanten Sachen machen lässt. Und wieder andere sind im Krieg in Syrien getötet worden oder sitzen im Gefängnis.“