Redakteur Wolfram Kämpf sprach mit Mitgliedern der Stadtschulpflegschaft über ihre Befürchtungen.
„Ausbau die beste Lösung“Stadtschulpflegschaft ist gegen zweite Gesamtschule in Brühl
Die Stadtschulpflegschaft übt massive Kritik an der Schaffung einer zweiten Gesamtschule. Dabei sind Sie, Herr Hehnke, als Vorsitzender sogar in der Schulpflegschaft der bestehenden Gesamtschule aktiv. Wie passt das zusammen?
Hehnke: Ich schätze das System der Gesamtschule aus langjähriger Erfahrung. Dieses funktioniert aber nur bei Wahrung der Drittelparität. Also einer Schülerschaft, die sich zu jeweils einem Drittel aus potenziellen Gymnasiasten, Real- und Hauptschülern zusammensetzt. Diesen Mix wird man an einer zweiten Gesamtschule nicht erreichen. Das muss allen Eltern klar sein. Nur weil die erste Gesamtschule funktioniert, heißt das also nicht zwangsläufig, dass dies bei einer zweiten ebenso der Fall ist. Unter den Brühler Kindern, die zuletzt keinen Platz an der Gesamtschule erhalten haben, befanden sich nur zwei mit einer gymnasialen Empfehlung.
Das sind schlicht zu wenige für eine Leistungsheterogenität und um später eine Oberstufe mit einem attraktiven Spektrum an Leistungs- und Grundkursen zu bilden. Und wenn es der Schule an Attraktivität fehlt, beginnt ein Teufelskreis.
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Linnenbaum: Das liegt auch an der Beliebtheit der Gymnasien innerhalb der Brühler Elternschaft. Von den rund 400 Viertklässlern erhält mehr als die Hälfte eine gymnasiale Empfehlung. Davon werden aber nur 30 an der Gesamtschule angemeldet.
Aber erhielte die Gesamtschule denn nicht Zulauf von jenen Kindern, die auf dem Gymnasium nicht zurechtkommen?
Hehnke: Dieser Wechsel ist in der Elternschaft nicht besonders beliebt und führt zu vielen Schwierigkeiten. Denn wir reden von zwei unterschiedlichen Schulsystemen.
Spiegels: Ja, Gesamtschule und Gymnasien sind zwei parallele Welten. Daher sind die Wechsel innerhalb des dreigliedrigen Systems wesentlich leichter. Die EKR ist also die bessere Anlaufstelle für die besagten Schüler, aber die würde ja mit der Schaffung einer zweiten Gesamtschule wegfallen.
Befürworter betonen die größere Durchlässigkeit der Gesamtschulen. Schüler ohne gymnasiale Empfehlung schafften es leichter in die Oberstufe, heißt es.
Lenz: Das stimmt aber nicht für Brühl. 70 Prozent der Schüler der EKR setzen ihre Laufbahn fort, um Abitur oder Fachhochschulreife zu erreichen. An der Gesamtschule entspricht dieser Anteil hingegen in etwa jenem von Schülern mit gymnasialer Empfehlung. Und auch von den Schülern der Hauptschule schaffen es viele ans Berufskolleg.
Spiegels: Klar ist, dass die in Frage gestellten Schulen eine ganz wichtige Scharnierfunktion zwischen den einzelnen Schultypen erfüllen.
Demonstration am Montag
Zu einer Demonstration für den Erhalt der Erich-Kästner-Realschule (EKR) und der Clemens-August-Hauptschule sowie gegen die Errichtung einer zweiten Gesamtschule hat die Schulpflegschaft der Realschule für Montag, 19. Juni, 17 Uhr, aufgerufen. Los geht es am Markt, von dort ziehen die Teilnehmer zum Max-Ernst-Gymnasium, wo um 18 Uhr der Stadtrat tagt. (wok)
Hehnke: Und die Anmeldezahlen an Haupt- und Realschule werden weiter hochgehen, wenn in Wesseling die Gesamtschule ihren Betrieb aufnimmt. Noch einmal: Ich habe nichts gegen die Gesamtschule, aber eben nicht für jedes Kind. Wir haben vielfältige Kinder. Daher ist die vielfältige Schullandschaft in Brühl auch so toll.
Spiegels: Ich bin sogar davon überzeugt, dass diese Vielfalt für manche junge Familien ein Grund ist, nach Brühl zu ziehen.
Was spricht aus Ihrer Sicht gegen den Ausbau der bestehenden Gesamtschule?
Hehnke: Gar nichts. Rot-Grün hat aber immer nur an der anderen Lösung festgehalten – ohne eine schlüssige Begründung zu liefern. Das ist nicht nachvollziehbar. Stringent wäre es ja erst, wenn man auch das Gymnasium dicht machen würde und ausschließlich auf die Gesamtschule setzte. Aber da wäre der Widerstand in der Bevölkerung wohl zu groß.
Manche sagen, dass es den Schulleitungen und Lehrern an der Erich-Kästner-Realschule und an der Clemens-August-Hauptschule lediglich schwer fällt, ihre Posten und Selbstständigkeit aufzugeben. Ihnen gehe es also weniger um das Wohl der Schüler als um das eigene.
Lenz: Das zu behaupten, ist eine Frechheit. Die Kollegien sind absolut engagiert und müssen sich angesichts des Lehrkräftemangels sicherlich keine Sorgen über ihre Jobs machen.
Welche Lösung wäre denn aus Ihrer Sicht die ideale zur Weiterentwicklung der Brühler Schullandschaft?
Spiegels: Unsere zentrale Bedingung ist der Erhalt der bestehenden Schulen. Über alles Weitere kann man reden. Etwa eine noch intensivere Zusammenarbeit der Schulen oder schulübergreifende Angebote in Form eines Brühler Schulcampus. Aber das ist nicht erwünscht. Für die Beteiligten ist es weiterhin nicht zu verstehen, dass eine Diskussion in diese Richtung nicht möglich ist. Die gute Arbeit an den bestehenden Schulen wird ignoriert.
Genau wie die von Experten geäußerten Bedenken an einer zweiten Gesamtschule mit zwei getrennten Standorten in den Gebäuden der heutigen Clemens-August-Hauptschule und EKR.
Hehnke: Unseres Erachtens ist der Ausbau der bestehenden Gesamtschule auf fünf Züge die beste Lösung. Mit etwas mehr Schülern würde das Kursangebot und somit auch die Attraktivität der dortigen Oberstufe größer. Dann würden vielleicht auch mehr Eltern ins Grübeln kommen und ihre Kinder dorthin schicken und nicht auf das Max-Ernst-Gymnasium.
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