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Rot-Grün setzt sich durchEltern sollen über zweite Gesamtschule in Brühl entscheiden

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Foto ist Bürgermeister Dieter Freytag im Gespräch mit Gegnern einer zweiten Gesamtschule in Brühl zu sehen.

Die Gegner einer zweiten Gesamtschule machten ihren Unmut bei einem Protestzug und vor der Sitzung des Stadtrates deutlich. Bürgermeister Dieter Freytag stellte sich den Eltern und ihren Kindern.

150 Gegner einer zweiten Gesamtschule protestierten vor und während der Ratssitzung. Die Befürworter setzten sich erwartungsgemäß durch.

Es war ein ungewöhnlich lauter Empfang für die Ratsleute und die Führungskräfte der Stadtverwaltung. Vor der Sitzung des Stadtrats mussten sie sich am Montagabend zunächst ihren Weg durch eine protestierende Menge vor der Aula des Max-Ernst-Gymnasiums bahnen.

Rund 150 Menschen bliesen in ihre Trillerpfeifen und hoben ihre Plakate hoch, um ihre Ablehnung einer zweiten Gesamtschule und die Forderung nach dem Erhalt von Erich-Kästner-Realschule (EKR) und Clemens-August-Hauptschule (CAS) kundzutun. Zuvor war der Protestzug bereits durch die Innenstadt gezogen.

Im politischen Diskurs im Rat stand das Thema dann auch im Fokus. Nach mehreren Stunden intensiver Diskussion war dann klar, dass die Hoffnung der Protestierenden einen Dämpfer erhielt. Das rot-grüne Mehrheitsbündnis stimmte für die Befragung der Eltern von Kindern zweier Grundschuljahrgänge im Herbst, um deren Interesse an der Gesamtschule zu erfassen. Dies gilt den Befürwortern als wichtige Bedarfsermittlung, aber eben auch als Basis, um die Bezirksregierung von der Schaffung einer zweiten Gesamtschule im Sommer 2025 zu überzeugen.

Fragebogen an Eltern wurde an einigen Stellen modifiziert

Die politischen Widersacher um CDU und FDP konnten sich mit ihren Forderungen, das Vorhaben abzublasen oder zumindest zu verschieben, nicht durchsetzen. Verändert wurden lediglich Details am Fragebogen. Dort soll nun nicht mehr das Interesse an einer zweiten Gesamtschule, sondern allgemein an dieser Schulform erfragt werden.

FDP-Fraktionschef Jochem Pitz warnte vergeblich davor, mit EKR und CAS zwei ausgezeichnete Schulen und damit die bewährte Vielfalt abzuschaffen. Mit dem Abschied vom grundsätzlichen schulpolitischen Konsens leite Rot-Grün einen „Schulkrieg“ ein. „Wir haben andere Probleme, als uns zu zerfleischen“, so Pitz. Auch die Worte von Daniel Schönbauer (CDU) fanden nicht ausreichend Gehör. „Ich appelliere an die Verantwortung. Nach der Auflösung von EKR und CAS gibt es keinen Weg zurück“, rief er den Zuhörern zu.

Erst haben Eltern das Wort, dann die Bezirksregierung

Es gehe um eine nüchterne Bedarfsabfrage, sagte hingegen Simone Holderried, Fraktionschefin der Grünen. Simone Weesbach (SPD) erklärte, alles sei „nach wie vor ergebnisoffen“. Erst hätten die Eltern das Wort, dann die Bezirksregierung. Und Bela Kassan (Grüne) erklärte, die hohe Zahl abgewiesener Kinder an der bestehenden Gesamtschule sei ein „Auftrag an die Politik“, etwas zu verändern. Er unterstrich die Ambition, in Zukunft jedem Kind, das es wolle, einen Platz an der Gesamtschule anbieten zu können.

Wer hingegen nach dem möglichen Start der zweiten Gesamtschule einen Platz auf einer städtischen Haupt- oder Realschule präferiert, wird in Brühl leer ausgehen. Denn das machte Bürgermeister Dieter Freytag (SPD) klar: Beide Schulen werden in diesem Szenario keine Zukunft haben. Dass dies auf massive Kritik stößt, machte die Bürgerfragestunde zum Auftakt der Ratssitzung deutlich.

Das macht die Entscheidung auch so schwer
Bürgermeister Dieter Freytag

Lehrer, Eltern und Schülern betonten die gute Arbeit an EKR und CAS. Auch Freytag bezeichnete beide Schule als hervorragend. „Das macht die Entscheidung auch so schwer“, sagte der Bürgermeister, der sich als grundsätzlicher Befürworter der Gesamtschule bezeichnete.

CDU-Fraktionschef Holger Köllejan sprach derweil von einem bevorstehenden „Kahlschlag“ in der Schullandschaft, auf den in der Befragung nicht ausreichend hingewiesen werde. Das sei manipulativ. Zudem träfen Eltern von nur zwei Jahrgängen Entscheidungen für Generationen von Kindern danach. „Das ist einfach nicht nachzuvollziehen“, so Köllejan.

Bürger warfen die Frage auf, wo Schüler, die am Gymnasium nicht zurechtkommen, in Zukunft ihre Schullaufbahn fortsetzen sollen. Trotz des unterschiedlichen Lehrsystems hält Freytag die Gesamtschule für den richtigen Auffangort. Dies hätte auch der bisherige Austausch mit der Bezirksregierung bestätigt.

CDU und FDP wollen einen Ausbau der bestehenden Gesamtschule

Hinterfragt wurde zudem, wie man an einer weiteren Gesamtschule die nötige Drittelparität erreichen wolle, also eine Zusammensetzung der Schülerschaft zu gleichen Teilen aus potenziellen Haupt- und Realschülern und Gymnasiasten.

Insbesondere letztere Gruppe gilt angesichts der Beliebtheit der beiden Gymnasien als limitiert, wird aber benötigt, um eine ausreichend große und attraktive Oberstufe anbieten zu können. Freytag sagte, Ziel sei die Heterogenität. Wenn dies nicht gehe, werde die Gesamtschule davon abweichen müssen.

Einen von Schulpflegschaft, CDU und FDP befürworteten Ausbau der bestehenden Gesamtschule sieht Rot-Grün kritisch. Man wolle keine so große Schule, die dann wiederum CAS und EKR schwäche, hieß es.