Geschichten von der StraßeBoxer Charr besucht Karl-Schiller-Berufskolleg in Brühl
Brühl – Als Mahmoud „Manuel“ Charr den Veranstaltungsraum des Karl-Schiller-Berufskollegs betritt, gelten die Blicke vieler Schüler vor allem dem mit goldenen Plaketten verzierten Gürtel, der ihn als Box-Weltmeister im Schwergewicht ausweist. Doch eigentlich hat der 35-Jährige etwas viel Wichtigeres als die Trophäe seines größten Triumphs mitgebracht. Er will den rund 60 Schülern eine Botschaft vermitteln.
„Jeder von Euch hat ein Talent, jeder hat die Chance, seinen Traum zu realisieren“, ruft er den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu. Und Charr, der seit 2017 den Titel des „Regular Champion“ der World Boxing Association (WBA) führt, bleibt den Beleg für seine These nicht schuldig.
Mehr als zwei Stunden erzählt der Mann mit syrisch-libanesischen Wurzeln von sich. Von einem Leben, das mit der Flucht vor dem Bürgerkrieg im Libanon begann, in einfachen Verhältnissen in Gelsenkirchen seine Fortsetzung fand und mit mindestens so vielen Rückschlägen wie Erfolgen aufwartete. Aufzugeben, sagt der Boxer, sei für ihn dennoch nie eine Option gewesen. Charr berichtet, früh auf die schiefe Bahn geraten zu sein, weil ihm die kriminelle Karriere einst als einziger Weg zu Geld und Anerkennung in einer Gesellschaft erschienen sei, die ihm die Integration schwer gemacht habe. Er erzählt von seiner Zeit hinter Gittern, davon, dass er angeschossen und mit einem Messer attackiert wurde.
Manuel Charr drohte das Karriereende
Er zeigt die Narben an Bauch und Rücken und er erklärt, dass er als Profi-Boxer vor dem Karriereende stand, weil seine Hüften lädiert waren. Immer wieder sei er aber aufgestanden, habe sich Ziele gesetzt und erreicht, die andere für absurd gehalten hätten. Das habe ihm zu dem gemacht, was er heute sei: ein erfolgreicher Mann, der mit sich im Reinen ist und nach vorne blickt. Diese Botschaft kommt bei den Zuhörern an, von denen viele ebenfalls ausländische Wurzeln haben und noch auf der Suche nach dem eigenen Weg und beruflichen Zielen sind. Charr fragt die Schüler nach ihren Ambitionen und fordert dazu auf, diese mit Willen und Leidenschaft zu verfolgen. „Heute sind die Möglichkeiten ganz andere als zu meiner Zeit. Ihr könnt eine Schule besuchen und dürft arbeiten. Nutzt das“, sagt er.
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Dass sein junges Publikum diese Mahnungen nicht mit einem Gähnen quittiert, liegt nicht nur an seiner beeindruckenden Vita, sondern auch an seiner lockeren, jugendlichen Sprache. „Aus seinem Munde nehmen die Schüler sicherlich eher an, dass man mit Disziplin viel erreichen kann“, sagt Lehrer Siegfried Pranke. Daher sei er auch direkt begeistert gewesen, als die Mutter eines Schülers angeboten habe, den Kontakt zu Charr herzustellen. Am Berufskolleg gehe es eben nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um die Förderung sozialer Kompetenz. Da sei Charrs Botschaft schlicht Gold wert.