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Exklusiv

„Höchst bedenklich“
Bekannter Salafist trainiert offenbar Kinder im Boxverein „Fight Club Bergheim“

Lesezeit 5 Minuten
Pierre Vogel, ein weißer Mann mit längerem Vollbart und einer weißen muslimischen Gebetskopfbedeckung und kariertem Hemd. Er hält ein Mikro in der Hand und spricht zu einem Publikum.

Pierre Vogel bei einem Auftritt in Hamburg im Jahr 2016. (Archivbild)

Der Prediger Pierre Vogel arbeitet in dem Verein wohl schon seit 2023 als Trainer. Er gilt als eine der einflussreichsten Personen in der islamistischen Szene.

Der bekannte islamistische Prediger und Ex-Boxer Pierre Vogel arbeitet offenbar als Boxtrainer in Bergheim. Der gebürtige Frechener übernimmt im „Fight Club Bergheim“ das Training für die jüngeren Kinder von vier bis zehn Jahren, wie er selbst in einem Youtube-Video erklärt.

Vogel, der unter dem Pseudonym Abu Hamza auftritt, gilt als eine der einflussreichsten Personen in der deutschen Salafismus-Szene. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist er wegen seiner Missionierungstätigkeiten insbesondere bei Jugendlichen im Blick der Behörden. Der einstige Profiboxer konvertierte 2001 zum sunnitischen Islam und wird im aktuellen Bericht zum „Lagebild Islamismus“ aus 2024 des Verfassungsschutzes NRW als „extremistisch-salafistischer Prediger“ bezeichnet. Auch im NRW-Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2023 taucht er mehrfach namentlich auf.

Pierre Vogel als Trainer in Bergheim: Verein gab auf Anfrage keine Rückmeldung

Auf mehrere Anfragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ob Pierre Vogel nach wie vor als Trainer in dem Bergheimer Verein tätig ist, reagierte der Betreiber des Vereins nicht. Auch die Fragen, ob Vogels salafistischer Hintergrund bekannt sei und wie lange die Kooperation bereits bestehe, blieben unbeantwortet.

Informationen der Redaktion zufolge betätigt Pierre Vogel sich seit gut einem Jahr dort als Trainer. Der Verein wurde erst 2023 gegründet. Zwei Personen, die in dem Verein trainieren, aber anonym bleiben möchten, bestätigen, dass Pierre Vogel nach wie vor dort das Kindertraining leite. Zudem solle es vor den Trainings regelmäßig islamische Gebete geben.

Verfassungsschutz NRW sieht Unterweisung von Kindern durch Extremisten als „höchst bedenklich“

Ein Sprecher des Verfassungsschutzes äußerte sich auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht zu Pierre Vogel, bezeichnete aber die Unterweisung von Kindern durch Extremisten als „höchst bedenklich“. Solche und ähnliche Vorgehensweisen sähen die Behörden als „szenetypisches Vorgehen“, um die Integration von muslimischen Jugendlichen in die säkulare Gesellschaft zu verhindern und die Abgrenzung von der westlichen Lebensweise zu verstärken.

Der Eingang zum Kampfsportverein „Fight Club Bergheim“. Neben einer Gittertür hängen Logos des Vereins.

Der „Fight Club Bergheim“ in Niederaußem bietet Boxen und Kickboxen an.

„Da dies zu einer Spaltung der Gesellschaft und damit auch zu einer Beeinträchtigung des inneren Friedens führen kann, bewertet der Verfassungsschutz die Unterweisung von Kindern und Jugendlichen durch Extremisten als höchst bedenklich.“

Anhänger des extremistischen Salafismus verstehen laut Verfassungsschutz NRW die islamische Religion als Ideologie und das islamische Recht als gottgegebenes Ordnungs- und Herrschaftssystem. Demnach könne eine Gesetzgebung nur von Gott ausgehen und niemals von Menschen. Der extremistische Salafismus widerspricht daher dem Prinzip der „Volkssouveränität“ und der freiheitlich demokratischen Grundordnung und unterliegt der nachrichtendienstlichen Beobachtung.

Anwerben durch Extremisten im Kampfsport ist nichts Neues

Für den Verfassungsschutz ist auch das Anwerben von Jugendlichen beim Kampfsport keine neue Entwicklung. Kampfsport stelle derzeit eine beliebte Sportart dar, von der auch Personen angezogen würden, die dem salafistischen Spektrum zuzuordnen seien.

„Ebenso sind auch Kampfsportveranstaltungen, die im Internet beworben werden, durch Teilnehmer aufgefallen, die unter anderem auch der salafistischen Szene zuzurechnen sind“, so der Sprecher. „Kampfsport dient offenbar – neben der sportlichen Betätigung, die durch bestimmte Gruppen allein schon herkunftsbedingt betrieben wird – auch als eine gute Vernetzungsmöglichkeit untereinander.“

Pierre Vogel tritt mit Video-Botschaften auf TikTok und Co. auf

Pierre Vogel fiel ab 2010 und 2011 bei Kundgebungen und öffentlichen Veranstaltungen auf, wo er bis zu 1500 Zuschauende erreichte. Laut dem Verfassungsschutzbericht 2023 warb Vogel in letzter Zeit vermehrt für das Projekt „Was danach?“. Dabei sollten möglichst viele Flugblätter mit religiös-moralisierenden Inhalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz verteilt werden und bei Muslimen eine „Stärkung des Glaubens“ und eine „Hinwendung zum salafistischen Islamverständnis“ erreichen. Nichtmuslime sollen mit den Flugblättern dazu bewegt werden, zu konvertieren.

Wie der Verfassungsschutz betont, vergleiche Vogel das Projekt selbst mit der inzwischen verbotenen Koran-Verteilungskampagne „Lies!/DWR“ aus 2011. Die „Lies!“-Kampagne war von der salafistischen Vereinigung „Die wahre Religion“ ins Leben gerufen worden und wurde im Jahr 2016 zusammen mit der Vereinigung verboten.

Islamistische Prediger konzentrieren sich immer mehr auf Online-Propaganda

Extremistische Aktivitäten zur Missionierung seien seit 2022 im öffentlichen Raum wieder vermehrt feststellbar, heißt es beim Verfassungsschutz NRW. Auch Pierre Vogel, der über längere Zeit keine öffentlichen Veranstaltungen mehr abgehalten habe, sei wieder aktiv geworden.

Prediger und Missionare wie er konzentrierten sich demnach immer mehr auf Online-Propaganda: Sie betreiben Accounts auf Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok und YouTube. Vogel greift in seinen Videobotschaften meist die Lebenswirklichkeit seiner oft jugendlichen Zuschauenden auf und bettet diese in die salafistische Ideologie ein.

Innenministerium NRW: Salafismus hat offenbar „Stellenwert eines Lifestyles“

Durch seine und ähnliche Videos, so die Behörden, nehme der extremistische Salafismus für einige Jugendliche und junge Erwachsene „offenkundig den Stellenwert eines Lifestyles“ ein, der auch in ein nicht konsequent islamisch ausgerichtetes Leben integriert werden könne. Pierre Vogel distanziert sich in seinen Aussagen und Videos zwar klar von Gewalt, jedoch fänden durch sein Auftreten vor allem jüngere Menschen den Zugang zum extremistischen Salafismus, so der Verfassungsschutz im Bericht „Lagebild Islamismus“.

Das liege nicht zuletzt daran, dass sich das Auftreten vieler extremistischer Prediger mit den Jahren verändert habe. Statt traditioneller Gelehrter mit Bärten inszenierten sich extremistische Salafisten oft als Influencer, „kokettieren mit einem Gangster-Image, prahlen mit Kampfsporterfahrung und pflegen einen konsumorientierten materialistischen Lebenswandel, den sie in sozialen Medien demonstrativ zur Schau stellen.“

Insbesondere jüngere Menschen seien teilweise von solchen Rollenbildern fasziniert, „weil der extremistische Salafismus so stärker vereinfacht wurde und damit einem breiten Publikum zugänglich“.

Damit kann Vogel auf viele Jugendliche attraktiv wirken, die sich nicht mehr als Teil der ethnisch geprägten Gemeinden sähen, sich aber auch mit der deutschen Gesellschaft nicht richtig identifizieren. (red)