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Ethische Fragen in schauriger AtmosphäreBrühler Theater inszeniert „Frankenstein“ neu

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Der blinde Seher (Axel Gehring) ist der einzige, der Frankensteins Kreatur (Alexander Seel, l.) Empathie entgegenbringt.

Bergheim – Von der Idee, aus Leichenteilen mit Nadel und Faden neue Wesen zusammenzuschustern und ihnen mittels elektrischer Impulse menschliches Leben einzuhauchen, haben sich die Forscher inzwischen wohl verabschiedet. Heute sind die Gen-Manipulation und das Klonen von Erbgut die Methoden der Wahl. Die ethische Frage, wie weit Wissenschaft gehen soll und ob sie alles, was sie tun kann, auch tun darf, ist allerdings so aktuell wie vor 200 Jahren, als die britische Schriftstellerin Mary Shelley ihren Schauerroman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ veröffentlichte.

Grund genug für das Brühler Theater Fundamental, den zeitlosen „Frankenstein“-Stoff neu zu inszenieren. Nach mühsamer Vorbereitung feierte das renommierte Ensemble um Regisseur Axel Gehring am Sonntag im Medio eine gelungene Premiere.

Corona war noch kein Thema, als sich die zwölfköpfige Schauspielgruppe Anfang des Jahres an die Arbeit machte. Grundlage war eine von Gehring behutsam für die Bühne bearbeitete Fassung des Shelley-Stoffes, der vor allem durch die legendären „Frankenstein“-Filme mit Boris Karloff aus den 1930er-Jahren Weltruhm erlangt hat.

Ungewisse Zukunft

„Im März kam dann der große Lockdown. Statt gemeinsamer Proben waren plötzlich nur noch Videokontakte via Skype angesagt. Als sich die Infektionslage im Sommer dann zu entspannen schien, starteten wir mit frischem Elan neu durch. Und jetzt stehen auch wir Theaterleute wieder vor einer ganz ungewissen Zukunft“, beschreibt Axel Gehring die schwierige Situation. Einige für den November geplante Aufführungen mussten bereits wieder abgesagt werden. So steht aktuell für das Fundamental-Theater nur noch eine einzige Vorstellung am Sonntag, 15. November, ab 19 Uhr in der Brühler Galerie am Schloss auf dem Spielplan.

Bei der Premiere im Medio durften nur etwa zehn Prozent der Zuschauerplätze genutzt werden, und selbst da blieben am Sonntag reservierte Sitze frei, weil die jüngsten Entwicklungen manchem Theater-Fan die Lust auf Publikumsveranstaltungen offenbar geraubt haben. Für die an größeren Zulauf gewöhnte, preisgekrönte Amateurtheatergruppe ist das eine ganz schön frustrierende Erfahrung. „Doch wir lassen uns nicht unterkriegen“, sagt Gehring, „und wir hoffen, dass wir nächstes Jahr unter besseren Umständen alles nachholen können.“

Eine ganz spezielle Schaueratmosphäre

Die Besucherinnen und Besucher der Premiere bereuten ihr Kommen jedenfalls nicht. Die Bühnen-Fundamentalisten trumpften einmal mehr mit einer pfiffigen, in sich schlüssigen Inszenierung auf. Zu den Spezialeffekten aus Gehrings Trickkiste gehörte neben dem wirkungsvollen Einsatz von Hintergrundmusik in einigen Szenen der Rückgriff auf die pantomimische Schattenspielkunst. Das sorgte etwa bei der Ausgrabung von Leichen auf einem schottischen Dorffriedhof für eine ganz spezielle Schaueratmosphäre.

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Insgesamt allerdings inszenierte das Fundamental-Theater die Geschichte über den größenwahnsinnigen Wissenschaftler Viktor Frankenstein und sein Monster nicht als oberflächlichen Horror-Reißer, sondern arbeitete die vielschichtigen ethischen, gesellschaftlichen und philosophischen Komponenten der Handlung pointiert heraus. Aus einem schauspielerisch überzeugenden Ensemble ragten Christof Schulze als zwischen wissenschaftlichem Können und ethischem Dürfen zerrissener Dr. Frankenstein und Alexander Seel als seine von tiefster Verzweiflung und quälender Sinnsuche geplagte Kreatur heraus.