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Serie „Unser Wasser“In Bergheim verlieren Kinder die Angst vor dem Schwimmen

Lesezeit 4 Minuten
Die Schwimmlehrerin Carole Schifflers ist mit einigen Kindern im Wasser, am Beckenrand. Vor sich haben sie Schüsseln mit bunten Bällen. Im Hintergrund das Schwimmbad.

Carole Schifflers mit ihren Wassermäusen

Die Schwimmschule Viva Wassermäuse macht Kinder aus Oberaußem, Bergheim und Quadrath-Ichendorf fit für das Schwimmbad.

Konzentriert steht Ira am Beckenrand. Die wackelige Matte, die ihre Schwimmtrainerinnen Carole Schifflers und Shu Lin als Sprungbrettersatz festhalten, macht der Fünfjährigen keine Angst. Fest nimmt die Bronze-Schülerin den Ring auf dem Boden des Oberaußemer Fortunabads in den Blick, streckt beherzt die Arme nach oben und macht einen Kopfsprung ins Wasser.

Es ist der letzte Kurstag vor den Sommerferien. In Kleingruppen werden maximal sechs bis sieben Schwimmanfänger spielerisch ans Wasser gewöhnt und individuell gefördert. „Die Kinder sollen vor allem Spaß am Wasser und an der eigenen Bewegung entwickeln und sicher ohne Drang in ihrem Tempo schwimmen lernen“, sagt Carole Schifflers, Inhaberin der Schwimmschule „Viva Wassermäuse“.

„Viva Wassermäuse“ bringen in Bergheim Kindern das Schwimmen bei

Fantasievolle Bewegungsgeschichten verwandeln die Kleinen in Delfine, Frösche, Seerobben oder Eisbären, die Seestürme auf Flößen überwinden, Krokodilen entkommen, entfernte Länder ansteuern oder nach Piratenschätzen tauchen. Bei den Seepferdchen kommen Schwimmflossen, Pool-Nudeln, Bretter und andere Spielmaterialien dosiert zum Einsatz. Fangspiele und kleine Wettstaffeln lockern die Übungen auf.

Alles zum Thema Corona

Hier wird nicht nur das Miteinander geprobt. Auch das Selbstvertrauen wird gestärkt. Geboren im schweizerischen Lausanne, kam die gelernte Schriftsetzerin Schifflers 1992 der Liebe wegen nach Deutschland. Einen Büroalltag konnte sich die quirlige Powerfrau nicht vorstellen. Sie holte ihr Abitur nach und begann 1996 ein Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Spezialisiert auf Freizeit und Kreativität, lagen ihre Schwerpunkte auf Gymnastik, Erlebnissport und Kinderturnen.

Aushang des SV Erftstolz Niederaußem brachte die Schwimmlehrerin nach Bergheim

Doch die Begegnung mit der Koryphäe des Eltern-Kind-Schwimmens, Dr. Lilli Ahrendt, änderte alles. „Ich bin selbst jahrelang geschwommen, aber durch Dr. Ahrendt habe ich meine Berufung gefunden.“ Als Referentin zum Thema Säuglings- und Kleinkinderschwimmen machte sich die angehende Diplomsportwissenschaftlerin einen Namen, bildete Kursleiter für Verbände aus und erarbeitete ein pädagogisches Frühförderkonzept. Ein Aushang des SV Erftstolz Niederaußem, der auf Trainersuche war, machte Schifflers zur Bergheimerin. „Ich spürte sofort, dass dieser Job für mich bestimmt war und habe gleich den ganzen Zettel vom schwarzen Brett mitgenommen.“

Mittlerweile Glessenerin, gründete sie 2004 die Schwimmschule „Viva Wassermäuse“. Als weitgehend alleinerziehender Mutter ging es ihr nicht nur darum, Geld zu verdienen und ihrem Sohn ein möglichst unbeschwertes Aufwachsen auf dem Land zu ermöglichen, das Kinder-Schwimmtraining ist ihr auch eine „echte Herzensangelegenheit“. „Viele Kinder beginnen bereits als Baby mit dem ersten Kurs und bleiben bis ins Teenageralter bei uns“, sagt sie.

Kursteilnehmer vom Säuglingsalter bis zu 16-Jährigen vertreten

Zurzeit betreut das vierköpfige Team der anerkannten Ergänzungsschule rund 400 Kinder in Oberaußem, Bergheim und Quadrath-Ichendorf vom Säuglingsschwimmen bis zum Schwimmtraining für 16-Jährige. Die Nachfrage ist hoch, doch Trainer sind schwer zu finden und die Warteliste daher lang. Wie Schifflers Sohn Liam, ist auch der Glessener Maximilian Mayr (16) von Anfang an dabei und seit 2023 Schwimmassistent. „Die verschiedenen Schwimmabzeichen sind ein toller Ansporn, immer weiterzumachen“, meint der frisch gebackene Rettungsschwimmer.

Beim Säuglingsschwimmen geht es in erster Linie darum, dass Eltern und Kind die Zeit im Wasser genießen und über den intensiven Körperkontakt ihre Bindung stärken. Im Wasser gelingt vieles bereits, was an Land für die Kleinen noch nicht möglich ist. „Ich erlebe öfter, dass Eltern anfangs übervorsichtig sind“, sagt die 54-Jährige. In den Eltern-Kind-Gruppen lernen die Mütter und Väter, die Fähigkeiten ihrer Sprösslinge besser einzuschätzen. Zu sehen, wie ihre Wassermäuse samt Anhang im Laufe der Zeit über sich hinauswüchsen, sei das „größte Geschenk“, sagt Carole Schifflers.


Nichtschwimmer leben gefährlich

Ertrinken gehört zu den häufigsten nicht natürlichen Todesursachen bei Kindern im Alter bis fünf Jahren, bis zehn Jahren ist es nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste.

Laut DLRG kann mehr als jedes zweite Kind nach Verlassen der Grundschule nicht sicher schwimmen. Gründe dafür sind geschlossene Schwimmbäder, fehlendes Personal und ein noch nicht aufgeholter Rückstau aus der Corona-Pandemie. Da etliche Schwimmkurse für Kinder ausfallen mussten, ist die Nachfrage enorm gestiegen.

Schwimmkurse im Rhein-Erft-Kreis

Programme wie „NRW kann schwimmen!“ und „Der Rhein-Erft-Kreis lernt schwimmen“ unterstützen Ferienkurse für Nichtschwimmer und Grundschüler der dritten und vierten Klasse. In Erftstadt und Pulheim konnten Kinder in mobilen Schwimmcontainern abtauchen, in Bedburg bietet der Kreissportbund zurzeit einen kostenlosen Schwimmkurs an. Die Schwimmkurse bei den „Wassermäusen“ beginnen wieder am 21. August. Alle Infos gibt es hier.