Kult-Kneipe der 50erBrühler Milchbar wird im Freilichtmuseum Kommern wieder aufgebaut
Brühl – „Ich komme nach Kommern“ verkündet ein großflächiges Plakat an der Außenmauer der ehemaligen Gastwirtschaft von Mike Smith in Brühl. Als „Milchbar“ war die Kneipe bekannt. Einst ein Kulttreffpunkt der 1950er Jahre. Plattenhüllen der Rolling Stones, Santana und Jimi Hendrix zierten die Wände.
Doch das ist bald vorbei. Noch diesen Sommer soll das eingeschossige Gebäude ins Freilichtmuseum Kommern umziehen und dort einen wichtigen Platz einnehmen. Es soll als Bestandteil eines Ensembles von Gebäuden unter der Bezeichnung „Marktplatz Rheinland“ die Zeit zwischen 1945 und 1990 widerspiegeln.
Weitere architektonische Vertreter dieser Bauepoche sind ein Quelle-Fertighaus aus den 1960er-Jahren, ein typischer Flachdachbungalow aus den 1950er-Jahren, eine Eifeler Gaststätte in der Ausstattung von 1974 oder ein Asylheim aus den 1990er-Jahren. Sie sind schon aufgebaut und im Museum zu besichtigen.
Gleich zwei Zeitabschnitte wollen die Historiker des Landesmuseums für Volkskunde nach entsprechender Restaurierung mit der Milchbar sichtbar machen. Zum einen den Blick in eine für die Mitte der 1950er-Jahre typische Milchbar, zum anderen soll der Wandel zur Musikkneipe in den 1970er-Jahren deutlich gemacht werden.
Wirt Mike Smith zelebrierte die Ära der Musikkneipe bis zuletzt. Sein letztes Konzert feierte er mit einer Rockband am 29. Dezember 2017. „Die Musik war gut und die Kneipe rappelvoll“, erinnert sich Marie Trimborn eine gute Freundin, die den Garten nebenan pflegt. Umso überraschender sei für sie der plötzliche Tod nur wenige Tage nach diesem Konzert gewesen. Mike Smith starb mit 64 Jahren. Die Erbin, seine Schwester Ellen, entschloss sich, das Grundstück zu verkaufen. Der Rechtsanwalt Herbert Poetes, der sie beriet, war nicht nur ein Schulfreund des verstorbenen Wirtes, sondern auch ein langjähriger Gast. Als Vorsitzender der Brühler Museumsgesellschaft hat er zudem einen Sinn für geschichtsträchtige Gebäude. Er machte die Historiker des Landschaftsverbandes Rheinland auf die „Milchbar“ aufmerksam.
Hochburg der Brühler Motorradrocker
Poetes erinnerte sich an die Milchbar, die in den 1960er-Jahren als Hochburg der Brühler Motorradrocker galt. Mit ihren großen Maschinen rollten sie auf den Parkplatz nebenan, speisten in der Milchbar, in der es neben Getränken auch Essen gab und tanzten zum Rock’n’Roll aus der Musikbox. Später sei die Milchbar „eine ganz normale Gaststätte und Treffpunkt etlicher mehr oder weniger prominenter Brühler geworden“, sagt Poetes.
Die 87-jährige Elisabeth Beils erinnert sich an die Ursprünge der Milchbar, die ihre Eltern Josef und Gertrud Eich im hinteren Teil ihres Gartens an der Mühlenstraße Mitte der 1950er-Jahre errichteten. „Wie eine Bombe“ sei die Bar in Brühl eingeschlagen. Mit ihrer Schwester und der Cousine Marlene Vogel habe sie hinter der Theke gestanden, gestärkte, weiße Servierschürzen durften nicht fehlen.
Frauen in schicken Kleidern schlürften Milchmixgetränke, die Herren im Anzug ein Becks aus der Flasche. Aus der Jukebox sang die Valente den „Casanova“, erinnert sich Beils. Mittelpunkt der Gaststube war die große, weiß-blaue Kühltheke der Firma Caracciola. Dort habe sie anfänglich Speiseeis vom Bäcker Paul Scheel von nebenan serviert: Vanille, Schokolade und Erdbeere, das Bällchen für zehn Pfennig. Dazu mixten sie Zutaten wie Mokkamilch mit Orange zum Flip, aus Vanilleeis und weißem Curaçao den „Weißen Traum“ oder den „Blauen Mond“, mit blauem Likör und Zuckerrand. Ihre Schwester Gertrud habe die Milchbar mit ihrem Mann, dem Engländer William Smith, weiter betrieben.
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Wie innig die Beziehung der Brühler zu ihrer Milchbar gewesen ist, erlebten die Geschichtsforscher im vergangenen Jahr immer dann, wenn sie zur Sichtung des Bestandes die Rollladen der Gaststätte hochzogen. „Viele Neugierige standen auf der Schwelle, um noch einmal einen Blick auf die vertrauten Wände werfen zu können oder ein Andenken zu ergattern“, schilderte Carsten Vorwig, zuständig für Haus- und Bauforschung. Für den Leiter des Museums, Josef Mangold, ist das ein Zeichen, den richtigen Riecher. gehabt zu haben. Ein solches Verhalten untermauere nämlich die These, die Milchbar sei ein wichtiger Treffpunkt gewesen. Längst haben die Historiker das Innenleben der Milchbar gesichtet und die historisch relevanten Stücke aus dem Gastraum, dem Billardraum und dem zur Straße liegenden Kiosk ins Archiv des Landesmuseums gebracht. Jetzt wartet das Gebäude noch auf die Demontage.
Wand für Wand soll die Milchbar ins Freilichtmuseum transportiert werden. Aus dem Abbau erhofft sich Vorwig weitere Erkenntnisse über die farbliche Gestaltung und die Materialien der damaligen Zeit. Neben historischen Fotos sei das eine der Grundlagen für die authentische Darstellung der Räume in ihrer frühen Phase.